Weihnachten rast herbei und viele schauen nach neuer Unterhaltungselektronik für die Liebsten oder sich selbst. Nicht nur durch die vergleichsweise günstigen Preise und das aggressive Marketing stehen Amazon-Produkte oft im Blickfeld. Äußert man unter Technik-Enthusiasten allerdings diese Alternative, breitet sich betretenes Schweigen aus und die Stimmung wird leicht frostig. Allzu sehr sind die Amazon-Geräte darauf ausgelegt, allzeit und überall Kaufanreize zu setzen und möglichst mehr Amazon-Dienste in dem Alltag des Nutzers zu verankern. Ich wollte mir anhand des aktuellen Tablets Amazon Fire HD 10 (9. Generation, 32 GB) anschauen, was so ein Billig-Tablet alles kann- oder ob es nervt!
Der erste Eindruck
Ich hatte das letzte Mal vor 3 Jahren ein Fire HD Tablet in der Hand und bin überrascht – äußerlich hat sich nichts geändert. Immer noch mit breitem Rahmen um den Bildschirm herum, rundum Plastik, vorne und hinten die Kameras (dazu später mehr), dazu die Knöpfe für An / Aus, Lautstärke, fertig. Seitlich versteckt finden sich noch ein Slot für eine Speichererweiterung und ein Port für USB-C zum Laden, mehr wollte Amazon nicht spendieren. Das Fire HD wird ganz bestimmt niemals einen Preis für innovatives Styling bekommen, alles wirkt nicht gerade verwindungssteif und scheint nicht für die Ewigkeit gebaut. Dennoch wackelt nichts, die Spaltmaße sind in Ordnung, die Knöpfe sitzen, die Verarbeitung ist durchaus ordentlich. Als kleines, modernes Statussymbol für Hipster beim Caffè Latte eignet sich das HD 10 aber nicht. Ganz klar, Vergleiche mit z.B. einem iPad sind sinnlos, da das HD nur einen Bruchteil kostet, hier zählt das Preis-Leistungsverhältnis. Seine 504 Gramm liegen auch recht wuchtig in der Hand, doch vielleicht kann mich ja der erste Start überzeugen!
Wie viel Amazon ist drin?
Schon die ersten Menüs zeigen klar, wer Herr im Haus ist. Man solle sich bitte mit seinem Amazon-Account einloggen und der Startbildschirm beinhaltet praktisch das gesamte Amazon-Portfolio. Wer etwas sensibel im Bereich Bloatware ist, muss hier ganz stark sein. Amazon zeigt, was die Firma alles zu bieten hat und schert sich nicht um das, was ein Android-Nutzer sonst auf dem Startmenü erwartet. Amazon Angebote, Music, Video, Photos, Audible, Kindle, Spiele, Alexa, Free Time- man wundert sich, dass Jeff Bezos nicht noch eine kleine Ansprache hält. All das kann man übereinander schieben, so dass es in einem Ordner verschwindet, deinstallieren kann man es nicht. Wenigstens ist danach der Bildschirm wieder frei. Ein Wischer nach rechts – Angebote en masse, ein Wischer nach links, das gleiche Spiel in leichter Variation. Das Betriebssystem ist auch kein pures Android, sondern basiert nur darauf und wurde von Amazon noch etwas umgestrickt. Das Betriebssystem Fire OS nutzt Ressourcen dabei nur bescheiden, läuft geschmeidig durch und soll nebenbei erklärte Konkurrenten fernhalten – oder den Zugang zum Gerät jedenfalls erschweren. Es gibt daher nicht den normalen Android Playstore, den man von Android-Geräten kennt. Der Amazon-eigene Playstore bietet zwar manches, aber halt nicht alles, was in den aktuellen Download-Charts zu finden ist. Auch dem eigenen Browser (Silk) möchte man keinen ebenbürtigen Konkurrenten entgegenstellen, Chrome, Firefox oder Edge sucht man vergebens. Zum Glück ist der Amazon-Browser auf Chromium-Basis inzwischen konkurrenzfähig (früher herrschte hier Frust pur), ein schaler Nachgeschmack bleibt dennoch. Natürlich kann man mit ein paar Tricks auch hier den Android-Playstore installieren (das Internet ist voller Anleitungen), doch verliert man damit die Garantie. Schade drum!
