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Windows 10 – ein Endspurt und ein Jubiläum

Sven Krumrey

Die letzten Tage haben begonnen! Dieses Gefühl haben jedenfalls Nutzer älterer Windows-Versionen, wenn Sie einen Windows 10- Countdown sehen. Mit leichtem Hang zur Dramatik zeigt Microsoft an, dass bald das kostenlose Upgrade auf Windows 10 Geschichte sein wird. Die Frage ist nur, wer hier wirklich seine Zeit davon rennen sieht, denn viele Menschen (darunter viele von Ihnen!) weigern sich standhaft – oftmals aus guten Gründen. Lohnt sich vielleicht ein Upgrade in letzter Minute, wenn das „Anniversary Update“ zum einjährigen Jubiläum erscheint?

Der große Countdown

Nichts schmeckt, wenn es in den Rachen gestopft wird

Der Aufruhr war groß, als Windows 10 erschien und nicht zuletzt Ihre Kommentare hier im Blog zeigten klar, wo überall Probleme auftraten. Nachdem Microsoft im Frühjahr für massiven Unmut sorgte, indem sie das Upgrade automatisch herunterladen ließen oder es gar als automatisches Update maskierten, war es zuletzt ruhiger geworden. Ob es Resignation war oder doch die Einsicht, dass es nicht ratsam ist, Kunden zu etwas zu zwingen, kann ich nicht sagen. Stand heute: Gerade 360 Millionen PCs (Tablets, Smartphones und Konsolen eingerechnet und damit weit unter den Erwartungen) haben das neue Betriebssystem. Zudem gibt es beliebte Programme, die eine Installation von Windows 10 unter allen Umständen verhindern sollen – so groß war die Not der Anwender!

Ihr Horoskop für heute: Schwarzer Bildschirm

Viele Probleme sind noch nicht aus der Welt, was nicht nur Microsofts Schuld ist. Zahlreiche Hersteller von Hardware waren bis dato nicht bereit, ihren Produkten neue Treiber zu spendieren oder sie technisch auf den Stand von Windows 10 zu bringen. Da bleibt vielen nur auf Win 7 / 8 zu bleiben oder Komponenten neu zu kaufen. Dies ist bei älteren Geräten (speziell Laptops) oftmals unmöglich oder unwirtschaftlich. Viele Programme (auch im professionellen Einsatz) sind nicht Win 10-kompatibel, ein wichtiger Grund, weshalb in Behörden und Büros oftmals der Umstieg ausbleibt. Insofern ist nicht nur die Frage, ob man upgraden will, sondern ob man es kann! Die Analyse des Systems, die Microsoft anbietet, ist dabei zuverlässig wie ein Horoskop oder Glückskeks. Also muss man es auf den Versuch ankommen lassen, wenn man denn will. Käme man bei Installationsproblemen wieder problemlos auf das alte System zurück, wäre es wohl zu verschmerzen, aber auch hier gab es massive Probleme. Wer vorher kein komplettes Backup gemacht hatte, stand nun ganz ohne funktionierende Installation da.

Das Problem mit der Privatsphäre

Hindernis Datenschutz

Was neben den erwähnten Problemen für emotionale Diskussionen sorgte, war der Datenschutz. Auch durch die zahlreichen neuen Funktionen wie Cortana sendet Windows 10 mehr als seine Vorgänger nach Hause. Diese Klage hat Microsoft sicher vernommen, geändert wurde nichts. Will man die Zweifler wirklich überzeugen, wäre hier Handlungsbedarf in Form von echten Optionen für mehr Privatsphäre pures Gold gewesen. Das System ist wirklich nicht schlecht (läuft bei vielen ja auch problemlos), aber man hatte ein Jahr Zeit, es richtig überzeugend zu gestalten. Dann hätte mancher Nutzer auch Nachteile wie das Fehlen des Media Centers, den manchmal nervenden Defender oder die z.T. veränderte Benutzerführung verschmerzen können. Dabei kann man dieses Mal nicht mal mehr eine Version überspringen, denn nach Windows 10 kommt auf absehbare Zeit nichts Neues und 2020 läuft der Windows 7 Support aus. 3 Jahre Frist, die manch älterer Rechner eh nicht überstehen wird. Wieso dann wechseln?

Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!

