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Müssen Nachrichten im Internet umsonst sein?

Sven Krumrey

Wofür sind wir bereit, Geld zu zahlen? Seitdem das Internet seinen Weg in unsere Wohnungen gefunden hat, scheiden sich die Geister, ob und welche Dienstleistungen kostenpflichtig sein dürfen. Das Problem: Im Gegensatz zu einem Produkt, das sich anfassen und benutzen lässt, sind viele Dienstleistungen im Netz eher flüchtig. Während Musik durch YouTube und die Streaming-Kanäle billig als Flatrate daher kommt, wollen die Verlagshäuser so schnell nicht klein beigeben. Wer alle Berichte einer Zeitung lesen will, muss meistens ein Abo abschließen, um hinter die sog. Paywall zu gelangen. Das behagt nur den wenigsten! Doch wie könnte erfolgreicher Online-Journalismus aussehen?

Was gibt es Neues in der Welt?

Als ich klein war, war alles ganz einfach. Meine Eltern hatten die lokale Tageszeitung plus eine wöchentlich erscheinende Zeitschrift für die wichtigeren Themen, die tiefergehenden Analysen bedurften. Damit war die Bandbreite vom Jubiläum des Pudelzüchtervereins Iis zur Weltpolitik abgedeckt. Kam die Wochenendausgabe, wog jene mit Werbung fast ein Pfund, so fühlte man auch, wofür man sein Geld ausgab. Die Abos bestanden schon seit 20 und mehr Jahren und niemand dachte im Traum daran, daran etwas zu ändern, es gab schlicht keine Konkurrenz. Dass die Nachrichten schon einen Tag alt waren, interessierte kaum jemanden. Das ging lange Jahre gut, bis die Welt kleiner, schneller und reicher an Informationen wurde!

Denn Nachrichten von gestern sind heute alt und will man mehr über ein Thema wissen, möchte man auf einen weiterführenden Link klicken oder maximal eine Google-Suche starten. Das merken Verlagshäuser weltweit, viele Tageszeitungen haben bis zu 80% Auflage verloren, andere machten komplett dicht, wurden zusammengelegt oder haben ihre Publikationen mit stark reduzierter Redaktion weiter geführt. Die klassische Strategie der Anfangszeit, einfach einige aktuelle Beiträge quasi als Werbung für das Print-Produkt ins Internet zu stellen, hat nicht funktioniert. Das Internet gewann eine ganz eigene Dynamik und bot meistens nicht die ganz detaillierten Leitartikel, dafür aber Unmengen an Nachrichten. Und natürlich gewöhnte man sich als Leser allzu schnell daran. Gemütlich mit einem Tablet im Lehnstuhl zu sitzen, sich durch das Weltgeschehen zu wischen und bei Bedarf noch schnell ein Video zu dem Thema zu starten, gehört für viele zum morgendlichen Ritual – da ist die Tageszeitung eher optional!

Was den Verlagen tiefe Sorgenfalten in die Stirn meißelt, ist die Zahlungsmoral der potentiellen Kunden. In einer jüngsten Umfrage konnten sich 60 Prozent nicht vorstellen, für journalistische Inhalte im Internet überhaupt Geld zu bezahlen, fast 30 Prozent waren der Auffassung, digitale Inhalte im Internet sollten komplett umsonst sein. Auch überschätzt man gerne, welche Summen z.B. eine größere Tageszeitung im Internet durch Werbung generieren kann. Dass fast 50% der Befragten gleichzeitig für Streamingdienste wie Netflix oder Prime zahlten, macht das Bild noch komplexer. Anscheinend wird stark zwischen Unterhaltung (die etwas kosten darf) und reiner Information unterschieden, Nachrichten scheinen wohl vielen nicht wichtig genug für ein kostenpflichtiges Abonnement. Der Bildungsbürger in mir ist da schlicht erschüttert! Wobei ich den Lesern nicht vorschnell den Schwarzen Peter zuschieben mag.

Entspannt Zeitung lesen - was gibt es Schöneres?

Denn häufig haben die Verlagshäuser den Schritt ins Multimedia-Zeitalter nicht sauber geschafft. Verwirrende Bezahlmodelle, technische Probleme und langweiliges Design findet man an vielen Stellen. Andere suchen ihr Heil in möglichst schreienden Schlagzeilen und grotesken Übertreibungen. Zudem ist vielen Lesern der Preis einfach zu hoch. Wenn man für eine Online-Seite oder PDF (fast) den gleichen Preis wie für eine Printausgabe zahlen muss, ist es bei vielen mit der Liebe zum Journalismus vorbei. Man weiß, hier gibt es keine Printkosten, keine teure Zustellung und keine große Logistik, wieso sollte man sie dennoch zahlen? Zudem haben viele Zeitungen ihre Redaktionen in den Wirren der Übergangszeit verkleinert – was man auch deutlich merkt! Man kann eine Zeitung mit recht wenig Eigenleistung und vielen Agenturmeldungen gestalten, doch bindet man so kaum Stammleser. Die kriegen nämlich die meisten bloßen Fakten auch so, leichte Unterhaltung bis zum Überdruss, man lechzt nach persönlicher Relevanz und Nutzwert.

Während die einen schon den Untergang der traditionsreichen Verlagshäuser prophezeien, verlangen andere ein tiefes Umdenken. Schon gibt es die ersten Überlegungen, gleich mehrere Zeitungen zusammen anzubieten, um so eine Art Gesamtportal zu einem Festpreis am Markt zu haben. Bei Magazinen gibt es solche Anbieter schon, eine Art „Netflix für Nachrichten“ könnte wohl manchen Skeptiker nicht nur interessieren, sondern auch zum Kauf animieren. Noch hadert man, denn es sind nicht nur viele Vertragshäuser spinnefeind, man befürchtet auch eine massive Entwertung durch solche Vertriebswege. Zweifler erinnern an Musikportale und daran, wie wenig Geld pro Aufruf die Plattenfirmen bekommen. Andere Zeitschriften bieten einfach mehr aktuelle Inhalte, liefern abends saubere Zusammenfassungen des Tages oder exklusive Inhalte wie Videos oder besonders umfangreiche Artikel. Andere stellen die Printausgabe komplett ein und konzentrieren sich voll auf die Online-Seite – mit unsicherem Ausgang.

Es wird spannend, welche Wege der Journalismus in Zukunft gehen wird. Ich hoffe, dass eine große, vielseitige Medienlandschaft weiterhin bestehen bleibt. Denn keine Demokratie kann sich erlauben, nur von wenigen, (vielleicht gelenkten) Medien informiert zu werden. Und was wäre ein gemütlicher Morgen am Wochenende so ganz ohne Lokalnachrichten?

Was mich interessieren würde: Würden Sie für Nachrichten im Internet zahlen – oder haben Sie gar schon etwas abonniert?

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