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Die Rückkehr des Frickelns

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Kürzlich war ein etwas betagter Windows-Rechner bei mir in Ungnade gefallen. Seit irgendeinem Update mochte sein Netzwerk sich nicht mehr verbinden, ohne dass ich ihm jeweils einen Neustart spendieren musste. Das ärgerte mich, also vergrub ich mich in etwas, was ich lange nicht mehr getan hatte: Frickeln. Sie kennen Frickeln nicht? Dadurch wurde ich Informatiker! Eine kleine Ode auf Blut, Schweiß, Tränen und die kleinen Erfolge.

Das zähe Ringen mit Hard- und Software

In meinem Studentenwohnheim galt ich wider Willen schnell als der Mann für schwierige Computer-Probleme. Dabei war ich fachfremd und bestenfalls eher hartnäckig als kompetent zu nennen. Klopfte es an der Tür und ich erwartete keinen Besuch, so war es häufig ein lieber Kommilitone mit einem kränkelnden Windows NT oder Windows 95. So bunt gemischt die Nationalitäten waren, so waren es auch die Sprachen, Hardware und Programme. Egal, ob frühe Office-Versionen, Drucker, wild flackernde NoName-Monitore, jedes Problem brachte mir etwas Neues, was ich nicht kannte und auch nicht verstand. Da das Internet noch nicht bei uns verfügbar war, kaufte ich PC-Zeitschriften in Massen. Es fanden sich darin massive Beiträge mit Lösungsansätzen, Optimierungs-Möglichkeiten und Tuning-Anleitungen. Lief dann der Rechner wieder rund, gab es zur Belohnung ein, zwei Bier in der Heimbar dafür. Es wurden viele Biere.

Im Foyer der Mensa tummelten sich die Buchhändler und eröffneten eine weitere Recherche-Front: Windows-Bücher. Ob ganz nüchtern wissenschaftlich orientiert oder bunte Ausgaben voller Problemlösungen und wilder Ideen, bald war ein Regalmeter mit solchen Publikationen gefüllt. Besonders angetan hatte es mir der Nickles PC-Report, dicke rote Bücher randvoll mit Tipps und Tricks rund um Windows, die jährlich erschienen. Jede Ausgabe war spannend wie ein Roman für mich, ließ mich mit zahlreichen Aha-Momenten zurück und verband all die kleinen, isolierten Erkenntnisse zu einem großen Ganzen. Ebenso lernte ich an der Uni Menschen kennen, die mit ähnlichen Problemen kämpften und übernahm den Begriff für das zähe Ringen mit Hard- und Software: Frickeln. Dieses kleinteilige Arbeiten mit schlauem Try and Error, der Kampf mit schlechten Treibern und Windows´ klaffenden Lücken ließ sich kaum besser beschreiben. Irgendwo in den Tiefen der Einstellungen, der Registry und der Start-Konfiguration musste sich doch die Lösung verstecken! Versuchte ich meiner damaligen Freundin zu erzählen, womit ich gerade 4 Stunden verbracht hatte, erntete ich nur ein Schulterzucken, selbstverständlich vollkommen zurecht.

Fehlersuche zwischen Gemütlichkeit und Frust

Natürlich gab es auch einen grenzenlosen Schrecken, den vorwurfsvollen Anruf. „Du hast doch vor 3 Jahren meinen Rechner installiert, der fährt jetzt nicht hoch.“ Nicht ausgesprochen wurde, wie enttäuscht man nun von mir sei und welche Zweifel man fortan an meiner fachlichen Kompetenz hegte. Ob Windows muckte, Festplatten den Geist aufgaben oder Netzteile abrauchten, irgendwie musste doch ein kausaler Zusammenhang zu meinem Handeln bestehen! Hatte ich damals das minimale Budget bei der Kaufberatung vielleicht nicht weise genutzt? Hatte gar meine Installation eines Modems nur 1 ½ Jahre später die gesamte Systemstabilität zum Einsturz gebracht? Wie kann eine Festplatte überhaupt kaputt gehen, wenn nicht durch pures menschliches Versagen? Es konnte doch nicht an tausend Betriebsstunden, den zahlreichen Installationen und zwei Umzügen liegen, die man seitdem getätigt hatte! Man lernt in einer solchen Situation sehr viel über den Charakter eines Menschen und den eigenen Langmut! Meistens waren die gefühlten Katastrophen keine, Netzteile ließen sich ersetzen, Windows retten und es herrschte wieder Frieden. Bei manchen aber blieb durchaus eine kleine menschliche Enttäuschung zurück.

