Als ich jung war, gab es im Fernsehen eine Sendung namens „Das ist Ihr Leben“. Ein mehr oder minder prominenter Mensch saß im Studio, der Moderator hielt ein Buch in der Hand und verlas wichtige Stationen oder Geschehnisse aus der Vita des Gastes. Ab und zu stürmte ein alter Weggefährte hinein, drückte den Gast herzlich und man plauschte über Vergangenes. Etwas Ähnliches hält nun Google für uns bereit – und ich schwanke immer noch zwischen Faszination und Beklommenheit.
Google will transparenter werden und hat dafür die Seite https://myactivity.google.com/myactivity eingerichtet. Dort kann jeder, der einen Google-Account hat und dort angemeldet ist, tief eintauchen in die eigene Vergangenheit – und den Datenkoloss, der sich dort angesammelt hat. Denn es geht nicht nur um unsere Sucheingaben (die für sich schon ein genaues Bild unserer Interessen, Käufe oder Aktivitäten ergeben), Google hält sehr viel mehr bereit! Daten von Google Chrome, Maps, Plus, Fotos, Hangouts, Kalender, Mail, Youtube – es findet kein Ende.
Wo waren sie am 12. Mai 2014? Vielleicht finden Sie es unter Myactivity. Google speichert unsere Position im Google-Maps-Standortverlauf, sofern dies aktiviert ist. So kann ich sehen, dass ich Mitte 2014 in einem Supermarkt im Norden Hamburgs war oder die Stationen meines vorletzten Urlaubs nachvollziehen. Alles fein säuberlich auf einer Karte, Bewegungsprofile sind auch für einzelne Tage anklickbar, inklusive Abfahrt, Wegstrecke und Ziel. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber wie detailliert auch Orts-Daten festgehalten werden, war mir nicht bewusst. Und so klicke ich einzelne Tage durch und weiß nun, wann ich zum Einkaufen gefahren bin, Freunde besuchte oder einen Ausflug ins Grüne gemacht habe.
Da war ich offensichtlich in Dresden...
Unter Meine Aktivitäten > Sprache und Audio findet sich Kurioses. Ich hatte Spracheingaben nur kurz aktiv, bevor ich es wieder deaktivierte, doch das reichte für ein munteres Sammelsurium aus echten Sprachsuchen (Gott, klinge ich grummelig!), wie auch eher kryptischen Aufnahmen, die unter „Kein Transkript verfügbar" abgelegt wurden. Ich höre mich beim Autofahren, einen Fernseher die Nachrichten verlesen oder eine hustende Person. Hier ist etwas schiefgelaufen, vielleicht das falsche Feld erwischt, das Handy war noch in der Hosentasche aktiviert oder Gespräche wurden als Befehle missverstanden. Dezent gruselig.
Doch um gerecht zu bleiben – man kann hier, wie auch in jedem anderen Bereich, löschen und deaktivieren, was man will. Diese Möglichkeit hätte ich Google, ich will ehrlich sein, vorher nicht zugetraut. Ob man einzelne Tage, bestimmte Zeiträume oder alles löschen will, es steht uns frei. Ebenso hat man offensichtlich versucht, den Zugriff auf diese mächtigen Datenbanken halbwegs übersichtlich darzustellen und somit nicht mehr als unergründliches Datenkraken-Unternehmen zu erscheinen. Wie sehr Sie selbst dieser Aktion (und auch dem Löschen!) vertrauen, bleibt jedem selbst überlassen.
Spannend ist der Punkt interessenbezogene Werbung. Hier können Sie einstellen, ob Google seine Daten heranziehen darf, um Ihnen passende Werbung zu zeigen oder nicht. Deaktiviert man diesen Punkt, so wird Ihnen natürlich weiterhin Werbung angezeigt, aber halt keine, die speziell Ihren Interessen entspricht. Das ist bei näherem Überlegen keine einfache Entscheidung. Will ich wirklich wieder Werbung sehen, die halt zum Massengeschmack passt? Oder sehe ich nicht doch lieber Anzeigen, die mich interessieren könnten?
Ich wollte abschließend auch wissen, wie groß die Datenmenge wohl ist, die Google von mir gesammelt hat. Netterweise kann man sich dieses Archiv auch anfordern und dann zum Download bereitstellen lassen. Bei mir waren es vier Zip-Archive mit je 7,3 Gigabyte Größe. 24 Dienste haben anscheinend dazu beigetragen und selbst die reine Sichtung würde Tage intensiver Arbeit erfordern. Ich behaupte, kein Geheimdienst hatte je so viele Unterlagen über einen Menschen, wie Google über mich. Das Seltsame ist: Ich profitiere auch davon, es ist bequem und spart Zeit. Ob Navigation, Google-Suche, Clouds oder Shopping: Man kennt mich und weiß, was ich will. Und für guten Service braucht es eine Datengrundlage: Die Computer bei Raumschiff Enterprise sind auch deshalb so schlau, weil sie viel über das Schiff und die Mannschaft wissen. Aber das ist wohl Stoff für einen weiteren Artikel.
