TECH

Nur eine tolle Kamera mit etwas Handy daran? 4 Wochen mit dem Google Pixel 8

Sven Krumrey

Wenn die Akkulaufzeit nachlässt und keine Sicherheits-Updates mehr kommen, gerät das Handy in seine späten Jahre – Zeit für etwas Neues! Mein Anforderungsprofil war klar: Ich wollte keinen gefühlten Backstein mehr in der Tasche haben, die Kamera musste außergewöhnlich gut sein, und ein aufgeräumtes Betriebssystem ohne Ballastprogramme wollte ich auch! Damit fielen 90% der Handys weg, die mittlerweile die Größe einer Tafel Schokolade anstreben oder (wie viele China-Handys) mit Werbung oder ungewollter Software nerven. Mein Blick fiel daher auf das Google Pixel 8, welches einige Monate nach seinem Start in realistischen Preissphären gelandet ist. Wird das Handy dort glänzen, wo es für mich zählt?

Hoch- und Tiefpunkte mit dem Google Pixel 8

Wo ist das Netzteil?

Das Google Pixel 8 kommt in einer kompakten Pappbox und mit bescheidenem Lieferumfang. Ein Ladekabel ist dabei, ein kaum lesbares Büchlein, der Öffner für das SIM-Fach und natürlich das Handy selbst – das war es schon! Wer gewohnt ist, eine transparente Hülle für den Anfang zu bekommen, eine umfangreiche Dokumentation sucht oder wenigstens ein Netzteil erwartet, der irrt! Doppelt schade, da man das Pixel 8 mit 30 Watt in einer halben Stunde zu 50% laden kann und längst nicht jedes Netzteil (geschweige denn der USB-Zugang am PC) diese Leistung bietet. Das Handy selbst fühlt sich zuerst sehr fremd an. Gegenüber meinem alten Poco X3 scheint es herrlich leicht, klein und schmal. Wer sein Umfeld mit einem massiven Boliden in der Hand beeindrucken will, dürfte hier denkbar falsch sein. Der erste Test in Hosentasche und Innentasche meines Sakkos überzeugt – endlich passt es wieder bequem!

Ein Gedicht mit Schönheitsfehler

Schon der erste Start stimmt mich positiv! Ich marschiere damit auf den Balkon und siehe da - selbst im strahlenden Sonnenschein kann das Display im 6,2 Zoll-Format komplett überzeugen. In einer Auflösung von 2400 x 1080 Punkten und mit wirklich brillanten Farben bleiben keine Wünsche offen. Kontrastreich und aus praktisch jedem Blickwinkel sehen Videos, Fotos oder die Apps makellos aus. Es bleibt natürlich jedem überlassen, ob er auf einem vergleichsweise kleinen Bild länger Netflix oder YouTube schauen mag, qualitativ muss man aber keine Abstriche machen. Dazu bietet das Display wunderbare 120 Hz und scrollt damit butterweich durch die Anwendungen. Wer die wichtigsten Infos auch im Ruhezustand sehen will, kann im Always-On-Display z.B. Datum, Uhrzeit und Wetter anzeigen lassen – ein netter Bonus. Einen weniger glorreichen Teil des Bildschirms bildet der integrierte Fingerabdruck-Sensor, denn der kann Nerven kosten! Oft wird der Abdruck erst beim zweiten oder dritten Versuch erkannt, manchmal auch gar nicht. Das können manche 200€-Handys besser! Natürlich kann man das Gerät auch bequem über die (exzellente) Gesichtserkennung öffnen, doch das will nicht jeder und es funktioniert auch nicht bei sehr wenig Licht. Müsste ich einen Faktor für erhöhten Puls beim Pixel 8 nennen, hier wäre er!

Klein, rund und kompakt - das Google Pixel 8 liegt gut in der Hand Klein, rund und kompakt - das Google Pixel 8 liegt gut in der Hand

Ein Betriebssystem, solide wie Schweizer Banken

Android 14 ist nicht nur das neueste seiner Art, es gilt auch als besonders gelungen. Und wer vorher z.B. ein Xiaomi mit MIUI hatte, wird sich wundern, wie logisch, aufgeräumt und dennoch umfangreich sich ein mobiles Betriebssystem plötzlich anfühlt. Während man beim China-Handy praktisch jedes Detail einstellen kann (und sich in den unendlichen Konfigurationsmöglichkeiten leicht verirrt), beschränkt sich Android auf das Wesentliche. Das nimmt den Anwender durchaus an die Hand, schränkt aber die Möglichkeiten nicht so weit ein, wie es z.B. bei Apple der Fall ist. Ich habe Stunden mit dem Android herumgespielt, dessen Aussehen und Verhalten maximal verändert und bin durchaus angetan. In vier Wochen habe ich keinen Android-Fehler gehabt, der mir in Erinnerung geblieben wäre. Das perfekte Betriebssystem wird es vielleicht niemals geben, aber hier ist ein sehr gutes. Einzigartig im Handy-Bereich ist die Update-Garantie bis 2030! Sieben Jahre gibt es nicht nur Sicherheits-Patches, sondern auch das neueste Android mit allen Funktionen! Das bietet selbst Apple nicht, ist für viele ein Kaufgrund und kann durchaus als Statement gegen die Wegwerf-Mentalität verstanden werden.

