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Facebook ändert sich – ganz sicher

Sven Krumrey

Mark Zuckerberg wirkte zuletzt etwas gebeutelt. Millionen Datensätze waren verloren gegangen, man verdächtigte Facebook, zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung benutzt worden zu sein und ganz nebenbei liefen viele junge Nutzer zu Snapchat, Instagram und Telegram über. Die immer noch üppig fließenden Werbe-Milliarden linderten bestimmt den Schmerz, doch zukünftig will man im Hause Facebook nun alles anders machen. Facebook soll anders aussehen, andere Inhalte in den Mittelpunkt stellen und zudem eine eigene Bezahlfunktion bekommen. Doch das Wichtigste: Facebook soll privater werden, die Daten der Nutzer besser geschützt werden. Auf einer Konferenz musste Zuckerberg über das Wort „privat“ etwas selbstironisch lachen, doch kurz danach kamen Versprechen im Minutentakt.

Facebook soll nun ganz anders werden

Tritt ein Unternehmen wie Facebook vor die Augen der Öffentlichkeit, erwartet uns immer eine Mischung aus Show und Information, bei der diesjährigen F8-Konferenz war dies nicht anders. Dabei gehört natürlich auch, dass der Chef sich für Fehltritte entschuldigen muss. Das war leider nicht so demütig wie in Asien, wo die Verantwortlichen häufiger in Tränen ausbrechen, doch der Cambridge-Analytica-Skandal schien ernsthafte Überlegungen angestoßen zu haben. Denn auf dem Großbildschirm hinter Zuckerberg erschien groß „The future is private“ (die Zukunft ist privat) und verblieb dort lange. Facebook und Datensicherheit passten bislang ja nicht sonderlich gut zusammen, aber man schien wild entschlossen zu sein, dies zu ändern. Deswegen möchte man Technik und Struktur gleichermaßen ändern. Wer Facebook nicht oder nicht so gut kennt: Das Zentrum des Ganzen ist bislang der sog. Newsfeed, wo neue Beiträge von Familie, Freunden und Bekannten angezeigt werden. Da steht die Taufe vom Nachbarskind neben Nachrichten aus der Heimatstadt oder vielleicht von Stars und Sternchen, die Sie interessieren. Je nachdem, wo Ihre Interessen liegen und welche Freunde und Verwandte fleißig auf Facebook posten, werden die Inhalte dargestellt.

Diese Struktur garantierte bislang den enormen Erfolg von Facebook und basierte auf einer Idee – dass Menschen freiwillig mit anderen teilten, was sie gerade bewegt oder interessiert. Dabei nehmen es viele nicht genau, wer ihre Beiträge sieht, oftmals gibt man alles komplett für die Öffentlichkeit frei oder halt für eine oftmals üppige Freundesliste. Zu diesen (mehr oder minder) persönlichen Inhalten kommen dann noch Nachrichten aus Gruppen, die man abonniert hat. Diese Mischung zwischen Voyeurismus, Exhibitionismus und Geplauder hat in langen Jahren hervorragend geklappt. Nebenbei konnte Facebook diese Texte analysieren und wunderbar detaillierte Kundenprofile anlegen, die wiederum personalisierte Werbung ermöglichten. Der Facebook-eigene Messenger fristete hingegen auf der Seite ein etwas stiefmütterliches Dasein – und genau das soll sich ändern! „Langfristig glaube ich, dass eine private soziale Plattform in unserem Leben wichtiger wird, als digitale Dorfplätze“, sagte Zuckerberg und sorgte damit für ein Raunen im Publikum. Denn das würde eine Anpassung an beliebte Messenger bedeuten. Private Nachrichten, Gruppen und Storys sollen die neuen Attraktionen bei Facebook sein.

Das neue Facebook - der Abschied vom klassischen Blau Das neue Facebook - der Abschied vom klassischen Blau

Dazu will Facebook auch technisch auch einiges machen. So sollen Chats eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung bekommen und man kann Nachrichten endgültig löschen. Dazu kann der Nutzer mit dem Messenger auch Nachrichten von Instagram und WhatsApp einsehen, Zuckerberg zieht also sein Imperium im Bereich Nachrichten in einen Messenger zusammen und will so die eine, große Zentrale für persönliche Nachrichten schaffen. Aber man denkt noch weiter: Eine Desktop-App für den Messenger soll es überflüssig machen, immer den Browser geöffnet zu haben. Bündelt man die Marktmacht, könnte das Projekt durchaus Erfolg haben. Wie man das aber machen will, ohne den bisherigen Werbeanteil zurückzuschrauben, wird interessant. Oder soll zwischen „Ich liebe Dich“, und „Ich Dich auch!“, plötzlich eine Anzeige für Bockwürste erscheinen? Wie kann man personalisierte Werbung anbringen, wenn der Schwerpunkt auf verschlüsselten Chats liegt, deren Inhalte Facebook nicht kennen darf? Was wird aus der Timeline, wenn sie nicht mehr im Mittelpunkt steht? Und wie werden die altgendienten Nutzer reagieren?

Zudem will Facebook auch noch näher dahin, wo der Rubel rollt. Zuerst soll man in Shops kaufen können, ohne Facebook zu verlassen. Der eine Mensch auf diesem Planeten, der das schon immer wollte, darf sich nun freuen. Eine eigene Kryptowährung soll ebenso erscheinen, bislang heißt das Projekt Libra. Während viele Konsumenten das Thema Kryptowährung mit einem gewissen Argwohn betrachten, möchte Facebook dieses Thema in den Mainstream holen und so eine internationale Währung erschaffen. Nutzer sollen sich die Währung untereinander schicken und auch in assoziierten Shops zahlen können. Kursstürze, wie sie bei den anderen Kryptowährungen vorkommen, möchte man tunlichst vermeiden. Eine Milliarde US-Dollar lässt Facebook sich diese Währung kosten. Diskutiert wird dabei, ob man bestimmte Verhaltensweisen (Werbung schauen, Fragen beantworten oder Shops aufsuchen) mit dieser Währung vergüten will. Auch wenn der Gedanke seltsam ist, man könnte somit Geld mit der Facebook-Nutzung verdienen!

Der neue Facebook Messenger für den Desktop Der neue Facebook Messenger für den Desktop

Möchte man einen Grafiker ärgern, muss man nur andeuten, sein Design erinnere an Facebook. Tiefe Furchen der Schmach und Pein werden sich auf der Stirn des Angesprochenen zeigen, allzu bieder und altbacken ist das Aussehen der Seite. Daher testet Facebook gerade auf seiner App, was später auch die Browser-Nutzer sehen werden. Die Zukunft erstrahlt in Weiß, das typische Blau verschwindet. Stories, Gruppen und Chat stehen mehr im Mittelpunkt, die Kontakte bekommen einen besonders sichtbaren Platz. Zudem soll das bislang oftmals gemächlich ladende Facebook schneller werden und Multimedia-Inhalte besser einbinden. Das alles wird zuerst in der App ausprobiert und wandert dann im Laufe des Jahres auch auf den Browser. Schon jetzt formieren sich die ersten Nutzergruppen, denen all das nicht gefällt. Speziell Ältere fürchten um „ihr Facebook“ und sind weder mit dem neuen, minimalistischen Design, noch mit der neuen Ausrichtung auf Chats zufrieden. Wird Facebook mit dieser Neuausrichtung Erfolg haben? Es wird spannend!

Was mich interessieren würde: Nehmen wir an, Facebook hält seine Versprechen, würden Sie Facebook nun eine Chance geben?

Bilder 2 und 3:Facebook

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