Nostalgie hat etwas Magisches. Und so berühren uns auch viele Dinge, die zu der eigenen Kindheit gehören, ganz besonders. Die Firma Anbernic veröffentlichte kürzlich einen Gameboy-Klon für kleines Geld, der es in sich hat! 168 Spiele sind am Start, die Hardware soll zumindest „solide“ sein. Auf der Liste mit den Spielen finden sich zahlreiche Klassiker, die bis heute von Millionen geliebt werden. Grund genug, einen kleinen Test für Sie zu starten!
Der Markt für chinesische Elektronik ist schwer zu überschauen, dennoch gibt es immer wieder (unter lauter künftigem Elektroschrott) kleine Juwelen zu entdecken. Also bestelle ich mir mal den „Retro FC“ für etwas über 20 € und packe ihn drei Tage später aus. Der erste Eindruck ist in der Tat verheißungsvoll. Neben dem Gerät (das etwas kleiner als ein Gameboy ist) sind noch ein USB-Kabel (ohne Netzteil) und ein AV-Kabel zum Betrieb an einem TV/Monitor dabei. Der Aufbau ist wie gewohnt. Neben dem Steuerkreuz gibt es die klassischen Game Keys, Start und Auswahl – nur leider keinen Kopfhörerausgang. Das ist alles kein High End, aber nichts knarzt, nichts ist locker, so schnell wird man das Ding wohl nicht kaputt spielen!
Der erste Start ist (für Traditionalisten) vielversprechend. Das Gerät legt ohne Ladezeit los und das Menü mit der Spieleauswahl erscheint. Bereits das erste Scrollen ist eine Offenbarung! Zahlreiche Klassiker aus der Zeit vom Nintendo Entertainment System, Amiga und ähnlichen Urgesteinen. Super Mario Bros. in mehreren Varianten, Tekken, Mega Man, 1942, Bomber Man, Donkey Kong, Pac Man, da kann man schon feuchte Augen bekommen. Allerdings verbergen sich hinter einigen Namen, z.B. Super Mario World, leider nur Klone, die mit den Originalen nur den Namen gemein haben. Tetris fehlt ganz, ein Skandal! Als ich die ersten Spiele starte, bekomme ich plötzlich wieder Pickel, bin 13 Jahre alt und bin in die Nachbarstochter verliebt – es kommen einfach so viele Erinnerungen hoch. Teilweise weiß ich noch, in welchem Jahr ich bestimmte Spiele damals gezockt habe, obwohl ich natürlich schon längst schlafen sollte. Süße Nostalgie!
Das Display ist natürlich nicht einem modernen Handy zu vergleichen. Es ist natürlich billig, die Optik der Spiele ist es jedoch auch, waren die Titel doch für die alten Konsolen und Röhrenfernseher ausgelegt. Zudem hat es endlich (im Gegensatz zu den alten Gameboy-Modellen) auch Hintergrundbeleuchtung. Hochauflösend geht natürlich anders, doch liegt darin auch ein besonderer Zauber. Es ist verblüffend, welch guten Spiele man damals mit ein paar Pixeln und Farben erschaffen konnte. Einzig die Farbdarstellung selbst und der Kontrast sind z.T. etwas unschön, einige Konturen sind dadurch etwas verwirrend und manches Spiel büßt etwas an schöner Optik ein. Wer hier die Brillanz eines modernen Smartphone-Displays sucht, wird enttäuscht sein, zum farbenfrohen Zocken reicht es locker.
Viel Spielspaß in einfacher Verpackung
Kommen wir zum Sound: Der Lautsprecher schafft es, die typischen 8-Bit-Sounds vernünftig zu reproduzieren, ein kleines Rädchen regelt die Lautstärke. Leider kann man den Sound so zwar sehr leise stellen, ganz aus bekommt man ihn jedoch nicht. Was sehr ärgerlich ist, denn das leise Gedudel kann gehörig auf die Nerven gehen, wenn es nicht durch andere Geräusche überdeckt wird. Der Akku ist besser als erwartet und (man glaubt es kaum) austauschbar! So kann man ihn auch für ca. 5 € nachkaufen, sehr gut! In den Herstellerangaben ist von 6 Stunden Laufzeit die Rede, bei meinen Tests waren es eher 5, was ebenso respektabel ist. Über USB lässt sich das Gerät wieder aufladen, eine Powerbank sorgt für zeitlich fast unbegrenzten Spielspaß. Falls man seine Kinder für eine Autofahrt ruhigstellen will – das könnte klappen!
Wer das Gerät an seinen Fernseher anschließen will, dem wünsche ich gute Nerven. Die Auflösung sieht auf einem modernen TV wirklich grauslich aus, da bleibe ich lieber beim kleinen 3-Zoll Display. Die Auswahl an Spielen ist groß, aber in Teilen auch seltsam. Neben Klassikern der NES-Zeit finde sich auch relativ neue Spiele wie „Angry Birds“ oder „Plants vs. Zombies“, die anscheinend extra für den Einsatz an der Konsole umgeschrieben wurden. Das funktioniert z.T. mehr schlecht als recht, weil hier weder Tochscreen, noch Maus zur Verfügung stehen und so die Steuerung eher mühselig ausfällt. Sind alle Spiele Volltreffer? Nein, natürlich nicht, aber bei 168 Spielen erwartet das auch niemand ernsthaft. Aber es gibt so viele Klassiker, kleine Perlen und vergessene Juwelen, dass ich wirklich ins Schwärmen komme.