Ein rätselhafter Prozessor

Google macht es anders als unzählige Hersteller und produziert mit Samsungs Hilfe seine eigenen CPUs, in diesem Fall den Tensor G3 – und ich frage mich, weshalb! Denn auch wenn Android plus Apps flott und ruckelfrei laufen, voll überzeugen kann der Neunkerner nicht. In Benchmarks bleibt man oft hinter den weit verbreiteten Snapdragons zurück, und besonders energiesparend arbeitet er auch nicht. Das weiß Google natürlich, weshalb Android perfekt auf den Tensor zugeschnitten ist und ihn optimal ausnutzt. Zu 99% der Zeit ist das Handy daher schnell, bewegt sich mühelos durch die Apps und bietet durchaus Oberklasse-Feeling. Nur, wenn mal die volle CPU-Power gebraucht wird, wie bei bestimmten Spielen oder anspruchsvoller Bildbearbeitung, kommt der Prozessor an seine Grenzen. Google selbst berichtet davon, der Prozessor sei besonders für die zahlreichen Anwendungen mit künstlicher Intelligenz geeignet. Das kann durchaus sein, aber wieso dauert es oft so lange, bis man bei diesen AI-Anwendungen zum Ziel kommt? Verstehen Sie mich nicht falsch, die allermeisten werden mit dem Tensor G3 voll zufrieden sein, es ist aber für den selbsterklärten Premium-Anspruch einfach zu wenig.

Echte Schärfentiefe und natürliche Farben beim ersten Versuch Echte Schärfentiefe und natürliche Farben beim ersten Versuch

Was vom Tage übrig blieb

Regelrecht umstritten ist die Laufzeit des Akkus mit 4.575 mAh, der auf dem Papier für Größe und Gewicht des Handys okay ist. Manche Intensivnutzer berichten davon, kaum bis zum Abendbrot zu kommen oder bei der Nutzung mit zwei SIM-Karten unterwegs 30% Akkuverlust pro Stunde zu haben. Andere berichten euphorisch von 2 Tagen Nutzungsdauer und dem großen Fortschritt gegenüber dem etwas schwachbrüstigen Vorgänger Pixel 7. Um dies richtig einzuschätzen, muss man das Gerät aber erst zwei Wochen Minimum verwenden, denn Android erlernt individuelle Nutzungsmuster und versucht dabei, effektiv Strom zu sparen. Auch die regelmäßigen Updates schlagen sich immer wieder in der Laufzeit nieder. Das Pixel 8 schlägt sich bei mir besser als gedacht und muss nur im extremen Urlaubsmodus mit schlechtem Netz und vielen Fotos, Videos sowie Navigation irgendwann gegen Abend mal an die Powerbank. Im Alltag bleiben mir abends ziemlich sicher 20% Akku, womit ich locker leben kann. Wer sein Handy gewohnheitsmäßig im Dauereinsatz hat, wird hier kaum glücklich, für den Rest reicht der Akku wohl aus.

Fast schon unheimlich gute Kameras

Die Kameras waren schon immer der große Pluspunkt der Pixel-Reihe und für mich der Grund, überhaupt über dieses Gerät nachzudenken. Man hat hinten zwei Kameras verbaut, eine 50-Megapixel-Hauptkamera und eine 12-MP-Ultraweitwinkelkamera und besonders erstere ist ein Traum. Anders als oft bei Samsung und vielen China-Handys werden Farben realistisch dargestellt und nicht automatisch für Instagram und Co. aufgeblasen – heute eine Seltenheit. Auch bei schwierigen Lichtverhältnissen oder Makros kann man der Automatik praktisch blind vertrauen, man drückt auf den Auslöser und das Ergebnis ist im absoluten Regelfall extrem gut. Bei einem Test im extrem dunklen Wohnzimmer wird es sogar etwas gespenstisch, denn es dringt nur wenig Licht aus dem Flur hinein, und ich sehe praktisch nichts. Das Handy geht auf Nachtmodus, belichtet ca. 5 Sekunden und es erscheint ein durchaus ordentliches, unerwartet helles Foto auf dem Display. Die Ultraweitwinkel-Kamera ist nicht ganz auf demselben Niveau, aber immer noch sehr beeindruckend. Wobei beim Pixel das eigentliche Bild nur die halbe Miete ist. Man nimmt ein Foto auf, es ist gut – doch dann beginnt erst die Magie der Google-Algorithmen! Zwei, drei Sekunden später ist das Bild endgültig fertig und sieht dann einfach grandios aus. Das kannte ich von meinen anderen Handys noch nicht und fasziniert mich immer aufs Neue. Nachteil: Wenn jemand unbedingt 30 Bilder in schneller Reihenfolge knipsen will, könnte das Handy eventuell nicht mehr reagieren, weil zu viele Bilder gleichzeitig in Bearbeitung sind.

