Kürzlich bekam ich eine SMS. Das ist eher selten, seitdem auch meine Eltern stolz den Schritt ins Messenger-Zeitalter beschritten haben. Also ist es entweder mein Telefon-Anbieter, der mir komplett überflüssige Dienste andrehen will (Smileys kaufen? Schaut mal in Eure Datenbank, wie alt ich bin!) oder es ist – der letzte Offliner. Denn einen gibt es in meinem Freundeskreis, der beschlossen hat, sich nicht ins Internet zu begeben, der kein Smartphone besitzt und dessen Computer (ein alter Amiga) seit 30 Jahren ungenutzt auf dem Dachboden steht. Wir trafen uns beim Essen bei ihm und wie immer gab mir der Abend viel Anlass zum Nachdenken.
Denkt man an Menschen ohne Bezug zum Internet, so gibt es Klischees. Die Älteren, die den Schritt nicht mehr gehen wollen, die ganz Jungen, die eher mit dem Schnuller hantieren oder halt Bewohner von Ländern, in denen das Internet nicht verbreitet ist. Aber ein Mittvierziger, gut ausgebildet, berufstätig und in der Großstadt einer Industrienation wohnend – komplett offline? Auch diese Leute gibt es und einer von ihnen macht hervorragende Burger. Mein Kumpel Lars* ist Handwerker und lehnt es ab, irgendwie online zu sein. Er lebt nicht unter einem Stein und weiß durchaus, welche Vorteile die „digitale Revolution“ hat, doch hält er Internet, Smartphone und Co nicht für menschengerecht, weil reizüberflutend.
Und immer, wenn ich ihn besuche, verstehe ich ihn etwas besser. Die Wohnung sieht seltsam leer aus. Kein Computer, kein großer Flachbild-Fernseher oder Laptop, keine Ladestation mit Kabelgewirr, selbst das klassische Telefon spart er sich. Sein kleines, altes Handy, das nur alle Woche aufgeladen werden muss, reicht ihm vollkommen. In einem Regal steht ein Lexikon neueren Datums mit grob 20 Bänden. Stimmt, das gab es ja auch mal. Zwei Zeitungen trudeln täglich ein, Radio mag er nicht hören, zu viel Werbung und zu wenig Musik, die ihm gefällt. Nachrichten werden dann geschaut, wenn sie halt gesendet werden. Vorher weiß er auch nicht, was am Tage so passiert ist. Und wenn die Sendung nicht in die Abendgestaltung passt, liest man alles am nächsten Morgen nach. Ein seltsamer Gedanke, wo jedes Geschehen praktisch live kommentiert, wenn nicht gleich übertragen wird – und in der Jagd nach Klicks irgendwie alles eine Sensation sein soll.
Der Draht zur Außenwelt
Mit seiner Haltung ist er kein Prediger, man merkt es eigentlich nur, wenn man ihn näher kennt. Und man lernt es zu schätzen, dass er nie bei Gesprächen mit dem Handy hantiert oder schnell weg muss, weil irgendwo irgendwas passiert ist. Er ist voll da, wenn man mit ihm spricht und das mag durchaus mit seinem Offline-Status zu tun haben. Sonst hätte man sich ja gar nichts mehr zu erzählen, wenn man sich trifft, sagt er gerne. Stimmt sogar. Wenn ich jemanden sehe, der mit Whatsapp-Nachrichten, Facebook-Postings und Instagram-Fotos sein Leben ausführlich dokumentiert, spricht man eigentlich nur noch über das, was man sowieso schon weiß. Hat man hingegen seit Wochen oder Monate wenig voneinander gehört, ist ein Gespräch wirklich spannend und man weiß kaum, wie man alles unterbringen soll.
Sein Leben ist anders. Er kauft alles vor Ort, Amazon und Co verdienen keinen Cent mit ihm. Er kennt die Mitarbeiter seiner Bank fast alle beim Namen, denn Online-Banking fällt flach, er ist mehrfach die Woche in der Filiale. Neben Büchern, CDs, Treffen mit Freunden und sporadischem Fernsehen stellt ein alter DVD-Player die Spitze seines Entertainments dar, ab und zu geht er in eine der letzten Videotheken. Er weiß nicht, was gerade im Netz der letzte Hype ist oder welche Seiten besonders lesenswert sind. Ich würde es als Mangel sehen, er freut sich über – Langeweile. Es wird nicht jeder Moment mit Spiel, Spaß, Spannung gefüllt, er schätzt es, einfach nichts zu tun. Sowohl sein Beruf, wie auch seine Hobbies seien aus Langeweile entstanden, ohne sie sei der Mensch nicht derselbe. Das war durchaus philosophisch, während Lars den Nachtisch aufdeckte.
