Kinderkram – Google Family Link
Seitdem Handys in Kinderhänden sind, wird darüber diskutiert, in einem welchem Ausmaß und mit welchen Beschränkungen sie online sein können. Man entwickelte dazu schon vor Jahren jede Menge Software, die jedoch einen Nachteil hatte – sie war oftmals nicht tief genug im System verankert und konnte meistens leicht umgangen werden. Mit Google Family Link möchte man den Eltern mehr Möglichkeiten geben, auf die Handy-Nutzung ihrer Kinder einzuwirken und natürlich Kinder früh zu treuen Google-Nutzern machen.
Wenn Google jetzt selbst eine Android-Lösung anbietet, haben sie einen großen Vorteil gegenüber den Konkurrenten – sie besitzen das System. Und so funktioniert sie: Die Eltern laden die App herunter und richten dort für das Handy vom Nachwuchs ein weiteres Konto ein. Das Kinder-Handy sollte dabei auf Android Nougat (also Version 7) oder höher laufen, die Eltern können zur Steuerung ein anderes Android-Gerät oder iPhone nutzen. Wurde das Konto angelegt und konfiguriert, wird es auf dem Kinder-Handy eingerichtet. Die Einrichtung ist dabei Google-typisch einfach, die Möglichkeiten sind groß. Warum die Eltern hier allerdings unbedingt ihre Identität per Kreditkarte verifizieren müssen, bleibt mir schleierhaft, hier hätte es bessere Möglichkeiten gegeben.
Die Einstellungsmöglichkeiten sind zahlreich, zum Glück aber nicht verwirrend. Zuerst kann man die Apps verwalten, die das Kind verwenden darf. Hält man es z.B. nicht für erstrebenswert, dass der Sprössling nachts virtuell Zombies meuchelt oder chattet, kann man dies unterbinden. Zudem kann man natürlich die Nutzungszeit insgesamt festlegen. Wer der Meinung ist, dass z.B. 2 Stunden Handynutzung pro Tag ausreichen, kann dies problemlos einstellen. Ist die eingestellte Nutzungsdauer bald abgelaufen, bekommt das Kind als kleine Warnung eine Nachricht angezeigt, später wird das Handy dann gesperrt. Nur Notruffunktionen sind danach noch nutzbar. Auch Schlafenszeiten können eingestellt werden, für das Wochenende sind entsprechende Ausnahmen möglich. Der Nachwuchs, der heimlich noch unter der Bettdecke weiter daddelt, sollte damit Vergangenheit sein.
Kein beliebter Anblick in Kinderzimmern: Das gesperrte Handy
Man kann auch Inhaltsfilter nutzen, um ungeeignete Suchergebnisse herauszufiltern. So sind z.B. Pornographie und Gewalt nicht mehr so leicht zugänglich. Wobei diese Filter natürlich nicht perfekt sind, wie ich schnell merke. Als ich meine Suchen testweise mit unterschiedlichsten Ferkeleien füttere, bekomme ich trotz Safe Search nackte Tatsachen geboten, nur die ganz offensichtlichen Suchbegriffe sind gesperrt. Für Musik, Filme und Apps kann auch eine Altersfreigabe definiert werden, was ungeeignet ist, bekommt der kleine Nutzer gar nicht angezeigt. Möchte das Kind etwas installieren, kann dies von den Eltern genehmigt oder blockiert werden. Dabei gibt Google selbst durch die Inhaltseinstufungen (eine Art Altersfreigabe) einen guten Hinweis, welche Apps geeignet sein könnten. Neben dem Effekt, die Kinder vor falschen Inhalten zu schützen, wird so auch manche Kostenfalle umgangen. Was das Kind kaufen kann und welche In-App-Angebote erstanden werden dürfen, entscheiden alleine die Eltern.
Auch die Überwachung ist nicht von schlechten Eltern. So kann man z.B. sehen, welche Apps wie lange genutzt werden oder wo sich das Kind gerade mit seinem Gerät befindet, GPS macht es möglich. Ob sich der Nachwuchs dabei unschön bespitzelt fühlt, sollte man vorher abklären. Man kann das Handy auch klingeln lassen - wer die Ordnung von Kindern kennt, wird das irgendwann zu schätzen wissen. Auch die Gerätenutzung allgemein wird im Auge behalten. Man wird benachrichtigt, wenn das Kind eine Seite besuchen will, die nicht genehmigt ist. Sehr gut: Das Kind kann auch selbst nachsehen, was eingestellt wurde. So weiß es wenigstens, woran es scheitert.
Bei meinen Tests war die App zuverlässig, leicht zu konfigurieren und nicht zeitaufwändig. Bei meiner Recherche fand ich hingegen viel Kritik anderer Nutzer: Einstellungen zu Schlafenszeit und Nutzungslimit wurden nicht übernommen, es gab Sicherheitslücken, über die das Kind das Handy entsperren konnte oder Einstellungen wurden nur widerwillig synchronisiert. Andere berichten von Problemen, wenn man die Elternsoftware deinstalliert – hier konnten die Kindergeräte bei erneuter Installation nicht entsperrt werden. Leider kann man bestehende Konten von Kindern nicht nachträglich hinzufügen. Stattdessen muss das Konto neu erstellt werden, hier könnte Google flexibler sein. Einen Zugriff für mehr als einen Elternteil gibt es auch nicht, das erscheint wenig durchdacht. Kritik gab es natürlich auch für die bereits erwähnte benötigte Kreditkarte. Perfekt ist Google Family Link also nicht, auch wenn ich selbst keinen dieser Fehler hatte. Wie man Google kennt, können diese Kinderkrankheiten mit einem Update schnell beseitigt werden.
Insgesamt muss man sich fragen, wie sinnvoll eine solche Software überhaupt ist. Am weitesten kommt man bei Kindern mit Vertrauen, Aufklärung und Verständnis, ersetzen kann diese App all das natürlich nicht. Das Internet ist gefährlich, das Internet lenkt ab, das Internet ist nicht wichtiger, als das echte Leben – diese Werte sollten vermittelt werden, bevor ein Kind überhaupt ein Handy oder Tablet in die Hand gedrückt bekommt. Zudem wird sich das Kind dazu herausgefordert fühlen, die Restriktionen zu umgehen, das garantiere ich. Sollte Family Link größere Verbreitung erfahren, werden sich Sicherheitslücken auf den Schulhöfen wie ein Lauffeuer herumsprechen. Empfindsamere Kinder könnten sich zudem gleich unter Generalverdacht gestellt fühlen, selbst wenn sie sich vorher nichts zuschulden haben kommen lassen. Daher sollte man sich vorher gut überlegen, ob man eine solche Software installiert oder lieber gemeinsam mit dem Kind die weite Welt des Internets erkundet, erklärt und ihm dann vertraut.
Was mich interessieren würde: Was halten Sie von Überwachungssoftware für Kinder? Ein guter Ansatz oder über das Ziel hinaus geschossen?