LIFE

Der Klick, der den Rechner zerstört

Sven Krumrey

Als Kind bekommt man so ziemlich alles von den Erwachsenen beigebracht. Mit dem Zeitalter des Computers kam die große Umwälzung und auch Menschen, die ich durchaus als weise bezeichnen würde, finden sich plötzlich in der Schülerrolle wieder. Da ich meine Brötchen mit Software und dem Schreiben darüber verdiene, bin ich natürlich ein gern gesehener Gast vor fremden Rechnern. Das ist normalerweise kein Problem, sie haben mir vor 30 Jahren die Welt erklärt, dann sollte mir das heute anders herum auch bei Computern gelingen. Sollte…

Denn es gibt zwei rätselhafte Phänomene, die ich wirklich nicht erklären kann. Zwei geheimnisvolle Umstände, die intelligente Menschen davon trennen, eine Mail zu verschicken oder eine CD zu brennen…

Schockstarre vor dem Rechner

Peter E. schaute fassungslos auf den Bildschirm, wo Microsoft Outlook 2010 ihm offensichtlich große Angst machte. „Wie kann ich jetzt eine Nachricht verschicken?“ Er hatte Kindern 30 Jahre korrekte Rechtschreibung beigebracht, war mit dem Fahrrad bis an den Atlantik gefahren, reparierte der Verwandtschaft Staubsauger und Radios, doch nun war er mit seinem Latein am Ende. Ich stellte meine Stimme auf Tschakka, Du schaffst das und bat ihn, sich alles in Ruhe anzusehen. Würde er den großen Neue Email-Nachricht-Knopf finden, verstehen und dann sogar drücken? Als die Minuten verstrichen, wusste ich, dass Phänomen Nummer 1 am Start war – die plötzliche Unfähigkeit zu lesen. Wenn sich die Augen plus Maus gleichermaßen ziellos über den Screen bewegen, ist schnell dieser Zustand erreicht, eine Art Nirwana ganz ohne Buddhismus. Man sollte überprüfen, ob sich dieser Zustand für Hypnosetherapien oder als Betäubung nutzen ließe, denn die Personen scheinen ganz, ganz weit weg zu sein.

Auch Peter ruhte sichtbar in sich. Nach einer gewissen Zeit sagte ich: „Oben links“, er erwachte aus seiner Starre und ließ den Mauszeiger zaghaft in die besagte Richtung wandern. Direkt über Neue Email-Nachricht verharrte er. Dann passierte – nichts. Kein Klick. Also Phänomen 2die Angst, mit einem Klick den Rechner zu zerstören. Wieder ein Rätsel, das ich nicht wirklich ergründen kann.

Sehen wir es nüchtern: Es hat sich ein Programmierer die Mühe gemacht, an dieser Stelle einen Knopf ins Programm zu bauen. Hinter diesem Knopf ist irgendeine Funktion und Computer sofort zerstören wird es nicht sein! Dennoch sehe ich immer wieder tiefe Furcht, eine unbekannte Taste zu drücken. Auch, wenn darauf steht, was die Funktion macht. Wie kommt es dazu? Fürchtet man, hinter dem Knöpfchen stünde in Wirklichkeit das Sammeln schlüpfriger Bilder vom Rechner inklusive dem Versand an sämtliche Verwandten aus der Kontaktliste? Nein, es ist die Furcht vor dem Unbekannten, vor ungeahnten Konsequenzen, vor dem Versagen an Tastatur und Maus.

ein falscher Klick, schon geht der Rechner in Flammen auf

Um dies zu verhindern, legen sich meine „Schüler“ gerne Zettel und Stift zurecht, um sich einen Weg aufzuschreiben. Ja, das funktioniert irgendwie. Aber es ist im Endeffekt so, als würde man sich morgens im Auto zig Zettel aufs Armaturenbrett kleben, auf denen Bremse, Kupplung und Lenkrad erklärt werden. Es verhindert, dass man das System im Ganzen versteht. Doch um die Logik zu erfassen, muss man lesen, beobachten und ausprobieren.

Ich erklärte einmal einem Vorstandsmitglied eines deutschen Konzerns das Ashampoo Burning Studio, um ihm das Programm schmackhaft zu machen. Ich hatte mich auf das Schlimmste gefasst gemacht, alle Lösungswege als Vortrag in petto, doch im Endeffekt musste ich nur wenig sagen. Er las und klickte und klickte! Ohne Zögern probierte er die unterschiedlichen Funktionen durch, ging vor und zurück, lies sich Vorschauen anzeigen und brannte dann mit breitem Grinsen eine CD. Er kannte das Programm nicht, er war auch kein Informatiker – er war schlicht neugierig und mutig. Genau dies ist der Schlüssel, um sich neue Software zu erschließen. Meinen Sie, ich mache das anders? Auch wenn ich seit 25 Jahren am Rechner sitze, lerne ich Programme durch schlichtes Ausprobieren kennen. Je mehr Programme man kennt, desto mehr Parallelen zeigen sich und desto schneller findet man sich auch in neuen Programmen zurecht.

Ihr Rechner ist Ihr Spielplatz und kein Gefängnis! Gute Software ist intuitiv, sie zeigt, was sie kann und ist logisch aufgebaut. Spielen Sie mit ihr herum, klicken Sie sich durch die Tiefen der Programme und schauen Sie in die vorhandenen Einstellungsmöglichkeiten. Sie werden überrascht sein, welche Möglichkeiten sich Ihnen erschließen und wie schnell Sie sich zuhause fühlen werden. Eigentlich reicht das, was uns als Kinder ausgezeichnet hat: Neugier, Experimentierfreudigkeit und ein gewisses Vertrauen, das nichts wirklich Schlimmes passieren kann.

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