Wenn man sich schon lange mit PCs beschäftigt, gewinnt man eine gewisse Selbstsicherheit im Umgang damit. Dieses Gefühl kann aber schnell erschüttert werden, wenn mal etwas nicht funktioniert. Bei mir merkte ich ein leichtes Stocken bei Spielen, wenn ich einen Browser startete oder durch meine Bildergalerien navigierte. Was tun? Natürlich reagierte ich streng professionell – mit einem Abend denkbar schlechter Laune auf dem Sofa. Dann aber warf ich über 30 Jahre PC-Erfahrung in die Waagschale, startete zahlreiche Analysen und war mir sicher, schnell den Fehler zu finden. Es sollte anders kommen.
Bei einem kleinen Autorennspiel namens Retrowave war es nicht mehr zu leugnen: Mein PC lief nicht mehr rund. Sounds wurden verspätet geladen, Animationen ruckelten und Tastatureingaben wurden erst dann verarbeitet, wenn ich längst in ein anderes Auto gekracht war. Ein Blick auf die Leistung zeigte schnell: Mein Computer starb beim Spiel fast vor Langeweile, die Auslastung von CPU, Arbeitsspeicher und Festplatte war minimal. Im Hintergrund lief nichts Nennenswertes, so sollte es sein. Ein Test ohne Antivirus und mit weitgehend deaktivierten Sicherheitsoptionen brachte auch keinen Unterschied – hier wurde nichts geblockt, gebremst oder quälend langsam gescannt.
Ein Blick in den Gerätemanager zeigte ebenso Ruhe und Frieden: keine Konflikte, keine unbekannten Geräte ohne Treiber. Danach kam die Hardware an die Reihe: Temperaturen, Test des Arbeitsspeichers, schnelle Benchmarks der Grafikkarte, Festplatten, CPU – alle Werte exakt wie zu erwarten. Hm. Bevor ich mich an die Treiber machte, startete ich noch eine kurze Recherche zu den letzten Windows-11-Updates. War mein Rechner vielleicht einer von vielen, der dieses seltsame Phänomen aufwies? In dem Wirrwarr der zahlreichen Foren merkte ich schnell eines: Windows 11 bringt manche Menschen zur puren Verzweiflung. Es gab zahlreiche Probleme, auch mit der Performance, doch jene waren alle anders gelagert. Mal fielen ganze Komponenten aus, Rechner starteten nicht oder liefen durchgehend lahm – nichts passte wirklich!
Als Nächstes nahm ich die Treiber unter die Lupe. War alles aktuell, wurden die passenden Treiber für die Hardware installiert? Hatte mir vielleicht Windows etwas untergejubelt, wo die Hardwareproduzenten eigene, bessere Software anboten? Ein paar weniger relevante Komponenten bekamen eine Auffrischung, das BIOS erlebte ein paar „kleine Verbesserungen“, dann startete ich mit geringer Hoffnung den Rechner neu. Und siehe da – es hatte sich nichts verändert. Mit einem gewissen Puls verfolgte ich die nunmehr bekannten Ruckler und griff zum letzten Pfeil im Köcher, es konnte ja irgendwie auch das Netzteil sein! Also lief ich in den Keller, schnappte mir aus der Ersatzteilecke das neue Netzteil und verkabelte alles neu. Stolz auf mein modernes Kunstwerk voller Kabelbinder startete ich das System – Ruckler. Meine Nachbarn mussten inzwischen denken, ich würde an einer modernen Urschreitherapie teilnehmen.
Meine letzte Hoffnung war die Schwarmintelligenz, schließlich arbeite ich in einer Softwarefirma voller Experten! Was ich bekam, waren wertvolle Tipps, Links für weitere Diagnoseprogramme und viel Empathie. Wie Farmer über das kranke Kalb sinnieren, steckte man die Köpfe zusammen, diskutierte und suchte nach dem entscheidenden Geistesblitz. Am nächsten Morgen wusste ich: alles umsonst. Ich musste ihn gehen, den Weg der Schande, des Versagens, ich musste zu einem PC-Service. Würden die Informatiker früherer Generationen nun abschätzig auf mich herabschauen? Könnte ich mich je wieder in der Firma sehen lassen? Würde mein Arbeitsvertrag nun hinfällig? Demütig wie König Heinrich IV. auf seinem Gang nach Canossa schleppte ich meinen Rechner in die Filiale.
In dem blitzsauberen Büro, das so gar nicht einer Schrauberbude alter Prägung entsprach, war man anscheinend psychologisch geschult. Behutsam fragte man nach den Problemen, was bereits analysiert und versucht worden war, und erkannte sofort, wen man vor sich hatte: einen (zumindest fachlich) gebrochenen Mann. Nach einer Viertelstunde Dialog zog ich von dannen und glaubte meinen Rechner in guten Händen. Ein bis zwei Tage sollte ich warten, dann würde man sich melden. Nach drei Tagen rief ich an und erlebte gemischte Gefühle. Man habe schon vieles getestet und ausgetauscht, noch sei man aber nicht schlauer. In mir kämpften Enttäuschung, weil ich den Rechner wiederhaben wollte, und Zufriedenheit, denn so einfach war es dann ja doch nicht! Am nächsten Tag kam der ersehnte Anruf, ich solle vorbeikommen.
Mit sichtlichem Stolz präsentierte man mir die Lösung. Bei einem kleinteiligen Festplatten-Benchmark habe man eine Unregelmäßigkeit beim Zugriff auf sehr kleine Dateien (zufälliges Auslesen von 4 KB) gefunden. Meine NVMe-SSD (praktisch nur eine Steckkarte direkt auf dem Mainboard) wurde zwar damals beim Kauf gut getestet, würde aber nach längerer Nutzungsdauer oft Probleme bereiten. Das geklonte Betriebssystem sei bereits auf einer neuen Markenplatte, alles laufe nun bestens. Zum Beweis zeigte man mir Benchmark-Resultate vor und nach dem Wechsel der Festplatte. Das Auffinden kleiner Dateien hatte sich um den Faktor 12 verbessert. Zieht man den Preis der Festplatte ab, war die Rechnung fair, ich packte den Rechner ein und fuhr Richtung Heimat. Daheim stöpselte ich alles an und traute mich nicht gleich, das Spiel zu testen. Also schaute ich zuerst nach, ob meine alte Festplatte wirklich fehleranfällig war. Ergebnis: Wenn man sehr genau wusste, wonach man suchen musste, gab es diese Berichte durchaus. Dann erst startete ich das Autorennen und spielte mit höchster Zufriedenheit und ohne jeden Ruckler eine ganze Stunde. Alles war wieder gut.