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Der Angriff auf mein Bücherregal: Amazon Kindle Voyage 3G

Sven Krumrey

Fast jeder Mensch hat sein Allerheiligstes, die Trutzburg gegen die Welt, vielleicht auch gegen den ständigen Wandel, der in unserer Gesellschaft herrscht. Bei einigen Menschen ist es die Modell-Eisenbahn, bei anderen die Schallplatten-Sammlung, für mich sind Bücher die ewige Konstante. Einige Exemplare begleiten mich seit Jahrzehnten, ziehen immer mit um, sind zerfleddert und vergilbt, andere warten noch druckfrisch auf die erste Lesung. Doch nun soll alles vorbei sein, die Technik hält auch hier Einzug – jedenfalls versuchsweise.

Das vielleicht schönste Hobby der Welt: Lesen

EBook-Reader sind nichts Neues, seit über zehn Jahren Jahren sind sie bereits mehr oder minder erfolgreich auf dem Markt. Und obwohl in meinem Beruf die Neugierde auf Technik Standard ist, hatte ich mich immer geweigert, so ein Ding in die Hand zu nehmen. Zu fremd schien mir die Vorstellung, mich mit einem solchen Exemplar auf den heimeligen Lesesessel zu verziehen. Auf der anderen Seite: Ist es nicht dumm, etwas abzulehnen, was man nicht kennt? Also her mit dem Amazon Kindle Voyage 3G, der in der Spitzengruppe seiner Klasse liegen soll.

Ausgepackt ist das Gerät erst mal so spannend wie ein Testbild: Schwarz, eher klein (6 Zoll groß), dafür auch ziemlich leicht, knapp unter 190 Gramm. Um Bücher auf dem Kindle zu speichern, gibt es viele Möglichkeiten: Per USB an den PC anschließen, per WLAN und auch (was mich erstaunte) über das mobile Netz, eine entsprechende SIM-Karte ist eingebaut, die Nutzung ist (für dieses Modell) kostenlos. Natürlich steht hier Amazon als virtueller Buchladen im Vordergrund, man kann jedoch auch über andere Quellen Bücher kaufen und abspeichern.

Das Kindle ist eher unauffällig

Ist das Ding erst mal an, kann man nur anerkennend nicken, hier wartet solide Technik. 1080 x 1440 Pixel sind bei der Größe hochauflösend, so sind auch feine Schriften sauber darstellbar. Die integrierte Beleuchtung ist gut umgesetzt, selbst bei Sonne ist das Display immer noch gut zu lesen. Was den Akku angeht: Ich habe ihn nicht leer bekommen. Andere Test sind bei ca. 24000 gelesenen Seiten Akkulaufzeit angelangt, was mehr als respektabel ist.

Zur Benutzerfreundlichkeit: Wer schon mal ein Tablet oder Handy in der Hand hatte, kommt hier problemlos zurecht. Alles ist klar gegliedert, die Menüs sind übersichtlich und das System funktioniert reibungslos. Da man dem Amazon Kindle Voyage einen kapazitiven Touchscreen spendiert hat (vergleichbar mit modernen Handys), reicht ein kurzes Antippen oder leichtes Wischen zur Nutzung vollkommen aus. Mit 4 GB Speicher kommt man locker über den längsten Urlaub, mit AZW, PDF und MOBI sind drei wichtige E-Book-Formate am Start. Nur das klassische EPUB fehlt, hier möchte man sich wohl allzu eifrige Mitbewerber vom Hals halten.

Die Software ist schlau – man versucht, mehr als ein Buch zu bieten. Sie merkt sich z.B. die Lesegeschwindigkeit und kann voraussagen, wie lange man bis zum Ende des Kapitels braucht. Schriftgrößen kann man ändern, für Menschen mit schlechten Augen ideal. Über das sog. „Smart Lookup“ kann man sich Informationen über Orte, Personen oder Begriffe anzeigen lassen, ohne die Seite zu verlassen, hier ist Wikipedia angeschlossen. Drückt man leicht auf eine Seite des Geräts, wird umgeblättert, ebenso klug umgesetzt. Also alles gut? Ja und (für mich) nein!

Der Geruch alter Bücher ist einfach unvergleichlich

Denn wie man das Lesen erlebt, ist subjektiv. So wage ich zu behaupten, dass viele Menschen mit dem Kindle Voyage 3G glücklich werden – ich nicht. Für mich fühlt es sich wie die Imitation eines Buchs an, vergleichbar mit einem Fahrsimulator und echtem Autofahren. Der Reader ist immer gleich. Es gibt nicht mehr die angenehme Schwere des dicken Wälzers, die mächtigen Buchdeckel einer gebundenen Ausgabe, nicht den Geruch alter, vergilbter Seiten. Die Hände haben nichts zu tun, das Geräusch des Blätterns fehlt, ebenso wie der rasche Blick aufs Cover oder in den Klappentext. Es bleiben nur die Buchstaben, die sind für mich aber nur ein Teil des Lesens.

Und so werde ich auch in Zukunft das Internet nach Neuerscheinungen durchforschen, zum Buchhändler meines Vertrauens gehen und dort neue Schätze bestellen. Oder ich gehe in ein Antiquariat, atme tief den speziellen Duft ein, der ältere Ausgaben so besonders macht und nehme ein paar besonders ehrwürdige Exemplare mit nach Hause. Die Technik mag mit Spotify als Hintergrundberieselung und LED-Lampen in meine Mußestunden Einzug gehalten haben, die Bücher bleiben. Ich werde nur selten als altmodisch bezeichnet, hier mag es durchaus zutreffen. Sei es drum.

Was mich interessieren würde: Halten Sie dem Papier Ihre Treue oder sind nutzen Sie schon EBook-Reader bzw. entsprechende Apps z.B. auf dem Tablet?

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