Der Kampf um den Bestpreis: Der Staat gegen Booking.com
Hotel-Portale sind eigentlich eine herrlich praktische Sache. Man gibt den Ort ein, wo man übernachten möchte, die Anzahl der Personen und das Datum und zack – hat man eine breite Auswahl an Übernachtungsmöglichkeiten. Wenn jedoch nur wenige Portale über 75 % der Direktbuchungen abwickeln, entwickeln sich Monopolstellungen, die zum Missbrauch verleiten. Und dann kann es sogar passieren, dass sich bei Tiefstpreisgarantien die Gerichte einschalten.
Ich muss es ja zugeben, ich mag Booking.com, weil sie so herrlich übertreiben. Sie wollen halt gerne verkaufen (besser: vermitteln) und ziehen da alle Register. Selbst bei der letzten Bruchbude in tiefster Provinz mahnen rote Texte an: „Sehr gefragt, nur noch 1 auf unserer Seite verfügbar!“, „In den letzten Stunden 4-mal gebucht!“, oder mein Favorit „5 Personen sehen sich das gerade an!“ Stellt man sich bildlich vor, wie sich plötzlich die halbe Welt darum reißt, ein kleines Zimmerchen mit Toilette im Flur in einem grauen Fertigbau fern jeder Touristen-Attraktion zu sichern, geht das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht. Man merkt, dass hier gerne mal übertrieben und Druck aufgebaut wird. Der gleiche Druck gilt bei Bestpreisgarantien, mit dem solche Unternehmen gerne werben. Was für uns Kunden toll klingt, bedeutet nämlich allzu häufig das Gegenteil.
Stellen wir uns vor, ein Hotel hat einen Vertrag mit einem Hotel-Portal wie Booking.com abgeschlossen. Der Inhaber kennt die Marktmacht von Booking, HRS oder Expedia (die großen Drei der Branche) und erhofft sich gute Geschäfte. Teil dieser Verträge sind oftmals garantierte Bestpreise, das Hotel darf also nicht über andere Wege (ob andere Internet-Portale, Telefon oder an Laufkundschaft) günstiger Zimmer abgeben. Weiß man, wie unregelmäßig viele Hotels belegt sind und bedenkt man die satten 13% vom Umsatz, die z.B. Booking verlangt, denkt man schnell: Dies ist nicht der beste Preis, sondern der beste vertraglich erlaubte Preis. Verstößt ein Hotel gegen diese Preisvorgaben, landen Sie als Strafe in den hintersten Rängen der Suchergebnisse und können zukünftige Vermittlungserfolge über dieses Portal komplett streichen. Amazon wollte Ähnliches an den Start bringen, entschied sich aber nach Gegenwind durch die Medien und dem Drohen der Kartellämter dagegen. Booking.com und andere versuchen einen anderen Weg, sie machen sich ganz klein.
Als das Schweizer Parlament kürzlich solche Preisklauseln in Verträgen zwischen Online-Buchungsplattformen und Hotels verbot, äußerte sich Booking.com, als seien Sie ein Wochenendprojekt zweier Studenten und nicht Teil des milliardenschweren US-Konzerns Priceline. Man könne in ihrem Fall überhaupt nicht von einer marktbeherrschenden oder privilegierten Stellung sprechen. Vielleicht hätten sie vorher ihre Internet-Seite überarbeiten sollen, denn dort spricht man stolz von „einem der weltweit größten E-Commerce-Unternehmen in der Reisebranche“ mit mehr als 15000 Mitarbeitern in 70 Ländern weltweit. 1.500.000 gebuchte Übernachtungen pro Tag klingen ebenfalls nicht, als seien sie nur einer von vielen Mitbewerbern der Branche.
Die Taktik, sich als Firma möglichst unbedeutend zu machen, kennen die Kartellbehörden allerdings schon längst, weshalb in Deutschland, Frankreich, Italien und vielen weiteren Ländern Verfahren vorbereitet werden oder schon laufen. Der Versuch, mit purer Marktmarkt den freien (Hotel-)Markt in vertragliche Fesseln zu legen, trifft also auf Widerstand. Problematisch ist dabei, dass solche Urteile wie jüngst in der Schweiz meistens gegen Vertragsformen, nicht gegen Firmen ergehen. Wenn z.B. ein kleines Portal sich mit einigen Hotels auf einen solchen Tiefstpreis einigt, so ist dies in Zukunft auch nicht mehr erlaubt. Die Welt wird sich auch ohne Bestpreis-Klauseln weiterdrehen, die Marktführer überleben es ebenso, doch die kleineren, vielleicht lokalen Vermittler-Portale trifft es hart.
In der bemerkenswerten Reaktion auf den Beschluss wurde auch gleich von Unternehmens-Seite geklagt, nun würden wohl die Hotelpreise in die Höhe schießen. Ob man sich dort Gedanken gemacht hat, wer eigentlich die 13 % Kommission für Booking zahlt? Die Hoteliers wohl kaum, das werden wohl die Kunden erledigen müssen. Man beklagte weiterhin bitterlich, damit sei die unternehmerische Freiheit eingeschränkt worden. Aber wie sieht es jetzt mit der Freiheit der Hoteliers aus, die wieder ihre Preise ohne Druck durch die Hotel-Börsen gestalten können? Die Idee, die Hoteliers würden nun mit astronomischen Preisen durchdrehen, ist weltfremd. Auch ohne Klauseln sieht der Kunde in Sekunden, welche Preise im Vergleich genannt werden und was dafür geboten wird, er alleine entscheidet. Dass der Markt nicht ohne den Preisdruck einiger Quasi-Monopolisten existieren kann, glauben wohl auch nur Lobbyisten. Und falls ich zufällig sehen sollte, dass einige Hotels plötzlich grob 13% billiger werden, werde ich mir das Lachen kaum verkneifen können.
Was mich interessieren würde: Nutzen Sie Hotel-Portale, um Übernachtungen zu buchen? Oder lehnen Sie diese "neue" Art der Vermittlung ab?