Zurück zum Wesentlichen: Wir alle wissen, die zahlreichen Google-Dienste gibt es nur gegen unsere Daten als „Bezahlung“. Wer es in vollem Umfang nutzt, erklärt sich damit einverstanden, soweit alles klar. Dennoch ist diese Seite bemerkenswert: Google lässt hier etwas die Hosen herunter (wenn ich auch nicht glaube, dass hier wirklich alle Daten verzeichnet sind) und lässt den User in seinen Daten stöbern. Das hatte bei mir zwei Effekte: Respekt, dass man sich ohne Zwang so öffnet und leichtes Entsetzen, was alles zu finden ist. Zu wissen, dass gesammelt wird, ist etwas anderes, als das Ergebnis vor sich zu sehen. Gelöscht habe ich viel, deaktiviert auch, aber ob ich weiterhin Google nutze – mal schauen.
Möchten Sie dennoch Google nutzen und es soll möglichst wenig protokolliert werden? Kein Problem, deaktivieren Sie: Web- und App-Aktivitäten, Sprach & Audio-Aktivitäten, Geräte-Informationen, Youtube-Wiedergabeverlauf und Youtube-Suchverlauf. Gehen Sie die einzelnen Punkte der Seite durch und löschen, was geht. Oder Sie verzichten ganz auf die zahlreichen Google-Funktionen und nutzen Alternativen wie http://www.ixquick.com, http://www.openstreetmap.org, http://www.duckduckgo.com oder http://www.startpage.com. Hier finden Sie Suchmaschinen oder Straßenkarten, die weniger von Ihnen wissen wollen. Nicht alles so komfortabel wie bei Google, man „kennt Sie dort nicht“ (weil man halt keine Daten von Ihnen sammelt), aber es geht. Entscheiden Sie selbst!
Seit kurzer Zeit nutze ich den Opera-Browser mit der ganz neuen Version 40.0.2308.62, wo es kostenlos VPN gibt und hoffe, damit etwas mehr Sicherheit erlangt zu haben. Der Seitenaufbau dauert zwar unterschiedlich lange, weil verschiedene Server weltweit genutzt werden, doch als Rentner habe ich meistens genügend Zeit. Auf welcher Sicherheitsstufe ich jetzt surfe, ist mir allerdings noch nicht völlig klar?
Das kommt wohl auch drauf an, ob Sie Google nutzen und dort angemeldet sind. Wenn das nicht der Fall ist, kennt Google Sie nicht / nur als anonymer Datensatz. Von der neuen VPN-Funktion in Opera habe ich schon gelesen, werde ich mir mal anschauen!
Hallo Sven
wieder ein interessanter Artikel. Ich finde hier ein paar neue pages die abweichend von Standardprogrammen sind.
Aber ich glaube nicht, dass das Deaktivieren oder Sperren von Aktivitäten oder Informationen oder von gesammelten Daten hilfreich ist. Denn was passiert mit den Datensicherungen oder redundaten Netzen? In dem Moment, wo ich etwas Sperre oder gar Lösche, kommt doch sofort der Verdacht auf, der hat etwas zu verbergen und schnellstens werden die Daten anomymisiert gespeichert; erleichtert erhält man die Info, das die Daten gesperrt oder gelöscht worden sind.
Man darf auch nicht vergessen, daß GOOGLE auch Techniken an andere Anbieter verkauft.
Ich finde es etwas problematischer, wenn ein Konto bei einem Anbieter angelegt wird und die dortigen Fragen sind dann teilweise als doppelte Verneinung aufgebaut. Und schon hänge ich in der Falle.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang König
nochmaliger nachtrag: AUCH AUF DIESER seite werden daten von google erfasst. vmtl via canvas finderprinting..
Ashampoo bekommt Geld dafür...eigentlich ist das clickbaiting....
Das wäre supi! Leider stimmt es nicht. :) Wir kriegen nur Zugriffs-Statistiken und können so schauen, ob noch jemand mitliest. Dieser Blog ist und bleibt eine Mischung zwischen Herzensangelegenheit und Dienst am Kunden. Und was Clickbaiting ist, lesen Sie hier:
https://blog.ashampoo.com/de/2015-12-04/die-schockierenden-gestaendnisse-blutjunger-programmierer-das-bekenntnis-nr-4-wird-sie-ueberraschen
Ich bin ein Handymuffel und habe es nur für den Notfall zum Telefonieren an. Die meisten Menschen brauchen keinen Datenschutz, weil sie ihre ganze Lebensgeschichte öffentlich weitergeben. Das, was Google von mir weiß, ist nicht geheim und außerdem herzlich wenig.