Das Fire HD 10 in seinem Element - Multimedia
Dennoch viel fürs Geld
Wer nun glaubt, man habe nur ein schnödes Verkaufswerkzeug, das die Käufer quält, hat das System Amazon noch nicht verstanden. Denn das Fire HD 10 bietet eine Menge für das Geld! Der Akku ist extrem gut (11 Stunden Laufzeit), der MediaTek MT8183 Prozessor sorgt für eine angenehme Arbeitsgeschwindigkeit und das Display liefert sauberes Full HD und gute Farben. 224 PPI (Punkte pro Inch) sorgen für eine vernünftige Schärfe, so dass sich das Gerät auch zum Lesen eignet. Auch hier wieder: Geräte zum fünffachen Preis bieten mehr, aber wer keine besonders hohen Erwartungen hat, wird absolut zufrieden sein. Die Wiedergabe von Amazon Prime, Netflix, Disney und Co verläuft bei mir problemlos, man merkt nicht, dass hier nur 2 GB RAM zur Verfügung stehen. Ein Pluspunkt sind auch die Lautsprecher, die durchaus Stereo bieten, vernünftig klingen und z.B. zum YouTube-Schauen allemal ausreichen. HiFi-Fans sollten natürlich zu Bluetooth-Kopfhörer greifen oder Boxen verbinden. Um fair und objektiv zu bleiben – ich bin beeindruckt. Von einem Gerät, das immer mal wieder für 80€ verkauft wird (UVP mit Spezialangeboten ist 140€), hätte ich das so nicht erwartet. Sicher, man wird bereits mit einer Werbung (zumeist für ein Buch) empfangen und Amazon ist nie so sehr im Hintergrund, wie ich es mir wünschen würde, doch man gewöhnt sich schnell daran. Werbungen in Fernsehen oder Radio scheinen mir da durchaus penetranter. Das ewige Sorgenkind im Bereich Hardware bleiben die Kameras: Hier hat man merklich gespart und ungefähr das Niveau von günstigen Handys um 2010 erreicht. Wer auf die etwas absurde Idee kommen sollte, seine Fotosafari mit dem Tablet zu verewigen: Finger weg, Video-Telefonate ohne große Ansprüche funktionieren hingegen. Aber genau diese Ansprüche sind es, die jeden Kauf so schwierig machen!
Das schwierige „Was will ich eigentlich?“ und Amazons Blick darauf
Kauft man sich ein neues Tablett, so soll es natürlich alles können und das bitte schnellstens! Zudem soll es nicht zu teuer, haltbar, sicher und mit gutem Akku ausgestattet sein. Es ist allzu menschlich, erstmal das Allerbeste in allen Disziplinen zu wollen, bevor zwangsläufig etwas Realismus einfließt. Denn eigentlich brauchen nur wenige Spezialisten schier grenzenlose Performance oder sensationelle Farbwerte, es zählt eher, ob man subjektiv zufrieden ist. Auch die Geldbörse will beachtet werden, denn ein schnuckeliges iPad Pro in der Größe startet z.B. bei grob 600€. Wenn ich mal Einkaufstipps geben soll, empfinde ich das Herauskitzeln der wahren Bedürfnisse immer als Herausforderung. Viele Gespräche verlaufen entsprechend kurios. Manche scheinen das komplette Weltgeschehen über ihr Tablet abwickeln zu wollen, bis man Detailfragen stellt und fragt, was sie wirklich damit anfangen wollen, welche Apps genutzt werden. Zu 90% ist das Anforderungsprofil letztendlich doch: Surfen, Lesen, Videos schauen, vielleicht noch etwas Spielen. Genau das kann das Fire HD 10, auch bei den von mir getesteten Spielen kam das System nicht außer Puste und der Akku hielt durch. Lesen mit Readly, Nachrichten schauen oder Streaming, alles im grünen Bereich. Ich habe noch zwei hochwertigere Tablets in etwas kleineren Format hier liegen und ertappe mich immer wieder dabei, doch zum Fire HD zu greifen. Doch wie steht es mit den Amazon-Verweigerern?
