Stellen Sie sich vor, Sie spielen ein mächtiges, grafisch anspruchsvolles Spiel – auf dem Handy, Fernseher oder Browser und ohne besondere Hardware. Alles, was Sie brauchen, ist ein Bildschirm, eine Internetverbindung und ein Controller! Genau das will Google jetzt bieten und denkt dabei im großen Stil: "Wenn wir nur 100 oder 200 Millionen Menschen erreichen, haben wir etwas falsch gemacht", meinte Googles Jack Buser vor dem Start. Man träumte von 2 Milliarden potentiellen Kunden, die irgendwann Google Stadia nutzen sollen. Gut zwei Monate ist Google Stadia jetzt am Start und die Hoffnungen auf einen großen Hype sind vergangen, zu viel ist schief gegangen!
Gerechnet wird woanders
Zuerst kurz umrissen, wie das Ganze funktioniert: Der eigentliche „Spielecomputer“ steht bei Google. Dort ist die Software installiert und Google kümmert sich um Updates und die Verwaltung der Spielstände. Möchte ein Spieler den Dienst nutzen, muss er sich vorher bei Google anmelden – und natürlich auch gleich Geld bezahlen. Den Beginn machte Google mit der sog.„Stadia Premiere Edition“ für 130€. Darin sind ein Controller (über den sich die Geister scheiden), ein Google Chromecast Ultra, für die Übertragung auf den Fernseher, und eine dreimonatige Mitgliedschaft für Google Stadia Pro enthalten, die nach Ablauf 9,90€ kosten wird. Durch die Mitgliedschaft erhalten Nutzer einige kostenlose, aber nicht mehr ganz taufrische, Spiele und natürlich den Zugang zu Stadia und dem Spiele Store. Der Kunde startet zum Spielen zunächst die Stadia-Anwendung und wählt dann das gewünschte (vorher gekaufte) Spiel aus, welches dann per Internet übertragen wird. Gespielt werden kann auf dem Fernseher (einfach Chromecast Ultra in den HDMI-Port stecken), über den Computer per Chrome Browser) oder per App auf dem Handy. Letzteres funktioniert bislang nur auf drei Google Pixel-Smartphones zuverlässig.
Keine leistungsstarke Hardware mehr nötig
Damit fällt der Kauf eines potenten Spielerechners weg, ebenso wie das ewige Updaten von Spielen und des Betriebssystems. Auch der regelmäßige Austausch von Hardware, wenn ein neues Spiel z.B. eine leistungsfähigere Grafikkarte benötigt, ist so Geschichte. Rechnet man zusammen was es kostet, einen Spiele-PC auf dem neusten Stand zu halten, kommt einiges zusammen, was man so sparen kann. Wenn, ja wenn alles so funktionieren würde, wie angepriesen. Fangen wir mit der Spieleauswahl an: Es sind noch keine 50 Titel verfügbar, Schmalhans ist hier Küchenmeister. Und selbst die verfügbaren Titel decken nicht alle Vorlieben der weltweiten Gamerschaft ab, wie in vielen Foren zu lesen ist. Assassins Creed Odyssey, Red Dead Redemption 2 und Borderlands 3 sind zwar am Start, aber die Streaming-Konkurrenz bietet deutlich mehr. Da manche Medien gleich vom „Netflix für Spiele“ schrieben – das ist schlicht falsch! Denn man kann nicht alle verfügbaren Titel einfach spielen, sondern muss sie zuerst ganz normal kaufen. Die Preise liegen dabei oftmals über Steam, Origin und anderen Quellen. Spiele, für die man bereits Lizenzen besitzt, interessieren Stadia auch nicht. Wer sie schon besitzt, hat Pech. 2020 soll dann irgendwann Google Stadia Base kommen, wo man (natürlich) weiterhin für alle Spiele zahlen muss, aber ohne Grundgebühr in HD spielen kann. Dieses Modell scheint mir für die Masse noch am ehesten erfolgversprechend.
