15 Jahre Google Maps – von der Landkarte zum Weltentdecker
Vor einigen Jahren musste ich dringend nach Hamburg, wo ich mich kaum auskannte. Also schmiss ich mein Navigationsgerät an und wurde bitter enttäuscht. Der Bildschirm blieb schwarz und ließ sich nie wieder reanimieren. In meiner Not nutze ich das erste Mal Google Maps als Navigationssystem und erlebte mein blaues Wunder. Die App zog Akku, als hätte ich eine Heizdecke angeschlossen. Irgendwann stand ich dann in einer dunklen Hafengegend, wo dubiose Gestalten begehrliche Blicke auf meinen fabrikneuen Leihwagen warfen. Maps bat mich derweil immer wieder umzukehren, wohin ich auch fuhr, und war anscheinend so verwirrt wie ich selbst. Letztendlich war es ein netter Hamburger, der mir den richtigen Weg aus dem Dilemma wies. Seitdem hat sich viel getan. Google Maps feiert seinen 15-jährigen Geburtstag und aus der „digitalen Landkarte“ wurde das wohl mächtigste Programm, um seine Umwelt zu erkunden.
Jahre später bereiste ich das wunderbare Island. Inzwischen war der Dienst so ausgereift, dass ich mich in zwei Wochen nicht ein einziges Mal verfuhr. Selbst inmitten von Lavafeldern in menschenleeren Gegenden wurde ich sicher geführt, ungewöhnliche Ortseingaben wie Sauðárkrókur, ohne Sonderzeichen eingegeben, verstand das System sofort. Auch als sich in Reykjavík ein Kreisverkehr an den anderen reihte, blieb Google Maps stabil und ist seitdem mein persönlicher Routenplaner Nr. 1. Dabei ist jedes Android Handy mit aktivierter Standortortung ein Helferlein, wenn es z.B. um Verkehrsnews geht. Staus und Sperrungen erkennt Google Maps deshalb so schnell, weil Smartphones Geschwindigkeit und Standort nach Hause funken und so jeder stockende Verkehr gleich bemerkt und rot eingezeichnet werden kann. Ein Künstler narrte dieses System kürzlich, als er einfach 99 Handys mit eingeschaltetem GPS in einem Handwagen durch die Straßen zog. Google machte anscheinend gleich einen veritablen Stau daraus. Wer nicht geortet werden will, muss die Standortermittlung auf dem Smartphone deaktivieren. Damit bekommt Google weniger Daten und die ganzen netten Funktionen, wie Routenplanung, personalisierte Karten, Empfehlungen auf Grundlage besuchter Orte und Echtzeit-Informationen zum Verkehr auf der Pendelstrecke, fehlen dann. Mehr Privatsphäre oder mehr Komfort – Sie entscheiden!
Google Maps ist weitaus mehr als eine reine Karte, wie man sie früher im Auto hatte. Der Routenplaner funktioniert immer besser, die dort verarbeiteten Verkehrsinfos sind meist aktueller als bei der Konkurrenz und selbst als Reiseführer schlägt sich der Dienst ganz wacker. In vielen Ländern sind zudem auch die öffentlichen Verkehrsmittel eingepflegt, so dass Wegstrecken nicht mehr nur für Fußgänger, Radfahrer und Autofahrer berechnet werden können. Neben normaler und Geländekarte ist auch die Satellitenansicht sehenswert. Viele entdecken hier das erste Mal ihre Umgebung aus der Adlerperspektive. Zusammen mit der 3D-Ansicht und Google Street View hat der Nutzer hier die wohl umfangreichste Erfassung unserer Welt zu Verfügung. Besonders Street View, für das Google-Autos durch die Gegend fahren und die Straßenzüge fotografieren, traf in der Vergangenheit zum Teil auf erbitterten Widerstand. In manchen Ländern wo der Datenschutz größer geschrieben wird musste Google zum Teil so viele Bereiche unkenntlich machen, dass sich eine Nutzung kaum lohnt.
