Sie haben es ja gesagt: Amazon hört mit!
Manchmal bin ich besonders stolz, wenn in den Blog-Kommentaren Fachwissen und gesunde Skepsis dominieren. Die Aussage „ich habe es doch gesagt“, mag ich nicht besonders, aber diese Woche war es mal wieder soweit! Amazon gab zu, dass die Aufzeichnungen von Alexa durch viele Mitarbeiter weltweit mitgehört und abgetippt werden. Genau das wurde von vielen von Ihnen vorher prognostiziert. Die Nachrichtenagentur Bloomberg hatte sieben Amazon-Mitarbeiter als Informanten gewinnen können und was diese zu berichten hatten, war mehr als interessant. Denn was Alexa-Nutzer so von sich geben, wird nicht nur vom System verarbeitet, 7000 Amazon-Mitarbeiter weltweit lauschen mit.
Letzte Woche hatte Amazon alle Hände voll zu tun, empörte Nutzer von „smarten“ (soll heißen: interaktiven) Geräten wie Alexa oder Echo wieder einzufangen. Es war bekannt geworden, dass Aufnahmen der Nutzer nicht nur vom System zur „Verbesserung der Spracherkennung“ (so die offizielle Lesart) gespeichert werden, sondern höchst menschliche Individuen ebenfalls zuhören. 7000 Mitarbeiter zwischen Costa Rica und Rumänien hören sich laut Bloomberg bis zu 1000 Clips pro Tag an, das würde grob 7 Millionen belauschter Mitschnitte pro Tag ergeben, im Jahr also ca. 2,5 Milliarden. Vielleicht ist es auch „nur“ eine Milliarde, das kommt wohl auf den Fleiß der Mitarbeiter an. Interessant, dass Amazon selbst dies „eine extrem geringe Anzahl von Interaktionen“ nennt. Es wird also nicht alles belauscht, sondern nur ziemlich viel, sehr beruhigend.
Weiterhin beteuert Amazon, es sei weiterhin alles anonym, also streng vertraulich. Die Mitarbeiter hätten keinen direkten Zugriff auf Informationen wie Name oder Konto-Identifikation. Seltsam nur, dass Bloomberg Screenshots (Bildschirmaufnahmen) hat, auf denen die Account-Nummer, der Vorname des Nutzers und die Seriennummer des Geräts aufgeführt ist. Ich weiß nicht, wie Sie es empfinden, aber für mich geht „anonym“ definitiv anders. Noch im Dezember hatte Amazon beteuert, nur ein kleiner, erlauchter Kreis könne diese Aufnahmen hören, nun füllen diese Menschen schon ein kleineres Fußballstadion. Der Grund des Ganzen (soweit wir wissen) liegt darin, dass Alexa doch nicht so schlau ist, wie die Werbung sagt und Amazon es sich wünscht. Vor allem werden Gespräche mit Alexa eingetippt und dann wieder in das System eingepflegt. Denn Nutzer sind halt keine Maschinen und was wir so von uns geben, stellt auch nach Jahren die Sprachassistenten vor unüberwindbare Hürden. Also müssen Menschen nacharbeiten.
Vier Geräte, ein Prinzip: Wir reden mit ihnen
Wie wohl in fast jeder Firma, wird nicht alles bierernst genommen. Lt. Bloomberg machten besonders amüsante Aufzeichnungen durchaus die Runde. Eine schief unter der Dusche singende Dame erlangte wohl einige, wenn auch lokale, Berühmtheit. Was besonders unterhaltsam, bizarr oder schwer verständlich ist, kann durchaus in einem Chat unter den Mitarbeitern geteilt werden. Zwei Mitarbeiter hätten auch, so Bloomberg, Aufzeichnungen von sexuellen Übergriffen vorgefunden, man habe ihnen aber von weiteren Aktionen abgeraten. Seit wann darf man solche Verbrechen ignorieren? Immerhin sei ihnen erlaubt worden, die Aufnahmen zur besseren Bewältigung mit anderen Mitarbeitern zu teilen. Das klingt für mich nach einem Skandal. Nebenbei: Sensibleren Naturen scheint ein Dienst in diesem Bereich also nicht angeraten.
Wer jetzt gerade vor lauter Paranoia Geräte entsorgt, dem sei gesagt, dass Amazon anscheinend wirklich nur Gespräche aufnimmt, die dem Codewort „Alexa“ folgen. Dieser Teil der zahlreichen Amazon-Versprechen ist also wahr, wenn auch dies nicht immer funktioniert. So gibt es weltweit einige Wörter, die sich stark nach „Alexa“ anhören, woraus viele ungewollte Aufnahmen resultieren. So selten ist der Vorname Alexa zudem auch nicht. Interessanterweise werden die Aufzeichnungen von selbst nicht wieder gelöscht. So will Amazon ein möglichst komplettes Profil erstellen und die Geräte besser auf den jeweiligen Nutzer, dessen Sprache und Vorlieben anpassen. Amazon selbst hat den Nutzern dies nicht vorher gesagt. "Zum Beispiel verwenden wir Ihre Befehle an Alexa, um unsere Systeme zur Spracherkennung und zum Verstehen natürlicher Sprachen zu trainieren", so die herrlich neutrale Formulierung. Immerhin kann man diese Nutzung ablehnen und bisherige Aufnahmen löschen. Aber wie viel Prozent der Nutzer wissen das überhaupt und werden sich dafür in die App begeben? Eigentlich dachte man ja, nur den Computer würden die Eingaben interessieren.
Erkennt denn das System wenigstens kritische Informationen? Nicht zuverlässig. Immer wieder hätten Mitarbeiter vertrauliche Informationen wie Namen oder auch Bankdaten gehört. In diesem Fall habe man den Mitarbeitern aufgetragen, dies zu vergessen und die Aufnahme mit dem Vermerkt „kritische Daten“ zu versehen. Man stellt sich nun unwillkürlich die Frage, ob nur Amazon so arbeitet. Natürlich wurden im gleichen Atemzug auch Google und Apple befragt, ob bei ihnen den ein ähnliches Prozedere abliefe, man wollte sich aber nicht dazu äußern. Ein reines Gewissen sieht wohl anders aus. Amazon reagierte etwas unkonventionell, wenn es kein Zufall war: Alexa und Co wurden gleich im Preis heruntergesetzt.
Eigentlich reicht das, aber ich möchte noch ein kleines Schmankerl anfügen. Auf die Anfrage einer deutschen Partei, ob Geheimdienste ähnlich vorgehen, wurde von der Regierung nur geantwortet, diese Information müsse geheim bleiben, die Nachrichtendienste würden diese Fähigkeit sonst verlieren. Oh, wurde da jemand ertappt? Der frühere deutsche Innenminister war da schon eindeutiger: „Mit Alexa holen Sie sich den Lauschangriff sozusagen in die Wohnung.“ Die Nutzer sollten sich vor Augen führen, dass sie Ihre Menschenwürde gegen Bequemlichkeit eintauschten. Es gibt wohl kein besseres Abschlusswort.
Was mich interessieren würde: Nutzen Sie Sprachassistenten für mehr Komfort oder bewahren Sie lieber einen Hauch Privatsphäre?
Wir wünschen Ihnen wunderbare Ostern, machen Sie sich ein paar schöne Tage mit Familie und Freunden!