Der wohl größte Minuspunkt muss natürlich auch angesprochen werden: Man kann nicht speichern. Wer also ein großes Spiel bestreiten will, braucht langen Atem, denn jeder Neustart bedeutet einen kompletten Neubeginn im Spiel. Hier hätte ich mir doch Savegames gewünscht, auf die man zurückgreifen kann, um mitten im Spiel weiterzocken zu können. Und so dudelt manches Spiel auf Pause, wenn man gerade etwas zu tun hat, später aber weiterspielen möchte. Schade!
Nostalgie pur auf pixeligem Display
Ich frage mich auch, wie legal das gute Stück ist. Zwar sind alle Spiele alt (oder halt umgestrickt, wie beschrieben), dennoch kann ich mir kaum vorstellen, dass alle Titel sauber lizensiert wurden. Als ich eine Anfrage an den Hersteller sende, bekomme ich leider keine Antwort. Auf der anderen Seite ist das Gerät frei verkäuflich (u.a. bei Amazon), wo normalerweise zweifelhafte Ware schnell vom Markt verschwindet. Allein schon die Nintendo-Anwälte stehen im Ruf, die Reaktionszeit eines hungrigen Piranhas in einem Handwaschbecken zu haben, bislang hält man sich dort aber bedeckt.
Erwarten Sie nun ein wirklich neutrales Fazit? Gut, ich versuche es! Für wenig Geld bekommt man eine Menge Spiele und ein funktionierendes System. Die Titel sind objektiv natürlich in die Jahre gekommen, die Grafik ist heute nicht mehr konkurrenzfähig und manche Minuspunkte wie die fehlende Speichermöglichkeit nerven. Es bleibt jedoch der pure Spaß, der auch nach Jahrzehnten begeistert. Ob man mit Super Mario durch 2D-Welten springt oder seine Gegner mit glühenden Knöpfen in Hochgeschwindigkeit bei Tekken verdrischt, man kriegt das Lächeln kaum aus dem Gesicht. Auch wenn heute jedes Handy-Spiel bessere Grafik hat – hier sind die Originale!
Anmerkung des Verfassers: Ich bekomme natürlich keinen Cent für diesen kleinen Test und habe das Gerät auch normal bezahlt – wie immer hier im Blog.
Beim Lesen ihres Artikels kamen bei mir viele Erinnerungen hoch. Ich gehöre zwar nicht der Gameboy Generation an aber ich kann mich noch gut erinnern wie es war wenn ich mit einer Jugendfußballmannschaft im Bus unterwegs war. Bei der Abfahrt wurden die Gameboy Geräte aus der Tasche geholt und erst am Ziel wieder weggepackt. Und am Ende der Reise haben die Jungs ihre getauschten Spiele gesucht. Dieser Tage sind mir beim Aufräumen die Geräte meiner Kinder nebst Zubehör in die Hände gefallen und urplötzlich schrillten bei den 40 jährigen die Alarmglocken denn dann war der Kommentar "Nur nicht hergeben". Nostalgie!
"Nur nicht hergeben", ist da ein wirklich passender Kommentar. Falls Sie denken, dass ich daheim an das Gerät komme - keine Chance, das ist immer besetzt. :) Bei der Konsole ist die Nostalgie (neben dem tatsächlichen Spielspaß) wirklich ein wichtiger Faktor, hoffentlich ist mein Bericht dennoch halbwegs objektiv geworden!
Danke für diesen tollen Bericht. Bereits beim Lesen kommen nostalgische Gedanken hoch und ich denke gleich an die Verzückung, wenn wir auf den C64 der Kollegen tolle Spiele spielten und ich mit meinem dagegen sauschnellen Schneider CPC 464 trumpfen konnte. Immerhin war der Prozessor um Welten schneller und für mich das Hauptkriterium für dieses Gerät war das 5,25 Zoll Floppy-Laufwerk eines anderen Herstellers (Vortex) mit dem Betriebssystem CP/M. Und schon konnte ich nicht nur Spielelistings aus Zeitschriften abtippen (in Basic), sie verstehen und dann noch ein paar Level dazu schreiben, nein, ich konnte auch Turbo-Pascal und C programmieren.
Und da sitze ich nun vor meinem PC, Windows 10 und zwei Monitore, und gedenke der guten alten Zeit, als man die Bits noch per Hand umgedreht hat und sie auch noch über den Bus flitzen sehen konnte.
Ich hatte kürzlich das Glück, bei einem Freund einen immer noch funktionierenden C64 zu bestaunen und dann ein paar Runden Summer Games, Impossible Mission, Commando, etc. mit ihm zu zocken. Auch wenn es nur "handgedrehte Bits und Bytes" waren, wie Sie so schön formulierten, machte es auch heute noch Spaß. Fast wäre ich geneigt gewesen, abends wieder Wrestling zu gucken oder eine Folge MacGyver zu schauen. :)