Nach meinem Studium arbeitete ich eine Zeit in einer Versicherung und traf meine Nemesis. Wie Sherlock Holmes seinen Professor Moriarty hatte, erwischte mich der Billig-Rechner des Herrn D. eiskalt. Herr D. war ein Vorgesetzter von mir, dazu ein sehr netter und hatte nur ein Problem: Stets fühlte er einen Igel in der Tasche. Er war weithin bekannt als massiver Sparfuchs, am liebsten hätte er bei seinem Rechnerkauf noch Geld zurück bekommen. Also kaufte er irgendwo ein Komplettsystem mit lauter Komponenten, die weder untereinander, noch mit Windows harmonierten. Keine Ahnung, welcher dubiose Versand ihm das Gerät verkauft hatte, man lud damit schwere persönliche Schuld auf sich. Der Gerätemanager ähnelte einem Schlachtfeld unerkannter Geräte und wenn Windows überhaupt startete, war ein besonders guter Tag. Es wurden Wochen des Frickelns. Immer wieder neue Treiber, neue Ansätze, Recherche, was vorne aufgebaut wurde, purzelte hinten wieder in sich zusammen. Abends saß ich noch vor den Büchern, machte mir Notizen und probierte es am nächsten Tag sofort aus. Mit Tee, Gebäck und hoffnungsvollem Blick saß Herr D. neben mir, nickte verständnisvoll und munterte mich stets auf. Wochen vergingen, die Zuversicht schwand, doch irgendwann passte alles. Der Gerätemanager war ohne Makel, alle angeschlossenen Geräte liefen, selbst Spiele ließen sich klaglos installieren und starten. Herr D. drückte mir warm die Hand und gab mir einen Zehnmarkschein, das war sein persönlicher Ritterschlag. Vom Erfolg wie betäubt ging ich zur U-Bahn und fuhr nach Hause.

Ein bedeutender Teil meines Studiums zusammengefasst in einem Bild Ein bedeutender Teil meines Studiums zusammengefasst in einem Bild

Mit dem Internet wurde vieles einfacher und auch internationaler. Wo man auch auf der Welt saß, ein Bluescreen blieb ein Bluescreen und so plauderte ich bald in Foren mit Finnen, US-Amerikanern und Südafrikanern über die digitalen Herausforderungen des Alltags. Es entstanden Freundschaften, man teilte sein Leid, wenn der zehnte Versuch keine Lösung brachte und brachte Tipps und Wissen unter die Menschen. Manche wurden als Kenner bestimmter Fachbereiche zu kleinen Foren-Legenden und erhielten Namen wie „Treiber-Joe“ oder „Mainboard-Manfred“. Jede neue Windows-Version ließ Foren und Probleme förmlich explodieren, bis irgendwann, es muss um Windows 7 gewesen sein, zunehmend Ruhe einkehrte. Ja, es gab immer noch Ungereimtheiten, Hardwareanbieter schossen einen Bock oder ein Update missglückte, aber die große Zeit des Frickelns nahm ein stilles Ende. Foren verwaisten, denn meistens funktionierte es doch, wenn man eine Hardware anschloss, seine digitalen Fotos importieren wollte oder einen zweiten Monitor nutzte. Handys wurden der neue Abenteuerspielplatz, wo noch vieles ungeordnet und leicht chaotisch programmiert wurde. Windows regelte hingegen, Standards setzten sich durch und die großen Hardware-Experimente, wie z.B. das Übertakten von Prozessoren, waren auch vorbei. Und da man Fehlersuche und bittere Flüche nachts um 4 Uhr kaum vermisst, dachte man nicht groß darüber nach.

Als mein Rechner sich im Jahre 2022 nicht mit dem Netzwerk verbinden wollte, kehrte ein Teil dieser vergessenen Welt wieder zurück. Ich fand sogar ein paar der alten Foren wieder und freute mich, noch immer ein paar vertrauter Pseudonyme zu sehen. Das Problem selbst ließ sich ebenfalls lösen, mein betagter Rechner war nicht für den Schnellstart von Windows geeignet, der sich über ein Update eingeschlichen hatte. Ganz in nostalgischer Frickel-Stimmung, habe ich mir ein dickes Windows-Buch mit Tipps und Tricks bestellt, der Herbst kommt!

Was mich interessieren würde: Haben Sie auch schon Stunden über Windows-Problemen gegrübelt? Helfen Sie gar anderen mit dem Computer? Und packt auch Sie der Jagdinstinkt, wenn Fehler auftreten?