Doch die Welt dreht sich weiter und das merkt er auch. Wenn sich selbst seine Mutter beklagt, weshalb er immer noch „den Dinosaurier in der Hand hat“ und sein Handy dabei kritisch beäugt – geschenkt. Aber bei spontanen Treffen im Bekanntenkreis, die sich über Whatsapp- oder Facebook-Gruppen finden, vergisst man ihn oftmals. Bei den Arbeitskollegen, die sich über die neue Serie auf Netflix unterhalten, kann er ebenfalls nicht mitreden. Möchte er sich doch noch selbstständig machen, müsste er sich mit Computern, Internet und sogar einer Homepage auseinander setzen. Und wenn etwas in seinem Lexikon nicht drin ist, was er wissen möchte, ärgert er sich. Und weiß zugleich, dass es auf Wikipedia bestimmt eine Antwort gäbe. Eine Frau zu finden, die ebenso offline leben mag, stellt ebenso eine Herausforderung dar, die Zielgruppe schrumpft. Und so kam es zuletzt, dass er sich bei mir, dem „Computer-Menschen“ (lieb gemeinter Spott) Rat suchte. Er wolle sich auch ein Smartphone holen, welches Gerät, welche Tarife, welche Apps er denn brauche?
Und ich wusste nicht, ob ich mit ihm die Büchse der Pandora öffnen sollte. Sollte ich ihn, den Letzten seiner Art (jedenfalls aus meinem Freundeskreis) aus dem Paradies vertreiben? Die Idee, dass er auch bald Katzenbilder verschicken und „LOL“ drunter schreiben könnte, gefiel mir nicht. Ich versprach, mich zu informieren, doch eigentlich wollte ich nur drüber nachdenken. Wenn er sein Leben ändern will, wird er es tun, ob ich es mag oder nicht, es ist nicht meine Entscheidung. Und vielleicht kann ich noch von ihm lernen, so wie er heute ist. Nur in Ansätzen: Wenn ich leben wollte wie er, könnte ich mir gleich bei Ashampoo meine Papiere holen. Es ist mein Job, immer auf neustem Stand zu sein, sonst könnte ich nicht darüber schreiben. Aber mal wieder nichts zu tun haben oder gar etwas Neues aus Langeweile zu beginnen –das könnte durchaus klappen!
Was mich interessieren würde: Nachdem Sie gerade diesen Blog im Internet gelesen haben – könnte Sie sich ein Leben ohne das Netz vorstellen oder weckt der Gedanke sogar die Sehnsucht danach?
*Name dezent verändert
Jetzt habe ich mir doch noch mal den Unterschied zwischen Effektivität und Effizienz auf wikipedia erklären lassen.
Meine These: " Je offliniger, desto effizienter". Denn: viel online, desto mehr Verbrauch von nötiger Entspannungs-Langeweile um rauszufinden wie man sich am effizientesten entspannt.
OMMM !
nein, ich könnte mir ein Leben ohne Internet nicht vorstellen. Meine Familie und meine Freunde leben weltweit verstreut. Es sind nicht zuletzt auch Freunde, die ich durch das Internet kennengelernt habe. Dank Messenger und später Skype haben die Kontakte gehalten, irgenwann hat man sich gegenseitig besucht, da man -ebenfalls durchs Internet- billige Flüge ergattern konnte. Wenn ich mich langweile,weil das Fernsehen die Xte Wiederholung der Wiederholung bringt -Gebühren muß ich trotzdem zahlen, auch wenn ich die Dialoge des Films schon mitsprechen kann- kann ich mir mein eigenes Programm zusammenstellen und streamen.Ich kann in entsprechenden Foren Leute kennelernen, die meine Interessen teilen. Es ist egal,ob sie hier oder sonstwo auf der Welt leben. Nein, ich möchte Internet nicht missen, aber wie Onkel Jenz so richtig schreibt," die Dosis bestimmt das Gift"
Ich würde es gern mit dem Werbespruch eines nicht unbekannten Baumarktes kommentieren: Respekt wer es (noch) selber macht..... :-)
Niemand zwingt einen, sich all den "Zeitstaubsaugern" auszusetzen. Es geht recht gut ohne Facebook, WhatsApp usw.
