Der Traum vom anonymen Surfen – das Tor-Netzwerk
Wenn wir uns durch das Netz bewegen, hinterlassen wir Spuren und verraten nicht nur Google, sondern auch jeder Seite, die wir besuchen, eine Menge über uns. Ob über Cookies, das Auslesen der IP-Adresse, die Referrer-Adresse (von welcher Seite komme ich?) oder das mächtige Google Analytics, man behält uns stets im Blick. Wer das nicht möchte, muss zu Sonderlösungen greifen, die oftmals einiges an technischem Wissen erfordern. Leichter macht es uns das Tor-Netzwerk. Was das ist, welche Vorteile es gibt und wo Gefahren lauern, lesen Sie hier.
Die Macht der Zwiebel
Tor steht für The Onion Routing (Onion = Zwiebel) und gibt damit einen ersten Hinweis auf die Funktionsweise. So wie eine Zwiebel mehrere Schichten hat, werden Sie beim Surfen mit Tor über mehrere (normalerweise drei) Tor-Server geleitet, die Übermittlung von Server zu Server erfolgt dabei jeweils verschlüsselt. Auf diese Weise verliert sich Ihre Spur, grob alle 10 Minuten werden zusätzlich die übertragenden Server gewechselt, um eine Nachverfolgung weiter zu erschweren. Gehen Sie dann testweise auf eine Seite, die Ihre IP ausliest, wie https://www.ip-secrets.info/, sehen Sie dort nur die Angaben zu dem jeweils letzten genutzten Tor-Server, Sie selbst bleiben anonym.
Komplizierte Technik, leichte Nutzung
Für Sie als Nutzer ist Tor keine Herausforderung. Unter Windows reicht die Installation des Tor-Programms, bei dem schon ein speziell modifizierter Firefox dabei ist. Startet man den Browser, wird man gefragt, ob man Zugang zum Tor Netzwerk haben möchte, muss kurz auf die Verbindung warten und schon kann los gesurft werden. Sollten Sie hinter einem Proxy sitzen oder eine Art von Zugriffssperre herrschen (in manchen Ländern leider Alltag), kann auch das entsprechend eingestellt werden. Und schon geht es los und eine Tor-Seite mit Tipps und Tricks empfängt den Anwender.
Über 3 Server Richtung Anonymität
Surfen mit Tor
Beim Surfen selbst merkt man gleich: Schnell geht anders. Schaut man z.B. Youtube in höherer Auflösung, stockt und ruckelt es wie zu alten Zeiten. Es geht halt über mehrere Server und es wird massiv verschlüsselt, die Anonymität fordert hier Tribut. Und wo ich von anonym schreibe – es fühlt sich alles anders an. Je nachdem, wo der letzte Tor-Server steht, bekommt man die Seite oftmals in der jeweiligen Landessprache angezeigt, bei meinem Test Französisch. Flash ist sicherheitshalber deaktiviert, und Google bleibt aus dem Spiel, hier sucht DuckDuckGo für uns. Amazon kennt mich plötzlich nicht mehr und Facebook möchte mich als neuen Nutzer gewinnen – alles wie früher!
Der Tor-Browser
Der Mozilla Firefox wurde aufgebohrt, damit er automatisch Kontakt zu Tor bekommt und um zusätzliche Sicherheitseinstellungen ergänzt. So kann man per Knopfdruck die Ausführung von Skripten verbieten, eine neue Identität annehmen (neue Verbindung und Löschung aller Benutzerdaten auf dem Browser) oder die Sicherheits-Einstellungen definieren. Von gering (was meistens reichen dürfte) bis zu hoch (wo ziemlich alles gesperrt, blockiert und deaktiviert ist) reicht die Palette.
Anonymität vs. Geheimdienste
Wie Sie sich denken können, sind Geheimdienste keine großen Freunde von Tor. Im Gegenteil, Tor-Nutzer stehen oftmals unter Generalverdacht, die Software zu nutzen, um illegale Handlungen zu verschleiern. Und in der Tat, leider nutzen auch Kriminelle das Netzwerk - wie aber auch Oppositionelle in aller Herren Länder oder ganz normale Bürger, die einfach ihre Privatsphäre schützen wollen. Und so beharken sich die Behörden vieler Länder regelmäßig mit Tor und anderen Anonymisierungs-Projekten oder versuchen den Zugang gänzlich zu verhindern.
Immer auf Empfang: Die Geheimdienste dieser Welt
Die absolute Anonymität?
Wie anonym man selbst mit Tor ist – bleibt umstritten. Sicher ist, dass Sie damit dem gläserneren Surfer (dem Traum von Google und Co) ein Schnippchen schlagen können. Der großen Werbe- und Personalisierungs-Industrie können Sie so entgehen, sollte jedoch wirklich ein Geheimdienst intensiv nach Ihnen fanden, würde ich mich nicht drauf verlassen. Wenn z.B. einige der Länder zusammenarbeiten, in denen viele der Tor-Server stehen, ist wohl Schluss mit der Anonymität. Es wäre schade darum!
Mehr Tor gefällig?
Natürlich ist Tor nicht Windows-exklusiv und es ist nicht nur Surfen möglich. Ein Messenger steht ebenfalls zur Verfügung, der mit maximaler Verschlüsselung versendet und empfängt, für Android steht mit Orbot ein Tor-Zugang und mit Orweb ein passender Browser zur Verfügung. Der Onion Browser startet ab iOS Version 5.1 für die Apfel-Jünger und Linux stellt sogar gleich mehrere Pakete zur Verfügung.
Was mich interessieren würde: Wäre für Sie eine Anonymisierungs-Software interessant oder nutzen Sie gar schon Tor, Anonymizer und Konsorten? Würden Sie auf den Komfort von Cookies und Google verzichten, um Ihre Privatsphäre zu schützen?
Bild 1: Wikipedia; Bild 2: Ubuntuusers
Download: https://www.torproject.org/download/download-easy.html.en