Bild 1: Photo by JESHOOTS.COM on Unsplash

Bild 2: Photo by Vladyslav Bahara on Unsplash

Bild 3: Photo by Tim Gouw on Unsplash

29 Kommentare
Seite 2 von 2
  • A

    Ein Hallo an Alle,

    ja, es kommen mir wehmütige Gadanken an die 80ziger Jahre.

    Habe auch das Frckeln-Gefühl durchlebt. War auch immer Ansprechpartner für Freunde und Bekannte.

    Aber es hatt einfach Spass gemacht.

    Herzliche Grüße

  • U

    Ein toller Beitrag, der die Erinnerung an lang vergangene Zeiten wieder zu Tage bringt.

    Meine ersten Computer waren TT 99/4A und C64.

    Im Büro standen dann PCs herum, an die sich keiner herantraute. Ab MS-DOS 3.0 begann ich im Eigenstudium, mich damit zu beschäftigen. Bald war ich auch der, der häufig helfen konnte und musste. Eine zeitlang war ich im Büro sogar Nutzer und Systembetreuer.

    Jetzt im Ruhestand nutze ich den PC (Bigtower, Eigenbau) nur noch für Büroarbeiten. Er wird nach 10 Jahren im Betrieb aber langsam altersschwach. Win 11 und neuere Software laufen nicht mehr.

    Also werde ich demnächst nach langer Zeit einen neuen PC zusammenfrickeln.

    Ich freue mich drauf! Blood sweat and tears.

    ;o)

  • M

    Hallo Herr Krumrey,

    im Gegensatz zu ihnen (und einem leider zwischenzeitlich verstorbenem Geschäftfreund) habe ich mit dem laufenden PC und den Programmen gearbeitet - er dagegen wusst wie er einem Chip das Husten austreiben musste.

    So liegt mir immer noch die "LOTUS Smart Suite" als Programm mehr als sämtliche Office Programme (ihr Lachen überhöre ich!).

    Was mich allerdings sehr ärgert; die Hilfe Dateien (aller älteren Programme) sind nicht mehr zu öffnen und es gibt keine Möglichkeit diese wieder lesbar zu machen???

    ODER DOCH???

    Nach wie vor sind die "Innereien" eines PC nicht meine Welt, ebenso die Fachbegriffe - die mir nur ein staunendes Boah entlocken können.

    Frage: Wissen sie (Ashampoo oder ein anderer "Frickler") eine Lösung alte Hilfe Dateien wieder lesbar zu machen?

    Danke für ihre Reaktion.

    Hallo Herr Woinitzky,

    Falls die Dateien im .HLP Format vorliegen, können Sie per Google nach kostenlosen online-basierten Konvertern suchen, z.B. "HLP Converter", um diese z.B. in PDF umzuwandeln.

  • F

    Lieber Sven Krumrey,

    die Liebe des Frickelns habe ich schon sehr früh entdeckt. Diese Welt war faszinierend!

    Meine ersten Schritte begann mit Peek & Poke auf einem VC 64, davor waren BASIC auf einem Sharp PC1500 angesagt und noch weiter davor TI 90 mit Magnetstreifen, sowie eine Datasette und ein Plotter.

    Die Begegnung mit den ersten "richtigen" PC zeigte M DOS 3,21

    Über Monate vergingen, wo die Nacht zum Tag gemacht wurde, um in die Geheimnisse des Betriebssystems einzutauchen.

    Die Ausstattung wurde erweitert und ein Drucker musste her. Ich fragte mich, wie in aller Welt die Daten durch eine parallele Schnittstelle zum Drucker gelangen. Das war der Anfang vom Ende einer kultivierten Schlafkultur. Kabel wurden selbst gelötet, und dann stellte ich fest, dass ein zu langes Kabel selbst Appetit auf Daten hatte. Ich betrat Neuland.

    Anfang 1990 wurde ich als Supporter eingestellt. Bereich CAD und damit verbunden die Aufgabe, 17 selbst programmierte Zusatzfunktionen der Firma zu supporten und Installationen beim Kunden durchzuführen:

    Die gesamte Palette aller Hardware, die ein CAD-Arbeitsplatz mitbringt: Eingabetablett, Drucker, Scanner (folgten später), Monitore bekannter Marken wie MIRO oder ähnliche Hersteller und bis hin zu DIN A0 Plotter.