Habe jetzt gerade die Adresse für meine Tochter raussuchen können, wo wie vor 2 Monaten essen waren, Google sei es gedankt!!
Hatte mein Handy an und habe Mails gecheckt : )
Hallo,
sehen wir es doch mal positiv, wir können genau sagen, wann wir wo waren und dieses Alibi ist sehr stichhaltig.
Ich bin damit aufgewachsen, dass man (n) beobachtet wurde und das hat keinen positiven Aspekt in mein Leben gebracht, aber so ..
Schauen wir uns doch nur mal Hannover an, man wird doch überall gefilmt in der Straßenbahn, auf der Strasse etc. und ein Handy hat auch jeder, mit der er von Funkzelle zu Funkzelle wandert. Also wer was über mich wissen will, der kriegt mein Leben komplett raus.
VG Andreas
Über ein potentielles Alibi habe ich auch schon nachgedacht. :) Wobei solche Profile in der Tat immer wichtiger werden. Wurden früher die Rechner von Verdächtigen nur bei Internet-Kriminalität ausgewertet, ist es heute fast Standard.
Wie naiv sind Sie, Sven??
Das (nachträgliche) Löschen Ihrer Daten nutzt nämlich gar nix - Google hat die Kopien davor natürlich längst gespeichert. Und wahrscheinlich auch weiterverkauft.
Bitte nochmal genau lesen, ob ich das wirklich glaube.. :) Ich halte es nicht für sinnvoll, den Lesern meine eigenen Vermutungen (nichts Genaues weiß man nicht) mit dem Holzhammer zu servieren.
Ich habe bei mir nur Youtube Aktivitäten gefunden. Ich habe nicht gefunden, welche Datenmenge gespeichert ist. Ich habe vor kurzem mit meinem Smartphone navigiert mit GPS, dafür here benutzt. Das habe ich in meinem Google Konto nicht gefunden.
Ich habe mit verschiedenen Programmen, die mir "über den Weg gelaufen sind", alles gesperrt, was zu sperren war.
Merkwürdigerweise habe ich keinen meiner YouTube-Besuche gesehen...
Aber was die Suchmaschine betrifft - seit vielen Jahren arbeite ich nur noch mit www.startpage.com, weil mich das Datengesammel von Google immer schon genervt hat. Startpage entfernt alle identifizierenden Infos der Anfrage und leitet diese dann an Google weiter. Somit bekomme ich Google-Ergebnisse, aber ohne dass Google von mir etwas zu sehen bekommt.
Und sollte 'Startpage' einmal ausfallen, gibt es noch 'www.ixquick.com'. Beide Suchmaschinen sind in der Niederlande ansässig (bei Firefox mit dem Add-on 'Flagfox' gut sichtbar).
Wenn Sie bei Youtube / Google nicht angemeldet sind, so wird das auch nicht verzeichnet. Wer aber Youtube mit Favoriten, Video weitersehen, etc. nutzt und eingeloggt ist, bei dem wird es auch protokolliert.
Es gibt doch auch das Private Surfen, das viele Browser anbieten... :)
Das bringt in der Tat etwas, weil man da nicht eingeloggt ist. Bei Android-Handys leider keine Option, nutzt man Google-Dienste intensiver, muss man ebenfalls angemeldet sein. Zum reinen Nutzen der Suchmaschine aber durchaus eine Option.
bei mir steht nichts drin? Smartphone und Google haben eine spezielle email Adresse, die ich sonst nicht nutze. Ich nutze das Smartphone auch nicht zur Navigation oder suche dort in Google.
Vom PC aber schon viel und häufig.
Ich soll immer unter Einstellungen gehen, wenn ich mehr Daten sehen möchte??? Ich hatte das aber vor langer Zeit so eingestellt, dass möglichst wenig gesammelt wird???
Das ist auch eine durchaus gängige Methode, verschiedene Adressen zu nutzen, um nicht das "eine große Profil" zuzulassen und man dennoch Google nutzen möchte. Schlau. :)
Ich hätte da noch als Nachtrag zur Vertiefung einen Hinweis. Googlelt mal nach "Das Leben in der Ich-Blase". Es geht um mich als "Laborratte".