„Ich möchte nichts mit Amazon zu tun haben, ist das Fire HD dennoch eine Alternative?“
Nein. Eher könnte man zu den Amish People ziehen, ohne mit Religion in Kontakt zu bekommen. Amazon bietet mit diesem Tablet (und vielen anderen Geräten) einen klaren Deal: Für einen guten Preis bekommt der Käufer eine Menge Technik, doch Amazon ist immer dabei! Wer sich vom Giganten fernhalten will, wird hier wenig Spaß haben. Er könnte eher Richtung Samsung (oder zu einem anderen Android-Tablet) tendieren, würde dort aber mit dem allgegenwärtigen Google auf den nächsten datenhungrigen Riesen treffen. Gut, ein paar Spezialisten haben diese Geräte schon mit Android zum Laufen gebracht, doch wer will unterm Weihnachtsbaum mit Images jonglieren und dabei sofort jede Garantie verlieren? Wer sich hingegen im Amazon-Universum wohl fühlt, wird hier schnell heimisch werden.
Fazit
Amazon haben ganz genau drauf geachtet, welche Bedürfnisse der Großteil ihrer Kunden hat und das Fire HD 10 exakt darauf optimiert. Lange Laufzeit, stabile Performance, ein gutes (wenn auch nicht überragendes) Display und ein solides Fire OS zum kleinen Preis sind ein gutes Angebot. Wer hier lesen, surfen und Videos schauen will, bekommt einen sehr fairen Gegenwert für sein Geld. Auch ein ewiger Kritikpunkt, die oftmals schleppende Performance, wurde mit der neuen Generation zufriedenstellend gelöst. Dennoch werden so manchem die Omnipräsenz von Amazon und der fehlende Android Playstore sauer aufstoßen. Wer generell Amazon meidet oder bei jedem Werbespot im Fernsehen erhöhten Puls bekommt, sollte sich anders orientieren. Hat man aber erstmal die Massen an Amazon-Diensten in einen Ordner verfrachtet und ein paar besonders nervige Benachrichtigungen deaktiviert, unterscheidet sich das Fire HD 10 nicht mehr viel von anderen Tablets. Wer damit zurecht kommt, wird durchaus seinen Spaß an dem Gerät haben, sparsame Naturen allemal!
ich weiß nicht ob man es übersetzen muss: Das Gerät ist von Amazon. Wenn sie sich eine Tupperdose von einem Pralinen-Hersteller kaufen, sind auch seine Pralinen drin. Lange Zeit waren Apple-Geräte auch Sklaven von Apple und womöglich ist das mit dem M1 auch wieder so. Und die Millionen Autoersatzteile könnte man auch abschaffen ist doch eine Bremse eine Bremse und ein Auspuff ein Auspuff. Nur nicht in unserer Kultur...
Das ist Ihnen klar, mir auch - dennoch häufen sich bei den Nutzer-Reviews erstaunte Äußerungen / kritische Äußerungen, wie viel Amazon da doch drin sei... :) Wobei ich das ganz locker sehe: es kann, wofür es zu 90% gekauft werden dürfte. Das echte, "freie" Android-Feeling stellt sich jedoch nicht ein.
Ich muss noch mal nachfragen.... 64GB-Festplattenspeicher habe ich richtig gelesen???
Welcher Rechner hat denn bitte schön noch 64 GB-Festplattenspeicher?
Mein 12 Jahre altes Medion-Notebook hat als Festplatte 1. eine Samsung-Evo 512GB SSD Festplatte und als 2. Festplatte eine 5 Terrabyte FestplatteHDD verbaut.
Eine 64GB Festplatte in einem Windows PC halte ich für altertümlich. Jedes aktuelle Smartphone hat mehr, wobei ich in denen 12 GB Arbeitsspeicher für sinnlos und Geldverschwenung halte :-)
Jawoll, haben Sie richtig gelesen. :) Wenn das Betriebssystem nicht so groß ist und praktisch alle Inhalte gestreamt / online gelesen werden, klappt das sogar.