Microsoft gratuliert sich selbst und liefert zum Einjährigen ein großes Update. Noch ist nicht alles bekannt, was da kommen soll, aber das hier dürfte drin sein:

Optik:

Ein Dark Skin (dunkle Benutzeroberfläche) mit hellen Buchstaben ist nun verfügbar. Das sieht ganz cool aus und erinnert dezent an die Windows Handys. Das Startmenü wird leicht verändert, die Liste „alle Apps“ ist nun prominenter, die Punkte Herunterfahren, Abmelden, etc. dafür kleiner. Ein paar Schrifttypen wurden verändert, alles wirkt etwas aufgeräumter und übersichtlicher. Bei der gewählten Optik hat man nun zusätzliche Möglichkeiten, das System individuell zu verschönern. Wählt man eine Akzentfarbe, färbt man damit nicht gleich alles (Taskleiste, Info-Center, Startmenü) ein, sondern kann den Effekt auf die Fensterleisten beschränken, also mehr Akzente setzen, als gleich den Farbtopf auszugießen.

Kein unbeschwertes Fest

Funktionen:

Endlich fährt Windows auch nicht mehr so unkontrolliert bei Updates herunter. Das spart Nerven und spitze Schreie. Man kann eine Nutzerdauer angeben, in der das System nicht automatisch neu gestartet wird. Etwas weniger Entmündigung, das tut schon gut! Wer Lust und die technischen Möglichkeiten (Stift) hat, kann nun nach Lust und Laune malen und schreiben. Microsoft hat seine Stift-Eingabe Ink massiv aufgebohrt, handschriftliche Notizen bis hin zu handgemalten Bildern sind kein Problem mehr, ein eigener Arbeitsbereich steht bereit. Die Taskleiste bekommt weitere Funktionen. So kann nun dort das Info Center anzeigen, wie viele Nachrichten auf Sie warten, beim Klick aufs Datum erscheinen nicht nur der altbekannte Kalender, sondern auch anstehende Termine. Zudem kann man genau bestimmen, welche Nachrichten (Mail, Twitter, etc.) überhaupt angezeigt werden sollen. Nette Sache!

Eine Neuerung macht mir leichte Sorgen: Der Defender wurde erweitert. Als hauseigener Virenschutz kollidierte er in der Vergangenheit selbst manuell deaktiviert häufiger mit Kaspersky und Co, nun soll er sich selbst regelmäßig aktivieren und das System überprüfen, auch wenn bereits ein anderes AV-System aktiviert ist. Ob das zusätzlicher Schutz oder zusätzlichen Ärger bedeutet, wird die Zukunft zeigen. Immerhin wird der Defender in der Lage sein, im schlimmsten Fall Windows in einer Reparatur-Umgebung zu starten, um so effektiver nach Schadsoftware zu scannen. Warten wir es mal ab.

Wer gerne Messenger nutzt, bekommt neue Emojis spendiert. Was mich eher kalt lässt, bringt manchen jungen Anwender dazu, jubelnd zu kollabieren. Cortana wird flexibler. Wer gerne mit seinem Rechner plaudert, kann sie als DJ nutzen, Dokumente eines angemeldeten Office-Kontos durchsuchen oder sich erzählen lassen, was gerade auf seinem Windows Phone (falls vorhanden) passiert. Sie hört nun zudem auch im Sperrbildschirm auf Befehle, was Datenschützer aufmerksam machen dürfte, denn eigentlich hat man das System ja gerade gesperrt. Der Browser Edge wird bald das können, was seit ca. 2010 die Konkurrenz auch kann – Erweiterungen wie Adblocker oder Passwort-Manager nutzen. Willkommen im neuen Jahrzehnt!

Machen Programme Probleme, kann man sie in den Ursprungszustand zurücksetzen lassen. Das klingt schwer nach Android und kann bestimmt nützlich sein. Schade: Dies funktioniert nur bei Apps aus dem Store, der Rest bleibt unberührt. Ebenso bekannt von anderen Systemen und endlich auf Windows 10: Man kann nun die Update-Verläufe der Programme im Store sehen. Niemand wusste, weshalb das vorher fehlte, nun ist es da. Programmieren Sie? Dann, aber auch nur dann freuen Sie sich über Bash (Bourne-again shell), die auf Unix oder Linux-Computern schon Ewigkeiten verfügbar ist. Microsoft denkt an seine Nerds!

Das und mehr ist bald für Sie am Start. Überzeugt es Sie? Wer entscheidet sich noch in den letzten Tagen des Countdowns?

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