Machs gut, Vista!
Gehören Sie zu den ca. 1 %, die noch Vista nutzen? Dann müssen Sie ganz stark sein, denn am 11. April 2017 gibt es die letzten Sicherheits-Updates für dieses System. Danach läuft Vista (wie XP auch) natürlich weiter auf den Rechnern, Fehler werden jedoch nicht mehr ausgebügelt. Verschwindet Vista damit sang-und klanglos? Nein, denn vieles von dem, was wir an Windows 7,8 oder 10 schätzen, hat hier seinen Anfang genommen – und die altbekannten Ärgernisse ebenso. Grund genug, an ein System zu erinnern, das für technische Innovationen, aber auch für massiven Frust und hyperventilierende Nutzer sorgte!
Die Spannung war groß, als Vista das Licht der Welt erblickte. Erste Screenshots geisterten durch das Netz, die bei XP-gewohnten Nutzern wie eine Bombe einschlugen. Microsoft trommelte auf allen Kanälen und zeigte immer neue Features, die den Vorgänger im wahrsten Sinne des Wortes alt aussehen ließen. Das neue Aero-Design, die Sidebar mit den Gadgets, man fühlte sich schon in der Zukunft angekommen. Installierte man dann neu (oder kaufte gar ein neues Gerät mit Vista), änderte sich das Bild manchmal etwas. Microsoft hatte nämlich unterschiedliche Editionen herausgebracht und wer die Starter- oder Basic-Version bekam, sah kein Glas-Design und hatte nur Basis-Funktionen. Viele Nutzer fühlten sich als Kunden zweiter Klasse und hatten damit wohl recht. Nur wer Premium oder größer hatte, erlebte oftmals etwas Anderes – die schönste Systembremse aller Zeiten!
Microsoft hatte vormals erklärt, auf praktisch allen üblichen Rechnern würde Vista laufen, der benötigte 800 MHz-Prozessor und die 512 MB Arbeitsspeicher klangen auch durchaus fair. Was man jedoch nicht erklärte – die Nutzung auf solchen Rechnern fühlte sich an wie Brustschwimmen in Götterspeise, eine sehr zähe Angelegenheit. Auch die Grafikkarte musste DirectX 9-kompatibel sein, um in Genuss all der grafischen Wunder zu kommen. Mancher Laptop ging damals vollends in die Knie und wurde erst mit einer XP-Installation wieder reanimiert. Und wer vormals einen flotten XP-Rechner hatte, konnte nach dem Upgrade einen eher langsamen Vista-Computer haben. Der Aero-Glass-Modus, heiliger Gral der Optik Anno 2006, konnte den Schmerz auch mit Schattenwurf, halbtransparenten Rahmen und flüssigen Animationen kaum lindern.
Hatte man den Leistungsschock verdaut, wartete das neue Sicherheitskonzept. Aus der schlauen Idee geboren, mit erweiterter Benutzerkontensteuerung für mehr Sicherheit zu sorgen, nahm man den Nutzer schwer an die Kandare. War XP noch ein Haus gewesen, in dem alle Türen und Fenster offenstanden, verriegelte Vista jede Tür – selbst wenn man nur vom Flur ins Klo wollte. Die Flüche unserer Test-Abteilung Richtung Microsoft nahmen übrigens epische Ausmaße an. Der Anwender arbeitete nun nach der Installation des Betriebssystems standardmäßig mit eingeschränkten Benutzerrechten- ein gefühlter Skandal für viele. Man war kaum noch Herr im eigenen Haus! Es hagelte Anfragen, ob man sich denn sicher sei, diese oder jene Aktion auszuführen. Die Witzmeldung „Bitte klicken Sie hier, um danach hier klicken zu können“, verdeutlichte das Dilemma. Viele wollten endlich ihre Ruhe und setzten zähneknirschend das Sicherheits-Level herunter. Erst mit dem Service Pack 1 kriegte Microsoft diese Nervensäge in den Griff.
Mit großem Trara wurde auch die Sidebar angekündigt, wo Gadgets (vergleichbar mit den Apps von heute) Ihren Dienst verrichteten. Systemleistung, Wetter, Übersetzer, Nachrichten – das war schon spannend am Anfang. Schnell zeigte sich jedoch, dass der gebotene Platz schlicht zu gering war, um mehr als ein paar Daten oder Schlagzeilen anzuzeigen. Zudem mochten viele Anwender einen eher schlichten Desktop ohne Ablenkungen. Das System, die Anwendungen von Fremdanbietern zu integrieren, war außerdem nicht wirklich sicher, weshalb Microsoft das System Sidebar / Gadgets im Jahr 2012 komplett verwarf. Ein Computer ist halt kein Smartphone, das hätte man schon durch Vista lernen - und sich die umstrittenen Windows 8-Kacheln ersparen können.
Doch vieles, was unter Haube geändert wurde, blieb (leicht verändert) bis heute. Das Speichermanagement Superfetch mit dem Vorladen häufig benutzter Inhalte ist auch noch in Windows 10 enthalten. Die Nutzung mit eingeschränkten Rechten ist bis heute (wenn auch schlauer und weniger nervig umgesetzt) aktiv und das erleichterte Anschließen von Geräten wie Beamern oder die Verbindung mittels Bluetooth hat hier ihre Wurzeln. Viel Code wurde für Windows 7 in optimierter Form übernommen, weshalb man Vista durchaus als notwendigen Zwischenschritt betrachten kann. Dennoch gilt Vista als Misserfolg, was die Beliebtheit bei den Nutzern angeht und konnte nie mit XP oder später Windows 7 mithalten. Selbst aktuell nutzen immer noch mehr Menschen XP als Vista (rund 5% XP-Anteil weltweit), auch wenn Vista nach unzähligen Updates inzwischen recht manierlich läuft. Einen schlechten Ruf bekommt man nicht wieder los.
Was mich interessieren würde: Welche Erinnerungen verbinden Sie mit Vista? Haben wir vielleicht jemanden in der Runde, der heute noch ein Vista-System nutzt?
Bilder 1 und 2: Microsoft TechNet