    Diese Plotter mussten justiert werden: Transparent einspannen, Taste drücken und das Gerät ermittelte selbst die Größe und Lage. Das funktionierte so lange fehlerfrei, bis ich dann ein solches Gerät bei einem Kunden aufstellte und merkte: Da stimmt etwas nicht. Die Blatterkennung versagte!

    Nach Stunden der Fehlersuche habe ich das Gerät aus Verzweiflung in einem anderen Raum aufgestellt, und: Tadellose Blatterkennung!

    Woran lag es? Wieder einige Stunden später habe ich herausgefunden (Das Kleingedruckte im Handbuch tatsächlich gelesen!), dass es einen Lichtsensor verbaut hat. Dieser prüft und stellt fest: Bei GENÜGEND Umgebungslicht arbeite ich ohne Fehlerfeststellung. Damit kann das Blatt auch erkannt werden!

    Eines Tages stellt der Vertrieb selbst entwickelte Grafikkarten vor. Die Monitoranpassung erfolgte über Jumper. Gut gelöst.

    Dann der Tag, an dem mich ein Kollege anrief und sagte, dass er Schwierigkeiten mit der Grafikkarte hat: Es wird kein Bild auf dem Monitor angezeigt.

    Also: Das volle Programm abfahren, um alle Erkenntnisse zur Fehlerbeseitigung mit dem Kollegen durchzugehen. Es war nichts zu machen: Der Monitor hüllte sich in Schwärze.

    Ab zum Kunden, Support die Unterstützung am Tatort war gefragt.

    Ich baute die Grafikkarte aus und suchte die Stelle mit dem Jumper. Sie steckte an der richtigen Position. Wenn nichts mehr hilft, zurück zum Anfang.

    Eine abisolierte Pinzette genommen und den Jumper gezogen. Dabei passierte es mir, dass die Spitzen sich ein wenig verdrehten und der Stecker landete mit einem Salto auf der Arbeitsfläche. Und was sah ich? In meinem Innern verglich ich das gespeicherte Bild mit der Wirklichkeit. Da fehlte doch glatt der Kontakt im Stecker! - Problem gelöst durch Frickelarbeit!

    In dreißig Jahre Support gab es viele Überraschungen, viele davon zum Schmunzeln.

    Eine Kundin rief an und sagte, dass an der Kasse eine Funktion nicht freigeschaltet sei (Kassensoftware).

    Ich versuchte wirklich alles um der Kundin zu helfen, insbesondere deshalb, weil der Anfahrweg über 200 km betrug.

    Ich konnte nicht verstehen, was bei ihr nicht klappte, denn bei der Vorgehensweise, um die Einstellungen mittels der linken Maustaste zu ändern, kam die stets die Aussage, dass kein Menü erscheint.

    Mittlerweile war die gestresste Kundin -sie musste immer wieder unterbrechen um Kunden zu bedienen- am Ende ihrer Geduld angekommen und gab mit spitzer Bemerkung mir zu verstehen, dass sie sogar einen Computerkurs besucht hat und links mit rechts nicht verwechseln würde. Ich schaffte es gerade noch so, freundlich das Gespräch zu beenden und ihren Chef anzurufen.

    Ich schilderte ihm kurz das Problem in seiner Filiale und er machte sich auf den Weg dahin. Er kannte die Lösung, denn er hatte die Einstellungen selbst oft genug ändern müssen.

    Einige Zeit später rief dieser mich an und was er mir dann als Lösung präsentierte, hätte sogar das kopernikanische Weltbild geändert:

    Die Anwenderin hatte eine kabelgebunden Maus verwendet und wusste wo links und rechts ist. ABER: Sie legte die Maus mit dem Kabel zeigend auf sich selbst zu. Klar, dass die Maus bei der Ansage "drücken Sie bitte jetzt auf die linke Maustaste" keine Reaktion gezeigt hat.

    Ich habe mit dem Kunden noch oft über diesen Fauxpas gelacht.

    Ja, ich kenne die zeitfressende Aussage: "So, jetzt nur noch schnell...". Jahrzehnte später frage ich mich, ob die Fehler von gestern und die stundenlange Suche nach der Lösung vergeudet waren.

    Meine Antwort: Nein, denn ich lerne nicht für ein bestimmtes Ziel im Leben. Ich lerne, um immer wieder neue Wege zu finden!

    Holla, noch nicht mal das Benachrichtungsmailing raus und schon die erste geteilte Erinnerung - noch dazu von einem echten Frickler! :) Vielen Dank dafür!

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