LIFE

Happy Birthday, Linux!

Sven Krumrey

Auch wenn wir eine Firma sind, die ihren Schwerpunkt klar bei Windows hat – Linux hat Glückwünsche zum 30. Geburtstag allemal verdient! Denn der Einfluss auf die Informatik und unser aller Leben sollte niemals unterschätzt werden. Ob Ihr Auto einen Bordcomputer hat, Ihr Fernseher als „Smart“ bezeichnet wird oder Sie diesen Blog gerade auf einem Android-Gerät lesen, Linux (oder seine Abkömmlinge) sind hier vertreten. Und selbst wenn man an einem Windows-Rechner sitzt, wird man dort auf Standards, Features und Ideen der vielköpfigen Linux-Gemeinde stoßen.

Tux der Pinguin, das niedliche Linux-Maskottchen

Dabei begann alles ganz klein und harmlos. „Ich arbeite an einem (freien) Betriebssystem (nur ein Hobby, wird nicht groß und professionell)“, schrieb der finnische Student Linus Torvalds 1991 auf einem Usenet-Board. Er ahnte damals nicht im Entferntesten, dass irgendwann mal Milliarden Rechner eine Fortentwicklung dieses Betriebssystems nutzen könnten, noch dass es quasi seinen Namen tragen würde. Linus dachte eher an Namen wie Freax oder Buffix (das X am Ende galt anscheinend als extrem cool!) sein Admin veröffentlichte diese erste Version jedoch unter dem Ordnernamen „Linux“ und traf damit voll ins Schwarze. Und ein Teil der Faszination Linux stammt genau aus dieser leicht kauzigen, zurückhaltenden Aura der Linux-Macher. Hier gibt es keine Frontmänner wie früher Steve Jobs, Steve Wozniak oder einen Bill Gates, die meisten Linux-Masterminds sind komplett unbekannt. Torvalds sieht sich selbst als Nerd mit großen mathematischen und physischen Kenntnissen - und eher bescheidenen sozialen Kompetenzen. Damit konnte sich mancher Nutzer bestens identifizieren.

Aus Anfangs nur 10000 Zeilen Quellcode wurde schnell ein internationales Phänomen, nachdem Linux 1992 unter die GNU General Public License gestellt wurde. Linux wurde damit zu freier Software, die von jedem mitgestaltet und auch kommerziell genutzt werden konnte. Und auch wenn Torvalds als Namensgeber und ordnende Kraft aktiv blieb, war Linux keine One-Man-Show, sondern eine Massenbewegung. Viele sahen in Linux ein politisches Statement gegen die Kommerzialisierung des Digitalen und gegen technische Monopole. Das machte natürlich so manchen nervös, der sein Geld mit Software verdiente. Als sich 2001 der damalige Microsoft-Chef Steve Ballmer empörte, Linux sei ein Krebsgeschwür, das jedes geistige Eigentum befalle, was es berühre, zeigte sich die ganze Unsicherheit gegenüber einem neuen Ansatz. Wie kann es sein, dass Software frei ist, von jedem eingesehen, verändert und verbreitet werden kann? Ist bald alle Software umsonst und wird bei Bedarf einfach geschrieben, angepasst und veröffentlicht? Wie konnte es sein, dass ein Betriebssystem, das eigentlich für PCs mit der klassischen x86-Architektur geschrieben wurde, auf praktisch jeder Hardware laufen konnte? Da wurde so mancher nervös – bis man später bei Microsoft seinen Frieden fand und ebenfalls Linux-Server nutzte.

Linux-Distributionen früherer Zeiten

Wir wissen heute, dass trotz kostenloser Alternativen Windows wie auch macOS ihre Berechtigung haben. Dennoch sind die Vorteile von Linux vielfältig. Durch die offenen Quellcodes könne Entwickler bestehende Elemente auswählen, sie anpassen und ausbauen, um sie passgenau für ihre Zwecke zu nutzen. So sind auch viele Programmierer nicht aus reiner Liebe zum Projekt, sondern im Dienste ihrer Firmen tätig und entwickeln Linux für den professionellen Einsatz weiter. Der modulare Aufbau sorgt dabei für maximale Flexibilität, um Linux zu eierlegenden Wollmilchsau werden zu lassen. So laufen sowohl die leistungsstärksten Supercomputer mit Linux, wie auch simple, kleine Smartwatches mit Pulsmesser, die kaum Rechenpower oder Speicher haben. Vom kleinen, stark eingeschränkten Öffnungssystem einer Tür bis zum komplexen Steuerungssystem einer kompletten industriellen Fertigungsstraße ist alles mit Linux abzubilden, weil man sich halt nur jene Module nimmt (oder sie bearbeitet / schreibt), die man braucht. Durch unterschiedliche Distributionen (in diesem Fall: Auswahl eines Softwarepakets) kann man Nutzern entgegenkommen oder für unterschiedliche Einsatzbereiche gewappnet sein.