Ein erster Tipp an Ihren Bekannten: Er möge seinen "Knochen" zum Telefonieren behalten. Dann kann er ganz bewusst weiter offline sein, wenn er will. Er erspart sich auch gleich einen Teil der Datenlecks, weil sein Smartphone keine Kontaktdaten enthalten muss.
Die wichtigste Funktion meines Smartphones ist - Radio hören! Teilweise nutze ich das UKW-Radio des Teils und teils Internet-Radio. Ohne WLAN sollte es dann aber schon mindestens eine 1-GB-"FLat"rate sein.
Eine Navigations-App ist manchmal auch ganz hilfreich. Die muss aber nicht online arbeiten und dabei massenweise Daten rumstreuen. Es gibt beispielsweise diverse Apps, die mit lokalen Open-Streetmap-Daten arbeiten. Dann muss halt eine SD-Karte ins Smartphone rein.
Als Kommunikationsmedium empfiehlt sich Email: Die läuft einem nicht davon. Natürlich wird man gelegentlich auch mal etwas surfen. Dafür sollte man Ihrem Bekannten etwas Medienerziehung zukommen lassen.
ich bin 71 und möchte nie mehr "offline" sein.
Mein "Online-Leben" beschränkt sich jedoch auf die Zeiten, die ich aktiv sein WILL. Ich werde NIEMALS einen Account bei den sog. Sozialen Netzwerken haben. Youtube nutze ich nur, um z. B. Hilfe bei technischen Schwierigkeiten zu suchen (schon mehrfach erfolgreich!).
Auf meinem Smartphone werden nur Apps genutzt, die MIR helfen und nicht um irgendwelche Dienste zu bedienen. Seit Wochen beträgt mein Prepaid-Guthaben 11, xx EUR. Aber ich möchte es nicht mehr missen.
der freund wird sich nach ersten erfahrungen vlt. fragen warum er solange darauf verzichtet hat. ein bruder von lir hat sich lange gegen ein smartphone gewehrt aber findet nun immer mehr gefallen daran. es gibt auch gute dinge die man tun kann.
p. s. Das ich heute hier erster war ist pzrer zufall. ich dachte .... guggste mal obs im blog wieder denkanstösse gibt.... und bumms... passiert. der Gedankenaustausch im netz ist gut. und das sahe ich aks jemand der seinen fb Account gelöscht hat.
schönen abend
moin sven,
ja das letzte einhorn zu töten, ist ein gefühl das mehr als grummeln im bauch hervorruft.
ich selbst habe mir ein nokia 6310i besorgt um bri bedarf downzugraden.
persönlich kann ich es mir nicht vorstellen ohne die technik und das Internet zu sein. wir müssen aber allesamt aufpassen uns als mensch nicht zum Sklaven der Technik zu machen. Ich denke noxh selbst und handle selbstbestimmt. jeder neue Trend wird beobachtet und ggf. behutsam eingesetzt. es gibt manche Dinge die nur entwickelt wurden um geld zu generieren.
ich finde es gut sich schnell austauschen zu können, durch das leben sind die Familien zerstreut über gsnz Deutschland. da geht man eben nichtmal ums eck wenn muddern 1000km entfernt wohnt. telefon und videoanruf helfen da den Kontakt zu halten der früher gang und gebe war. da hat man höchstens einen ort weiter gelebt....
die dosis bestimmt das gift und auch ich schalte imme öfter das telefon ab. mein mais postfach wird 2x am tag besichtigt. zuhause renne ich ja auch nicht ständig an den Briefkasten und warte das jemand etwad einwirft. in dieser Wartezeit verpasse ich womöglich etwas spannendes im leben oder?!?!?
viele Grüße, jens
Ganz genau so. Als würde ich ein seltenes Tier in die Zirkusmanege zerren. :\ Aber wie schon gesagt, es ist seine Entscheidung und sein Smartphone ist schon bestellt. Vielleicht berichte ich mal weiter über ihn, er hat nichts dagegen.