Hochinteressant!
https://www.blaetter.de/archiv/jahrgaenge/2016/juli/die-hoechste-stufe-der-zensur-das-leben-in-der-ich-blase
Danke Herr Krumrey, klar möchte ich das wissen, ich wusste es bisher nur noch nicht. Bei mir sind es nur 567KB für die zip-Datei und jetzt weiß ich noch mehr. Das Leben geht weiter, meine Interessen haben sich geändert, ich mich auch, und wie. Das weiß Google.
Das ist ja nahezu jungfräulich. :)
sie haben recht...das ist unheimlich wie nachlässigkeit/bequemlichkeit google hilft, milliarden zu verdienen.allerdings dürfte das nur bei smartphones so ganz leicht möglich sein...oder ?
zudem habe ich auf dem rechner die adressen von googlexxxx gesperrt bzw blockiert...dazu öffnet man notepad (als admin ausführen) und öffnet damit folg:%windir%\System32\drivers\etc\hosts
dann dem ganzen google krempel die adresse 0.0.0.0
zuweisen
0.0.0.0 www.google.de/analytics/
0.0.0.0 https://www.google.com/analytics/
0.0.0.0 www.google-analytics.com
0.0.0.0 google-analytics.com
0.0.0.0 ssl.google-analytics.com
0.0.0.0 pagead.googlesyndication.com
o.o.o.o pagead2.googlesyndication.com
0.0.0.0 adservices.google.com
0.0.0.0 video-stats.video.google.com
0.0.0.0 4.afs.googleadservices.com
0.0.0.0 imageads.googleadservices.com
0.0.0.0 partner.googleadservices.com
0.0.0.0 www.googleadservices.com
0.0.0.0 apps5.oingo.com
0.0.0.0 www.appliedsemantics.com
0.0.0.0 service.urchin.com
0.0.0.0 www.googleleadservices.com
0.0.0.0 www.google.com/analytics/
0.0.0.0 http://google-anaylitics.com/
auch:
0.0.0.0 https://www.googletagmanager.com/ auf den DIESE seite verweist (wasser predigen & wein trinken.oder wie war das ?)
meines wissen nach ist der zugriff auf diese sites blockiert....UNABHÄNGIG welchen browser man einsetzt...zudem sei noch darauf hingewiesen das die allermeissten seiten einen FINGERPRINT des users erstellen um diesen sehr zuverlässig wiederzuerkennen... siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Canvas_Fingerprinting
zitat: "Mit dem Deaktivieren von JavaScript wird Canvas Fingerprinting unmöglich. Allerdings führt das bei vielen Websites dazu, dass diese unbenutzbar werden.
Der auf Firefox basierende Browser Pale Moon hat in seiner neuesten Version 25.6 eine Funktion, die es ermöglicht, Canvas-Fingerprinting deutlich zu erschweren"
Das klingt ja nach einem wahren Bollwerk gegen Google. :D Ich bin mal gespannt, wie die weiteren Kommentare sind. Ich erwarte eher ein "McDonalds-Resultat": Niemand will gerne zugeben, dass er es nutzt. Und das bei 91 % Nutzer-Mehrheit weltweit.
Tja, da ich - wie ich ja schon öfter betont habe - kein so furchtbar smartes phone (für wen ist das denn nun smart? Konnte mir bis jetzt keiner beantworten) habe bin ich auch nicht wirklich verfolgbar. Also weiß google nicht wann ich wo was einkaufe oder essen gehe oder was sonst auch immer.
In meiner Liste der Aktivitäten - habe gerade nach geschaut - kann ich nachlesen wann ich was auf youtube geguckt habe. Das ist aber auch alles.
Meine Suchmaschine ist nicht google, also gibts es auch da nichts zu sammeln. Und die Werbung vermisse ich auch nicht.
Zum Thema löschen:
Sie glauben doch nicht wirklich daß das was Sie dort gelöscht haben auch wirklich gelöscht ist?
Es hat mal ein Jura Student bei FB angefragt wieviel von seinen Daten die er gelöscht hat denn noch verhanden ist. Er bekam ca 10.000 Blatt Papier von FB mit akribischer Auflistung der Daten die er gelöscht hatte.
Was lernt man daraus? Es wird gar nichts gelöscht. Es ist nur nicht mehr sichtbar.
Ohne Handy wären die Ergebnisse nicht viel schmaler. Ich nutze es weit weniger, als man es von einem Technik-Blogger erwarten würde und ca. 90% der Daten beziehen sich auf meine PC-Tätigkeit.
Was das Löschen angeht, so habe ich wohl gewisse Bedenken schon im Text geäußert. Manchmal überlasse ich es gerne meinen Lesern, zwischen den Zeilen zu lesen, die sind schlau genug. :)