Wunderbare Werbung, mittelmäßige Realität
Der Faktor Internetverbindung
Spielt man schnelle Spiele mit viel Action, muss das Spiel sofort reagieren, sonst ist man bei Onlinespielen chancenlos und auch als Solo-Spieler allzu schnell geschlagen. Entsprechend bekommt jeder echte Gamer erhöhten Puls, wenn mal etwas ruckelt oder eine Eingabe erst verspätet umgesetzt wird. Wer also keine gute und konstante Internetverbindung hat, wird als Spielernatur kaum mit Stadia glücklich werden. Je besser die gewünschte Qualität, desto mehr Mbit/s sind gefordert. Wer mit 60 FPS (Bilder pro Sekunde), 5.1. Surround-Sound und in 4K spielen will, braucht 35 Mbit/s oder mehr – und das ohne Wackler in der Verbindung, bitteschön! Eine LAN-Verbindung ist hier dringend angeraten, wenn das eigene WLAN nicht 1A mit Sternchen ist. Eine Stunde bedeutet, nebenbei angemerkt, glatte 20 Gigabyte Datenverkehr pro Stunde für bestmögliche Qualität, selbst bei normalem HD sind es noch 12 Gigabyte. Weder mit mobilen Daten, noch in öffentlichen Netzwerken oder z.B. in Hotels erreicht man normalerweise solche Werte, Spielen wird also weiterhin eher auf das Zuhause beschränkt bleiben. Der peppige Slogan „Play anywhere“ (überall spielen) klingt da etwas seltsam.
Presse vs. private Nutzer
Während das Echo in der Presse oftmals positiv war, liest man in Foren und sozialen Netzwerken etwas ganz anderes. Die Gamer-Gemeinde ist traditionell ein anspruchsvolles und kritisches Klientel. Dort wird von Verzögerungen im Spiel gesprochen, Bilder sind unscharf und Inhalte können erst verspätet freigeschaltet werden. 40 Tage ohne Kommunikation frustrieren die Gemeinde zusätzlich, 4K über Browser wird schmerzlich vermisst, zu wenige Smartphone-Modelle werden unterstützt und viele sprechen bereits von der Kündigung des Abos. Auch wenn Google sich mit Zahlen (wie auch in der allgemeinen Kommunikation) sehr zurückhält, wurde kürzlich publik, dass zuletzt nur 8000 Nutzer das kostenlose Destiny 2 spielten. Auch die wenigen Nutzer, deren Pixel-Handies Stadia unterstützen, wurden mit der unschönen Realität konfrontiert, dass grafisch aufwendige Spiele auf einem Handy eher bescheiden aussehen. Dafür kann Google nichts, die Erwartungen waren hier halt übertrieben. Nett als Gimmick, aber wer will wirklich z.B. die kinoreifen Weiten von Red Dead Redemption 2 auf 6 oder 7 Zoll ansehen? Dass hier „nur“ eine 1080p-Auflösung möglich ist, fällt da weniger ins Gewicht. Der Controller ist zudem ausschließlich über ein USB-Kabel mit dem PC zu verbinden, kabellos wird man nur mit dem ChromeCast glücklich. Der wird allerdings bei Übertragungen so heiß, dass sich einige Nutzer schon Sorgen über dessen Haltbarkeit machen und sich die Geräte zum Teil selbst wegen Überhitzung ausschalten. Laut Google kann nichts passieren, ausgereifte Hardware sieht jedoch anders aus.
Nicht unumstritten: Der Stadia Controller
Der Status Quo
Natürlich kann nicht alles gleich am Anfang funktionieren und der aktuelle Zustand kann als eine Art öffentliche Testphase begriffen werden – die Nutzer zahlen jedoch echtes Geld und, im Vergleich zu ähnlichen Diensten wie GeForce Now, PlayStation Now oder Shadow PC, auch nicht wenig! Wenn selbst beim milliardenschweren Primus so viele angekündigte Funktionen fehlen und über viele Tage keinerlei Kommunikation erfolgt, sind die Nutzer mit Recht frustriert. Wir sprechen hier von keinem kleinen Startup, sondern von dem Internetkonzern überhaupt. Die Auswahl an spielbaren Titeln ist aktuell noch zu gering, die Preise pro Spiel sind im Vergleich zu hoch und die angekündigten Gratis-Spiele lassen auch auf sich warten. Wie kann es sein, dass es noch keinen Voice-Chat gibt, mit dem sich Spieler unterhalten können? Wenn so etwas auf dem PC, Xbox und PlayStation seit Jahren Standard ist, kann man die Nutzer nicht einfach vertrösten. Geht man in die Foren und sozialen Netzwerke, sind die erste Euphorie und das Grundvertrauen Google gegenüber bereits gänzlich aufgebraucht. Natürlich kann Stadia noch zu einem Erfolgsmodell werden, und ganz sicher hat diese Art von Streaming auch ihre Vorteile, doch bislang ist guter Rat teuer, wie man zeitnah das Steuer herum reißen will. "Die Zukunft des Gamings ist keine Konsole", ließ Google kürzlich verlauten; Google Stadia hat es aktuell noch nicht mal in die die Gegenwart des Gamings geschafft.
