Was ist eigentlich Bloatware?
Viele stolze Besitzer eines neuen Android-Handys kennen das Gefühl: Man startet es das erste Mal, bringt die Einrichtung hinter sich – und sieht jede Menge unerwarteter Programme. Je nach Hersteller ist bereits ein großer Teil der Benutzeroberfläche damit zugepflastert. Sogenannte Bloatware (von to bloat: aufblasen, aufblähen) ist speziell bei günstigeren Smartphone-Anbietern ein häufiges Ärgernis. Man wirbt z.T. sogar unverfroren damit, dass Smartphones mit einem „umfangreichen Software-Angebot“ ausgestattet seien. Dabei sind diese Apps nicht immer sinnlos oder schädlich – die Kunden hätten nur gerne die freie Wahl! Und diese Software gleich wieder zu deinstallieren, ist häufig kaum möglich. Doppelt ärgerlich, wenn Speicher, Performance und Akkulaufzeit darunter leiden. Zeit, dass Google hier eingreift!
Wieso sind viele Handys voller Bloatware?
Besonders in den Low Budget-Bereichen ist der Konkurrenzdruck massiv, am reinen Verkauf der Geräte verdienen die Produzenten kaum etwas. Da wird händeringend nach weiteren Einnahmemöglichkeiten gesucht und Partnerunternehmen, die gegen Gebühr Software installieren wollen, bringen schnell bares Geld. Oft wird pro Installation gezahlt, nicht selten der Rettungsanker für kleinere Anbieter. Aber auch Samsung bekommt Geld von Facebook, damit alle ausgelieferten Handys schon die Facebook-App haben. Oder Handy-Hersteller machen mit vorinstallieren Word und Excel Werbung und müssen dafür kein Geld an Microsoft für genutzte Patente bezahlen. Eine Hand wäscht hier die andere. Je nach Marke und Land, wo das Produkt verkauft wird, sind Handys unterschiedlich stark verseucht. Und was die Sinnhaftigkeit angeht: mehr als 80 Prozent der Nutzer rühren diese Software niemals an!
Ist Bloatware denn so schlimm?
Das kommt immer darauf an, was Sie für schlimm halten, das Handy funktioniert ja weiterhin. Manchmal gibt es auch Überschneidungen, wie Samsungs Sprachassistent Bixby, der zwar kein ominöses Fremdprodukt war, aber von den meisten als komplett überflüssig bis nervtötend angesehen wurde. Es wird durch Bloatware jedoch nicht nur Speicherplatz vergeudet, viele der Programme laufen permanent im Hintergrund und belegen dabei den Arbeitsspeicher und verkürzen effektiv die Akku-Laufzeit. Hat man dann ein Programm, das man gar nicht nutzen möchte, aber auch nicht deinstallieren kann und das dabei beständig am Akku saugt, sinkt die Laune massiv. Dazu gibt es Programme, welche die Privatsphäre massiv bedrohen, weil sie z.B. werberelevante Daten sammeln, unkontrolliert Benutzerprofile erstellen und sie mit Unbekannten teilen. All dies verläuft oftmals ohne Zustimmung oder auch nur Wissen des Nutzers.
Was kann man gegen Bloatware unternehmen?
Die Möglichkeiten variieren stark nach Marke und Betriebssystem. Die meisten Bloatware-Programme sind mit normalen Benutzerrechten bewusst nicht deinstallierbar. Entweder ist die Deinstallationsschaltfläche ausgegraut oder die Apps sind gar nicht erst aufgeführt. Man kann dann versuchen, sein Handy zu rooten, um an Admin-Rechte zu gelangen. Die Vorgehensweisen dazu unterscheiden sich stark, Google hilft hier weiter. Ohne Recherche, und recht viel Geklicke, ist da jedoch selten etwas zu machen. Ist man erst einmal Admin, verliert man bei praktisch allen Geräten die Garantie, weil man mit Adminrechten halt auch viel Unsinn machen kann. Daher schenken sich viele das Rooten und deaktivieren die Apps lediglich, was den Speicherverbrauch zwar etwas verringert, aber leider nur bis zum nächsten System-Update vorhalten kann.
Eine Bedrohung für Privatsphäre und Sicherheit
Welche Alternativen gibt es?
Neben den Apple-Produkten, die ohne fremde Bloatware auskommen, sich das aber auch fürstlich bezahlen lassen, werden Smartphones mit Android One immer beliebter. Die Hersteller dieser Handys verpflichten sich, ein möglichst reines Android auf den Geräten zu installieren und eigene / fremde Software auf ein absolutes Minimum zu beschränken. Zudem bekommen diese Geräte zwei Jahre Updates garantiert und sind daher auch im Business-Bereich gefragt. Handys mit Android One sind bislang u.a. von Nokia, Motorola, HTC, BQ, GM, Xiaomi und Sharp erhältlich.
Was beklagen Verbraucherschützer?
Der Interessenverbund Privacy International, zusammen mit 50 Organisationen aus aller Welt (darunter die American Civil Liberties Union, Amnesty International, die Electronic Frontier Foundation oder das Tor Project), fordern deshalb von den Android-Machern ein striktes Umdenken. Man beklagt zurecht, dass Android-Partner zu viel Spielraum für Fehlerverhalten hätten. 91% der vorinstallierten Apps tauchen nicht in Google Play auf, haben ohne Kenntnis des Nutzers massive Zugriffsrechte auf dem Handy und operieren außerhalb des Android-Sicherheitssystems – ein unhaltbarer Zustand! Wie kann es sein, dass diese Apps Zugriff auf Kameras oder Mikrofone haben, ohne dass der Smartphone-Besitzer hier seine Zustimmung geben muss oder überhaupt informiert wird? Es scheint in diesem Zusammenhang wie ein schlechter Witz, wenn Android auf der einen Seite von seinem neuen Sicherheitskonzept rund um „Google Play Protect“ schwadroniert, während der Nutzer gegenüber der Bloatware praktisch wehr- und rechtlo s ist!
Was geschehen muss
Die Forderungen von Privacy International sollten selbstverständlich sein, noch wurden sie aber nicht umgesetzt.
1.) Jede App soll vom Nutzer zu deinstallieren sein, deren Hintergrunddienste inbegriffen.
2.) Alle Apps sollen sich an dieselben Regeln halten müssen, ob sie vom Hersteller vorinstalliert sind oder vom Nutzer über den Play Store erworben wurden.
3.) Apps sollen über einen Update-Mechanismus verfügen, der über den Play Store läuft. Wird ein Fehlverhalten publik (z.B. in „ausbeuterischer Absicht“), soll durch Google die Zertifizierung verweigert werden.
Oder anders gesagt: Ein Mindestmaß an Privatsphäre darf kein Luxus sein und nicht erst mit großem Aufwand oder Fachwissen erreicht werden können!
Was mich interessieren würde: Ist Ihr Handy auch voller überflüssiger Software oder haben Sie Glück gehabt?