Eine schnelle Makro-Aufnahme auf meinem Schreibtisch Eine schnelle Makro-Aufnahme

Die Kamera für Selfies und Gesichtsentsperrung arbeitet sehr solide und hat – erstmals auf Android – eine Sicherheitsfreigabe für Biometrie, man kann sich also mit dem Gesicht identifizieren und z.B. Zahlungen freigeben. Natürlich macht sie Pixel-typisch wirklich hübsche Fotos, die man unbearbeitet auf Social Media hochladen kann – wenn man denn will! Einen optischen Zoom hat das Pixel 8 nicht, man kann digital scharf auf 2x, brauchbar auf 4x heranzoomen. Kann dieses Handy also eine Spiegelreflex komplett ersetzen? Nicht ganz (dafür fehlen auch diverse manuelle Einstellungsmöglichkeiten), dennoch genügen die Bilder auch höheren Ansprüchen! Und wenn man sich überlegt, wie schlecht viele mit ihren DSLR-Wunderwerken umgehen können, sie wären mit dem Pixel besser dran. Das trifft auch auf die Videos zu, die sogar in 4K-Auflösung bei 60 Bildern pro Sekunde möglich sind. Hier merkt man, dass die Stabilisierung wirklich gut funktioniert, die Kamera reagiert schnell auf wechselnde Belichtungsverhältnisse und fokussiert sicher. Mein Urteil: Beim nächsten Urlaub werde ich die Kameratasche daheimlassen!

Sinnvolle Features und Spielereien

Natürlich spendiert Google „seinen“ Geräten Updates zuerst und diverse Funktionen sind mehr oder minder exklusiv. Ob man seinen Hintergrund mit künstlicher Intelligenz erstellen oder Hintergrundgeräusche in Telefonaten und Videos minimieren will, Gesichter für das perfekte Gruppenfoto tauscht oder lieber die böse Schwiegermutter ganz vom Foto verschwinden lässt, Google hat da etwas für Sie. Das ist alles nicht komplett auf Photoshop-Niveau, dafür kann es einfach jeder. Man kann alles, was gerade auf dem Bildschirm zu sehen ist, mit dem Finger umkreisen und dann suchen lassen, Sprachen live übersetzen, Webseiten zusammenfassen oder vorlesen lassen – die Möglichkeiten sind bunt und vielfältig, wenn man denn Lust darauf hat. Denn all das wird dem Nutzer nicht aufgedrängt, sondern kann genutzt werden, muss aber nicht. Es wird nicht jede Funktion mit eigener App ins Menü gedrängt, wie bei manch anderen Anbietern. Wer einfach ein funktionierendes Handy zum Telefonieren, Surfen und (außergewöhnlich gutem) Fotografieren sucht, wird mit dem Pixel 8 glücklich – Spielkinder wie ich aber auch!

Spielerei mit KI-Effekt: Dieser Himmel war vorher grau und trübe Spielerei mit KI-Effekt: Dieser Himmel war vorher grau und trübe

Fazit

Und so werde ich das Pixel 8 behalten, auch wenn es nicht fehlerlos ist und mir manche Entscheidungen von Google (speziell Prozessor und Fingerabdrucksensor) wunderlich erscheinen. Das Pixel 8 ist weitaus mehr als nur eine gute Kamera, das Gesamtkonzept überzeugt, und ich möchte das kleine Ding nicht mehr missen. Wer ein Powerhouse in mächtigen Dimensionen oder 4 Tage Akku braucht, wird hier nicht glücklich, als vielseitiger Begleiter im Alltag überzeugt es. Es ist eine Wohltat, nicht mehr von tief im System verbauter Bloatware belästigt zu werden, Display und Kamera sind tadellos, und Android 14 überzeugt Einstellungs-Fans wie auch den einfachen Nutzer. Vieles geht, nichts muss – so sollte ein Betriebssystem sein. Eine Kaufempfehlung würde ich allerdings erst unter 600€ abgeben, Prozessor und Akku sind halt eher gehobenes Mittelmaß. Der Rest, zusammen mit dem gefühlt „ewigen“ Updateversprechen und einer sehr soliden Verarbeitung, passt!

PS: Natürlich habe ich dieses Handy selbst gekauft, keine Gelder und Gefälligkeiten flossen, und Google spendiert dem Chef nun auch keinen neuen Benz. Ich fand dieses etwas andere Handy einfach sehr interessant!

Bild 2: Google

Zurück zur Übersicht

Kommentar schreiben

Bitte melden Sie sich an, um zu kommentieren.