Was mich interessieren würde: Wäre Spielen per Streaming (wenn denn alles funktioniert) eine Alternative für Sie?
Wenn...spiele ich lieber Konsole; die funzt auch offline. Aber manchmal fasse ich die 6 Wochen nicht an.
Wie es weiter unten bereits jemand schrieb: alles ins Internet. Stream, Streaming, Streamingtreamchen...ab einer gewissen Durchsatzmasse wird das echt ungemütlich.
Außerdem habe ich den Eindruck, das Leben sollte - wenn es nach dem Willen der Hersteller geht - nur noch aus Monats- und Jahres-Abos bestehen. Schon mal aufgefallen, dass versucht wird dieses "Adobe"-Modell permanent durchzudrücken? Da klinke ich mich dann ohnehin aus.
Nur mal als Bsp.: heute zufällig eine alte GravisRE für eine Paralleldesktop-Permalizenz aus 2011 gesehen: € 29,99, Dauerlizenz. Heute?
Wenn wir mal ehrlich sind, für wen ist das gut ?.
Für Leute die viel Zeit haben aber kein Geld. Dh. Wenn Google so präsent für die Leute da ist, wie für die Leute die sich das leisten können. Wird Google Das Geschäft machen, mit dem Slogan Billig aber viel. Denn die Masse der Verbraucher macht ja am ende das Geschäft was sich lohnt. Google kann es sich leisten die Sache langsam anzugehen und hat am Ende die Masse hinter sich. Doch Google muss auch das Ohr offen haben, für die Leute die sich heute nicht alles leisten können. Kann sich aber gewiss sein das dann alle hinter Google stehen.
Hallo Sven,
gestreamtes Zocken ich habe vor einiger Zeit auf meiner NVIDIA Shield Geforce Now ausprobiert und war... Nicht begeistert - schlechte Reaktionszeiten, also ein merkbares Delay, zudem plötzlich Klötzchen (Artefakte) im Bild wenn die Übertragung (LAN) per Internet hackt.
Ich habe es dann aufgegeben und mich meiner XBox One X zugewendet :)
Nichts für mich...
Danke für den Kommentar! Ich konnte bislang niemanden auftreiben, der das nutzt.
Hallo Sven,
ich bin ein "Konsolero" der ersten Stunde, mit dem Rückenwind der guten, alten Commodore-Zeit. Für mich gehört deshalb natürlich das entsprechende Gerät in meinem Wohnzimmer zwingend dazu. Es erinnert mich allein durch seine Anwesenheit daran, es auch zu benutzen. Ein lose in der Ecke liegender Controller wäre dazu wohl nicht in der Lage. Ich traue langsam dieser outgesourcten Technik nicht mehr. Wir verlagern immer mehr unser Vermögen in die nicht greifbaren Weiten des Internets. Wer hat denn in Zeiten von Alexa in seinem Wohnzimmer noch einen CD-Ständer mit Abspielmöglichkeit stehen? Die DVDs und Blurays verschwinden auch, seit Netflix auf Knopfdruck verfügbar ist. Aber wehe, das Internet ist mal wieder gestört, was machen wir denn dann? Nichts, ganz genau. Dann merkt man erst, wie Abhängig man sich von Anbietern oder einer bestimmten Technik macht. Deshalb bin und werde ich nie ein Freund von Cloud-Gaming, und habe trotz Alexa und Netflix noch andere Möglichkeiten. Die Playstation 5 kommt als Konsole, ebenso wie die neue XBox. Ich glaube, Google hat sich gehörig verpokert…..
