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Google bringt den Adblocker – und die Werbewelt gerät ins Wanken

Sven Krumrey

Kürzlich wackelte die kommerzielle Seite des Internets in ihren Grundfesten, denn Google kündigte an, 2018 den Chrome-Browser mit einem Adblocker auszustatten. Invasive (hier: aufdringliche) Werbung solle rigoros blockiert werden. Wie kommt Google, das Milliarden mit Werbung verdient, zu einem solchen Schritt? Alarmiert schreckten Werbeschaffende weltweit auf, telefonierten hektisch mit ihren Anwälten, während sich die Kommentarspalten überschlugen. Schlägt sich Google überraschend auf die Seite der genervten Internet-Nutzer oder nutzt hier jemand seine Marktmacht, um sich seiner Konkurrenten zu entledigen? Vielleicht beides.

Wunderwaffe Adblocker

Wenn Google einen Adblocker entwickelt, klingt es zuerst, als wolle Godzilla Wohnungsbauminister werden. Seit Jahren überzieht der Konzern nicht nur seine Suchmaschine, sondern auch zahlreiche Partnerseiten mit einem dichten Werbenetzwerk. Der ganzen Werbeherrlichkeit im Weg steht allerdings der genervte Nutzer, der sich mit Adblockern und ähnlicher Software verteidigt und das mit großer Beharrlichkeit. Besonders unterbrechende Werbung, die man erst abwarten muss, Filmchen mit Sound, die unerwartet loslegen und Popups sind hier der Stein des Anstoßes. Wer je in der Stille der Nacht überraschend von einer Handywerbung angebrüllt wurde, kann das bestimmt nachvollziehen. Auch, dass im mobilen Internet z.B. bei News-Seiten der Download von Werbung um einen Vielfaches höher ist, als der eigentliche, lesenswerte Inhalt, bringt die Nutzer mit Recht auf die Palme.

Negativ aufgefallen ist dabei nicht nur nervige Werbung, selbst auf großen Seiten konnte sie regelrecht gefährlich werden. Viele Seiten verkaufen Werbung über Zwischenhändler, die dann meistbietend und nicht immer sorgfältig prüfend, die Plätze an den Mann bringen. Das hatte zur Folge, dass selbst über seriöse Seiten Malware verteilt wurde. Man versteckte sich hinter unauffälligem Auftreten und leitete klammheimlich auf infizierte Webseiten um, wo diverse Schadsoftware wartete. Andere sahen in Ihren Cookies oder personalisierter Werbung plötzlich höchst zwielichtige Seiten, die manchen Ehekrach hätten auslösen können. Wer einen Adblocker nutzte, blieb von alldem verschont. Es geht also nicht nur um den Luxus der Werbefreiheit, sondern auch um die Sicherheit.

Sicherheitsrisiko Werbung - Malware inklusive Sicherheitsrisiko Werbung - Malware inklusive

Seitdem frustrierte Nutzer vermehrt Adblocker nutzen, hakt das Geschäft mit der Werbung, Milliarden gehen verloren, auch bei Google. In einer Initiative schlossen sich daher mehrere Giganten des Internets zusammen, um mit der Coalition for Better Ads (Koalition für bessere Werbung) Werbung erträglicher zu machen. Das Ziel: Werbeblocker überflüssig zu machen, indem Werbung nicht mehr zentral mit der Brechstange präsentiert wird, sondern sich harmonisch in die Seite einfügt. Bisheriger Erfolg: Wird verschämt verschwiegen. Auch wenn den Nutzern überwiegend klar ist, dass Werbung die Seiten finanziert, nutzen zwischen 25 und 40 Prozent (je nach Land) Werbeblocker. Grund genug für Google, ernst zu machen und den Druck mit all seiner Marktmacht zu erhöhen. Wer in Zukunft schlecht wirbt, aktiviert den Werbeblocker und wird bei den Google-Suchergebnissen nach hinten wandern, ein Albtraum für die Betroffenen.

Diese Betroffenen (oftmals Verleger mit ihren mächtigen News-Seiten) sehen sich sowieso schon in die Ecke gedrängt, überziehen die Anbieter der Adblocker mit Klagen und verlangen sogar landesweite Verbote. Sie sehen es als Diebstahl, Nachrichten oder Dienstleistungen zu nutzen und dabei Werbeeinnahmen zu unterbinden. Wenn jetzt auch noch Google kommt und Massen an Chrome-Nutzern automatisch die Werbung nicht mehr sehen, sind Existenzen und Geschäftsmodelle bedroht. Man vermutet zudem, dass Google seine eigene Werbung natürlich generös vom Blocken aussparen wird. Dies würde die sowieso schon immense Marktmarkt des Giganten weiter vergrößern. Wer nicht kooperiert, also nicht an Google zahlt oder sich dessen Leitlinien widersetzt, könnte schwer geschädigt werden.

Und so verschwinden die Moneten

Skeptiker erahnen dabei schon das Ende der Adblocker an sich, wenn die Gerichte hier eingeschaltet werden. Man argumentiert, dass ein Ausbremsen Googles vor Gericht ein komplettes Verbot solcher Software nach sich ziehen könnte, allein schon wegen des Grundsatzes der Gleichbehandlung. Gerichte und auch Gesetzgeber tun sich immer schwer mit der komplexen Welt des Internets und allzu schnell könnten folgenschwere Präzedenzfälle geschaffen werden. Werden wir irgendwann gezwungen, Werbung anzusehen?

Die Lösung kann nur im gesunden Menschenverstand liegen und der ist, im Internet wie anderswo, rar gesät. Der Ansatz Googles, Werbung im Netz erträglicher zu machen und damit den Leidensdruck der Seiten-Besucher zu mindern, ist sicher richtig. Ob Google dabei nicht auch in die eigene Tasche wirtschaften will, scheint nicht unwahrscheinlich. Dennoch: Ich kenne viele, die den Seitenbetreibern ihre Einnahmen gönnen würden – wenn damit keine langen Wartezeiten, nervige Animationen und Autoplay-Filmchen verbunden wären. Das ist dann wie bei einem Straßenmusikanten. Man gibt gerne eine Kleinigkeit – aber nicht, wenn er uns auf Schritt und Tritt verfolgt und dabei immer lauter wird. Wenn man es schafft, dass Werbung und Inhalte vernünftig verbunden werden, könnte es doch noch was werden mit dem angenehmeren Internet.

Was mich interessieren würde: Nutzen sie Werbeblocker oder nervt sie Werbung beim Surfen? Oder bleiben Sie ganz entspannt und klicken weg, was kommt?

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