Dabei ist Linux auch im Bereich Benutzerfreundlichkeit einen weiten (und positiven) Weg gegangen. Als ich meine erste Linux-Distribution namens Debian Ende der Neunziger installierte, war das gelinde gesagt etwas sperrig. Und viele Jahre blieb es auch so, dass man nicht ohne Grund Linux-Nutzer eher mit dem typischen System-Admin assoziierte, lange Haare und Fastfood inklusive. Denn ohne die Befehle der allmächtigen Konsole und einem gewissen Linux-Grundwissen war man schnell aufgeschmissen. Das (vorbildliche) Sicherheitskonzept war zusätzlich für damalige Windows-Nutzer anstrengend bis nervig. Während man auf Windows praktisch alles machen konnte (auch das Betriebssystem selbst kaputt), galt bei Linux immer Safety First! Wie meine alte Dozentin treffend beschrieb: „Bei Windows sind eigentlich alle Fenster und Türen offen, bei Linux ist alles dicht und in jeder Schublade liegt eine Mausefalle.“ Wollte man tiefer ins System eingreifen, brauchte man entsprechende Rechte und musste Vorgänge sogar noch per Passwort bestätigen – damals undenkbar unter Windows, heute Alltag selbst bei Microsoft. Installiert man heute aktuelle Distributionen wie Ubuntu oder Linux Mint, so bleibt der Ruhepuls gewahrt, böse Überraschungen sind praktisch ausgeschlossen. Man kommt den Nutzern hier deutlich entgegen und bietet durchaus Windows-ähnliche Programmwelten.

Linux läuft auch mit bescheidener Hardware Linux läuft auch mit bescheidener Hardware

Dennoch ist Linux als Desktop-System eher Exot, grob 2,4% der Rechner nutzen Linux, im Vergleich zu 73% Windows-Maschinen und 15,4% Apple. Die Gründe sind dafür weit gestreut: Das Image leidet immer noch unter der „komplizierten Vergangenheit“, viele trauen sich keine Linux-Nutzung zu. Dazu fehlen noch heute wichtige Programme wie z.B Photoshop, MS Office und zahlreiche Spiele. Besonders neue Hardware wird zuweilen nicht erkannt, weil die Treiber noch nicht vorhanden sind. Die wenig intuitiven Terminal-Befehle sind zwar weitgehend Vergangenheit, aber es gibt sie noch. Zwar gibt es für die allermeisten Anwendungen guten Ersatz, die Umgewöhnung mag jedoch nicht jeder. Es dauert für Anfänger auch eine gewisse Zeit, sich im Linux-Universum einzufinden, Informationsquellen und Ressourcen zu finden. Auch bei mir wuchs Linux erst langsam und ist, da bin ich ehrlich, nie mein Betriebssystem Nummer 1 geworden. Super für Server, klasse als Android und gerne auf Geräten wie Media Playern gesehen, aber nie mein Desktop-Liebling. Ich hatte immer Multiboot-Systeme, die mir Linux als Option anboten und konfigurierte vergnügt über Stunden Systeme, die ich nur selten produktiv nutzte. Das geht wohl vielen so, obwohl die Anzahl der Linux-Nutzer weiter steigt.

Auch im Gespräch mit Kollegen merkt man, dass Linux für viele eine echte Herzensangelegenheit ist. Viele sind seit Jahrzehnten dabei, lernten dabei “ihre“ Distribution kennen und lieben und lieferten sich in Foren leidenschaftliche Diskussionen mit anderen Nutzern. Vor- und Nachteile von Desktop-Umgebungen wie Gnome und KDE können so locker Hunderte Seiten besprochen werden. Ein Betriebssystem, das vom Mitmachen lebt und sich nach den Bedürfnissen seiner Nutzer richtet, ist halt etwas Besonderes! Viele nutzen nicht nur Linux, sie sind Linux. Nach 30 Jahren ist kein Ende der Erfolgsgeschichte abzusehen, das „Internet of Things“ produziert sogar tagtäglich Millionen weiterer Linux-Geräte. Die Kamera im Babyzimmer, die Waschmaschine mit der App-Anbindung oder der Saugroboter, überall ist Linux vertreten. Und auch wenn Linus Torvalds Vision ganz klein begann, so wurde Linux zu einer treibenden Kraft der modernen Technik- und Informationsgesellschaft. Ob man nun „Linux ist“ oder nicht- Chapeau, Herr Torvalds und herzlichen Glückwunsch, Linux

Was mich interessieren würde: Haben Sie schon Erfahrungen mit Linux gemacht?

Zurück zur Übersicht

Kommentar schreiben

Bitte melden Sie sich an, um zu kommentieren.