Heiße Ohren – die Frage nach der Handy-Strahlung
Kürzlich war ich bei einem netten Paar zu Besuch, das beschaulich am Stadtrand im Grünen lebt. Diese lieben Menschen sind tiefenentspannt und waren es auch an diesem Abend, bis ich mein Handy auf den Tisch legte. „Könntest Du das Handy weglegen oder ausmachen? Es liegt so nah am Kinderbettchen.“ Als guter Gast und da ich besorgte Eltern sympathisch finde, habe ich es natürlich ausgemacht. Aber hatte ich wirklich das Kind gefährdet? Da musste ich doch mal nachschauen!
Handys strahlen - doch mit welchen Konsequenzen?
Der Fluch des Neuen
Neue Erfindungen stehen häufig unter Generalverdacht, Schlimmes im Menschen zu verursachen. Früher befürchtete man, bei Geschwindigkeiten über 30 km/h würden sich Organe verknoten oder im Körper zu wandern beginnen, was einen jammervollen Tod bewirke. Und wirklich: Ich verspüre in der Tat ein unschönes Gefühl, wenn jemand vor mir immer nur 30 km/h fährt, aber das ist wohl eher mein Problem. Entdeckungen wie Röntgen-Strahlen, Radioaktivität oder Heroin wurden hingegen sorglos eingesetzt, bis man deren verheerende Wirkung erkannte. Kommt nun etwas wie ein Handy daher, das direkt am Kopf sendet und empfängt, so sind viele Menschen skeptisch und das ist auch ihr gutes Recht.
Es wird heiß – oder auch nicht
Also schauen wir uns mal an, was da an unserem Ohr sendet. Handys senden und empfangen elektromagnetischen Wellen, genauer hochfrequente, nicht-ionisierende (in diesem Zusammenhang: nicht die Atome verändernde) Strahlung. Damit fallen sie in eine Kategorie wie Mikrowellen-Öfen, was uns einen ersten Anhaltspunkt für ein mögliches Problem gibt, denn die Strahlung hat genug Energie, um z.B. unseren Körper (besser: Teile davon) zu erwärmen. Man spricht hier von einem thermischen Effekt. Davon kommt nicht das berühmte „heiße Ohr“ beim Telefonieren (das stammt eher vom Wärmestau durch den Hörer / das Handy), aber es reicht, um die Temperatur im näheren Bereich um die Strahlungsquelle messbar zu erhöhen. Da dieser Bereich klein ist und Handys eine streng reglementierte Strahlungs-Stärke haben, gilt es als unproblematisch.
Hat die Wissenschaft Antworten für uns?
Krebs oder nicht Krebs, das bleibt wohl die Frage
Problematischer als die Wärme-Entwicklung ist die Frage, o b das Handy als potentielle Krebs-Ursache überhaupt in Frage kommt. Denn hier widersprechen sich die Studien. Man kann sich Stunden um Stunden durch Berichte lesen und ist danach nicht wirklich schlauer. Mal findet man gar keine Hinweise dafür, dann wieder „geringe Einflüsse“ bei Hirn- oder Herztumoren, dann soll eventuell die Fruchtbarkeit verringert werden, wenn man das Handy in der Hosentasche trägt. Ich weiß, so manche Schlagzeile in den Medien verkündet anderes, bei Facebook klingt natürlich alles noch dramatischer, ich bleibe lieber entspannt und konsultiere die wissenschaftlichen Untersuchungen. Man kann vielleicht mit einem „wenn überhaupt, dann in geringem Maße krebserregend“ eine Art Durchschnitt durch all diese Publikationen bilden. Leider sind größere Langzeit-Tests immer noch rar.
Wann und wie strahlt es überhaupt?
Die Stärke der Strahlung ist extrem davon abhängig, wie gut die Verbindung zu den Sendemasten ist. Muss sich Ihr Handy bei schlechter Signalstärke „sehr anstrengen“, so strahlt es am stärksten. Wichtig: Die Strahlungs-Intensität nimmt extrem ab, je größer der Abstand zum Objekt ist. Drücken Sie das Handy direkt ans Ohr, ist die Strahlung am stärksten, liegt es mit Freisprech-Einstellung auf dem Tisch, sinken die Werte rapide ab. So können einige Zentimeter Abstand schon dafür sorgen, dass nur noch wenige Prozent des ursprünglichen Strahlungs-Wertes übrig bleiben. Ein Beispiel: Auf dem Land gibt es zwar weniger Sendemasten (die ja viele Menschen fürchten), die Strahlung, die Sie aber wirklich erreicht kommt vom Handy selbst und ist durch den schlechten Empfang stärker. Folglich sind auch Strahlenschutzfolien (ja, sowas gibt es) ziemlicher Unsinn, falls Sie das Handy weiter nutzen wollen. Falls sie überhaupt funktionieren, behindern sie den Empfang und zwingen das Handy zu mehr Leistung - und damit mehr Strahlung.
Ich möchte mich dennoch schützen – wie geht das?
Der Schlüssel liegt in dem, was schon beschrieben wurde – gutem Empfang und Abstand zum Gerät. Man kann z.B. vorwiegend telefonieren, wo der Empfang gut ist und bei schlechtem Signal nur in Notfällen anrufen. Sitzt man im Auto, so kann die Freisprech-Einrichtung genutzt werden, falls vorhanden. Das Handy in einer Tasche, statt direkt am Körper zu tragen, kann ebenso helfen wie die Nutzung eines Headsets. Auch wenn das Handy als Wecker genutzt werden sollte – ganz so nah am Kopf muss es dennoch nicht liegen. Wer weiter gehen möchte – Handys strahlen unterschiedlich stark. Man spricht hier vom SAR-Wert (spezifische Absorptionsrate), die hier beschreibt, wie viel elektromagnetische Strahlung eines Handys bei Betrieb in Ihren Körper gelangt. Im Internet gibt es zahlreiche Seiten, auf denen SAR-Werte von Handys aufgeführt sind. Wer vorsichtig ist, möge sich ein Gerät mit geringem SAR-Wert zulegen.
Fazit
Ob überhaupt eine nennenswerte Gefährdung von Handys ausgeht, ist umstritten. Die oftmals unsachlichen Diskussionen im Internet und die Sensations-Mache der Medien sorgen eher für Ängste, statt solide Informationen zu liefern. Nach allem, was wir wissen, ist Hysterie komplett fehl am Platz. Dennoch wundert es mich, dass ein täglicher Begleiter für Milliarden Menschen noch nicht in letzter Konsequenz erforscht ist. Ein befreundeter Onkologe meinte dazu: „Man stirbt eher, weil man ohne Handy im Notfall keine Hilfe holen kann, als durch die Strahlung des Handys selbst.“
<strong>Anmerkung des Autors</strong>
Kennen Sie den unglaublichen Hulk? Etwas Ähnliches erlebe ich gerade im Büro. Ein sonst eher sachlicher Kollege (und Dipl. Ing.) hat den Inhalt meines Blogs mitbekommen und wütet nun (nicht grün, aber sonst sehr sehenswert) durchs Büro und grummelt irgendwas von „kosmische Hintergrundstrahlung ist um vieles stärker“, „Aluhut“ und „die haben doch alle keine Ahnung“. Wir haben wohl alle unsere wunden Punkte.