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Wenn der Werbeblocker plötzlich fehlt

Sven Krumrey

Chrome ist der marktbeherrschende Browser – doch wer ihn zuletzt öffnete, erlebte oft eine unschöne Überraschung. Viele beliebte Erweiterungen, darunter der weit verbreitete uBlock Origin (über 50 Millionen Installationen), funktionieren nicht mehr. Andere erhielten neue Versionen mit eingeschränkten Funktionen und weniger Einstellungsmöglichkeiten. Der Grund dafür ist das neue Manifest V3 für Chrome-Erweiterungen, das derzeit ausgerollt wird. Was das bedeutet, welche Ziele Google damit verfolgt und welche Alternativen Sie haben, erfahren Sie hier!

Chrome ist die Nummer 1 - doch wie lange noch?

Viele Add-ons (Erweiterungen) sind so sehr Teil unseres Alltags, dass wir sie kaum noch wahrnehmen – bis sie plötzlich nicht mehr verfügbar sind. Werbeblocker sind ein gutes Beispiel: Ohne sie fühlt sich das Internet völlig anders an. Erst dann fällt auf, wie überladen viele Seiten mit Werbung sind, was alles eingeblendet wird, von allen Seiten ins Bild fährt und wie wenig Spaß plötzlich das Surfen macht! Damit diese Werbeblocker tadellos funktionieren, benötigen sie weitreichende Rechte im Browser, nutzen komplexe Filterlogiken und ein umfangreiches Regelwerk. Das funktionierte lange prächtig, kollidierte aber frontal mit Googles Geschäftsmodell, das auf massenhafte Werbeanzeigen setzt und jedes Jahr damit Milliarden einnimmt.

Offiziell hat Google natürlich nur unser Bestes im Sinn. Man wolle Sicherheit, Datenschutz und die Geschwindigkeit des Browsers verbessern, indem Erweiterungen weniger Rechte und Eingriffsmöglichkeiten erhalten. Und was schlecht gemachte oder fragwürdige Erweiterungen betrifft, ist das nicht ganz falsch. Es gibt Add-ons, die das Surfen verlangsamen, Seiten fehlerhaft darstellen oder deren Datenschutz höchst fragwürdig ist. Umso erstaunlicher ist es, dass solche Tools immer noch im hauseigenen Chrome Web Store angeboten werden! Statt gezielt gegen problematische Erweiterungen vorzugehen, beschränkt Google jedoch umfassend die Rechte aller Erweiterungen. Viele Funktionen übernimmt nun der Browser selbst – und behält am Ende die alleinige Kontrolle.

Ohne Sie mit „declarativeNetRequest vs. webRequest API“ zu langweilen, fasse ich die Änderungen kurz zusammen: Erweiterungen konnten Netzwerkanfragen (z. B. Ihr Surfen im Netz) in Echtzeit überwachen und modifizieren, indem sie den gesamten Datenverkehr analysierten und bei Bedarf blockierten. Dieses Verfahren bot zwar große Flexibilität, war aber auch mit Sicherheits- und Datenschutzrisiken verbunden. Wo man etwas analysiert, kann man auch auf potentiell sensible Daten zugreifen. Nun läuft alles über Chrome: Die Erweiterung gibt dem Browser lediglich Anweisungen, wie er reagieren soll – die eigentliche Umsetzung übernimmt der Browser selbst. Zudem wurde die Anzahl der Regeln und Filter begrenzt, die eine Erweiterung nutzen darf. Es gibt also weiterhin Werbeblocker, aber sie dürfen weniger und können nicht mehr so komplex arbeiten wie bisher.

So sehen - etwas übertrieben - viele Seiten ohne Werbeblocker aus So sehen - etwas übertrieben - viele Seiten ohne Werbeblocker aus

Komplett überraschend behindern diese allgemeinen Änderungen vor allem Werbeblocker und Datenschutz-Tools – wer hätte es gedacht. Die ersten Ankündigungen zu Manifest V3 im letzten Jahr stießen auf entsprechend verheerendes Feedback, weshalb Google zähneknirschend nachbesserte. Erweiterungen dürfen nun etwas komplexer arbeiten und erhalten etwas mehr Rechte, dennoch behält Chrome weiter die Zügel in der Hand. Kritiker merken an, dass Chrome damit seine Geschäftspartner von Blocks ausnehmen oder per Handstreich jegliche Einmischung durch Erweiterungen deaktivieren könnte. Natürlich reagierten die Macher der Werbeblocker verdrossen, gaben aber nicht auf. Das neue uBlock Origin Lite arrangiert sich mit den neuen Vorgaben, andere Tools sind bereits in neuer Version verfügbar oder gerade in Arbeit.

Dennoch suchen viele Nutzer derzeit nach Alternativen zum Marktführer, der zuletzt einige Marktanteile an den Konkurrenten Edge verloren hat. Die Entwickler von Firefox haben bereits angekündigt, Werbeblocker und verwandte Erweiterungen weiterhin uneingeschränkt zu unterstützen. Auch Opera und Brave verfolgen diesen Ansatz und bieten zusätzlich eigene, integrierte Werbeblocker an. Vivaldi zögert noch, wird aber voraussichtlich ab Mitte 2025 wie Chrome auf Manifest V3 setzen. Mittelfristig bleibt es spannend, wie eigenständig Browser überhaupt noch sein können, wenn fast alle „Großen“ – mit Ausnahme von Firefox und Safari – auf dem Chromium-Projekt basieren und Google dort weiterhin der Hauptfinanzier ist!

Meine Frage an Sie: Würden Sie Ihren Browser wechseln, wenn dort kein Werbeblocker mehr verfügbar wäre?

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