Ich habe auch über 1000 CDs, eine größere DVD und Blu-Ray-Sammlung und einen Spielrechner unterm Tisch. Aber das ist meine persönliche Entscheidung, mal schauen, wie sich alles entwickelt, vielleicht sind wir irgendwann die Dinosaurier :)
Das insgesamt Online Spielen mit dafür Geld-Einsatz ist meiner Meinung nach jedenfalls immer nur persönliche Geschmackssache.
So wie auch beim jetzt geschilderten aktuellem Google Stadia.
Ganz egal welches Lebensalter das dortige „Kräftemessen“ da Hirn- oder Hardware-Ausstattung das dann betrifft - rein persönlich gesehen, mache ich da bewußt halt nix mit.
Aber Danke für die auch diesbezügliche ausführliche Hintergrund Blog-Info, was da alles so aktuell läuft.
Was Google vorhat, find ich klasse. Vorallem wenn man kein teuren
Pc kaufen muß. Doch die Spieleauswahl muß groß sein und alles sollte nicht so teuer sein. Das wäre das einzige was mich abschrecken würde. Der Preis!
Geldmacherrei nix anderes!Billiges jetzt noch teuerer verkaufen,das ist jetzt grosse Mode!!!
Man träumte von 2 Milliarden potentiellen Kunden
die glatte 20 Gigabyte Datenverkehr pro Stunde verbrauchen.
40 Milliarden Gigabyte Trafik pro Stunde !!!
Da glühen wahrscheinlich nicht nur die die ChromCast
sondern auch der eine oder andere Netzwerkknoten.
Gut das es nicht so gekommen ist.
Das wäre schon eine gewisse Herausforderung geworden. :) Und wenn ich daran denke, wie viele selbst in Großstädten abends kaum auf 15 Mbit/s kommen und das Netz oft auf dem Land ausgebaut ist... Allzu viele dieser 2 Milliarden sitzen wohl nicht in Deutschland.
Wie mein Vorredner bin ich auch älter und habe mit dem spielen aufgehört, als das mit "Steam" anfing.
Ich halte gar nichts davon, praktisch unter Kontrolle zu spielen und ständig eine Internetverbindung aufrecht zu halten. Und schon gar nicht mit Google! Die meide ich wo es möglich ist!
Wobei ich sagen muss, das mein spielefähiger PC, abgesehen von Updates, immer offline ist, da ich nur mit dem Laptop surfe. Und der ist eh nicht, für z. B. Shooter, ausgelegt.
Habe selber Google Stadia auf meinem uralt PC laufen und bin voll zufrieden. Stadia ist meiner Meinung für Leute gedacht die Spiele wenn es auch nicht die neusten sind zuspielen ohne 3000€ für einen PC aus zugeben daß Metro flüssig läuft.
Sehr interessant, Danke für den Kommentar! In meinem Umkreis haben auch ein paar Leute zugegriffen und sind eher mittelmäßig zufrieden. Das sind aber echte Freaks, die sind beim Spielen sowieso selten zufrieden. :)
Spielen hat bei mir generell keinen Vorrang, ansonsten hätte ich gar nichts gegen Spielen via Streaming.
Irgendwie wundert mich der Flop nicht, hier hat Google nicht quick and durty, sondern durty and quick gearbeitet - Hauptsache die Nase vorn (auf die selbige sind sie offensichtlich ja jetzt gefallen!).
Außerdem bin ich generell (noch?) nicht bereit, für Spiele zu bezahlen.
Google Stadia - nie von ihr gehört... Hab ich Glück, dass ich alt bin und dass mir die Microsoft Solitaire Collection genügend Hektik bringt :-))
Falls ich doch mal was anderes spielen will, das Zeug war bei mir zu Hause, ist bei mir zu Hause und wird es wohl auch bleiben. Ich halte prinzipiell nichts davon, Software zu mieten und was anderes als mieten ist das Google-Dingens auch nicht.