Wichtig für die lokale Wirtschaft ist Google Maps inzwischen als Bewertungs- und Empfehlungsportal geworden. Jeder kann Restaurants, Geschäfte und auch Behörden mit kurzen Worten bewerten und Sterne als Noten verteilen. Steht ein Google Maps-Nutzer dann einmal etwas ratlos in der Gegend herum und sucht ein Restaurant, bekommt er sofort zahlreiche Vorschläge in der näheren Umgebung vorgeschlagen. Stehen dann ein Restaurant mit 3 Sternen im Durchschnitt und eines mit 5 (also der Bestwertung) zur Auswahl, werden viele den Weg zum Punkte-Primus nehmen. Das bietet natürlich Transparenz für den Kunden, das System kann aber (speziell bei wenigen Bewertungen) leicht beeinflusst werden. Mancher Restaurantinhaber hat schon Familie und Freunde mobilisiert, um sie zu allzu euphorischen Bewertungen anzuregen. Es gibt auch immer wieder Fälle, wo Konkurrenten negativ bewertet oder deren Öffnungszeiten geändert werden. Der Einfluss von Google Maps ist hier groß genug, um über Wohl und Wehe eines Geschäfts zu entscheiden, weshalb auch immer wieder die Gerichte eingeschaltet werden. Machen Sie den Selbsttest: Würden Sie in ein Hotel gehen, nachdem Sie in den Bewertungen von verdorbenem Essen oder Bettwanzen gelesen haben? Es muss ja nicht stimmen!
Google versucht nach einiger Nutzungszeit sogar zu erraten, womit man Ihnen behilflich sein könnte. Je nachdem wie gut Google Ihre Gewohnheit und Vorlieben kennt, werden Empfehlungen gegeben, wenn Sie z.B. italienische Küche mögen und in Gehweite zu einem guten Italiener sind.
Relativ neu ist hingegen Google Live View, das vor allem für die Navigation von Fußgängern in Städten gedacht ist. Man erstellt seine Route auf dem Smartphone und nutzt dann die Option „Live View“. Schwenkt man das Handy dann einmal umher, nutzt Google die Handycamera, um die Umgebung (z.B. den Straßenzug) wiederzuerkennen. Danach werden Pfeile und Bemerkungen in das Kamerabild eingeblendet (nennt sich Augmented Reality), um dem Nutzer den richtigen Weg zu zeigen. Das klappt ziemlich gut, hat aber den Nachteil, dass man mit stets erhobenem Handy durch die Gegend wandelt – und dabei ziemlich dämlich aussieht. Auch eine Karte mit eigenen Lieblingsorten kann man erstellen, indem man bestimmte Adressen in Maps speichert. Oder man definiert Pendelstrecken mit festgelegten Arbeitszeiten, die vor Fahrtantritt über die Verkehrslage sowie eventuelle Hindernisse informieren oder zum Aufbruch mahnen. Auch elektrische Ladesäulen für E-Autos hat Google Maps immer parat, die Stoßzeiten für Restaurants und Sehenswürdigkeiten und (hier weint jeder Datenschützer leise) einen Standortverlauf mit komplettem Bewegungsprofil. Selbst offline funktioniert Google Maps, sofern vorher die Karte heruntergeladen wurde – ein großer Vorteil in bekannten Funklöchern.
Ist man am PC bei Google eingeloggt und sucht dort eine Route heraus, kann man sie an ein Handy oder Tablet schicken, wenn das betroffene Gerät ebenfalls in dem Google Account hinterlegt ist. Das macht manchen Aufbruch in den Urlaub entspannter. Es sind aber längst nicht alle Funktionen auf Smartphone und PC identisch. Google Flights, wo man Routen und Flüge recherchieren und buchen kann, gibt es bislang nur für den PC. Für viele größere Gebäude, z.B. Einkaufszentren, gibt es mittlerweile Indoorkarten, damit man sich dort nicht verläuft, auch Parkplätze lassen sich speichern. Und natürlich lässt sich alles auch per Sprache steuern. Es ist eine enorme Untertreibung, wenn Google hier von einem „Kartendienst“ spricht. Der Dienst ist mittlerweile ein Tippgeber und Navigationsgerät für unser Leben, wenn wir es wollen und zulassen. Ob man Google Maps begeistert nutzt, mehr die Technik bewundert oder es schlicht erschreckend findet, bleibt jedem selbst überlassen. Es hat sich in den letzten 15 Jahren jedenfalls vieles getan und weitere Anwendungen stehen schon in den Startlöchern.
Was mich interessieren würde: Nutzen Sie Google Maps? Was halten Sie davon?