Sehe ich meinen Freund Frank vor seiner Stereoanlage knien, liegt etwas Kultisches in der Luft. Spielt er dann etwas vor, verlangt er absolute Ruhe und Konzentration. Stunden kann er über Lautsprecher-Kabel, Transistoren oder Abbildungsbreite sprechen. Will man ihn hingegen zum Schweigen bringen, reicht ein Begriff: MP3. Dann bekommt sein Gesichtsausdruck etwas Leidendes, er sucht nach Worten und lässt resignierend die Schultern sinken. Weshalb dieses Format für ihn das Ende der Musik und für viele den Anfang der Musik-Sammlung darstellt, lesen Sie hier.
Mit dem Beginn der Musik auf Computern begann ein wahrer Weltlauf der Formate und Entwickler. Es waren vor allem zwei Dinge knapp – Speicherplatz und schnelle Internetverbindungen. Wer in jenen Jahren mit einem 14.4-Modem unterwegs war, lernte buddhistische Genügsamkeit beim Laden von Medien. Unkomprimiert belegt Musik jedoch ca. 10 MB pro Minute Laufzeit, wer wollte so lange warten und dazu noch (in Zeiten vor der Flatrate) für jede Online-Stunde zahlen?
Also mussten die Dateien kleiner werden, das Ziel war maximale Komprimierung. Komprimieren heißt in diesem Zusammenhang: Details der Songs möglichst unauffällig auslassen oder kaschieren, man spricht hier von verlustbehaftetem Format. In eingehender Forschung Ende der Achtziger / Anfang der Neunziger wurde versucht, möglichst unhörbar Frequenzen (und damit Daten) wegzulassen oder nur anzudeuten, ohne den Gesamteindruck zu verderben. Die Psychoakustik trat auf den Plan und es wurde eingehend untersucht, was der Mensch (über)hört. Zum Beispiel: Wenn die Posaunen erschallen, hört der Mensch noch die leisen Geigen im Hintergrund? Oder reicht es, sie ungenau und damit datensparend anzudeuten? Wie genau müssen Töne überhaupt dargestellt werden, wie exakt unterscheidet das Gehör? Können für den Menschen unhörbare Frequenzen komplett beschnitten werden?
Er bläst ins Saxophon - doch was hören wir davon?
Um das zu verwirklichen, wurden Algorithmen entwickelt, die das Original sampelten und ausließen / vereinfachten, was aus psychoakustischer Sicht überflüssig war. Je höher die Sampling-Rate (wird in Kilobit pro Sekunde angegeben), desto mehr Informationen werden vom Original übernommen, desto hochwertiger (aber auch größer!) ist die Datei. Dabei geht bei z.B. bei MP3 die Bandbreite von 8 kbps (unterirdisch) bis zu 320 kbps (praktisch das Original). Bei einer Qualität von 192 kbps ist oftmals kaum ein Unterschied zur Quelle zu hören – und dennoch werden 87 % des Platzes eingespart. Genau das war das Ziel mehrerer konkurrierender Produzenten von Sound-Formaten.
MP3 galt damals bei vielen als bester Kompromiss zwischen Dateigröße und Soundqualität und war schnell zum Maß aller Dinge geworden. Dabei wurde es zuerst von den großen Herstellern abgelehnt, die lieber eigene Standards auf dem Markt etablieren wollten und sich (natürlich) immer gerne die Lizenzkosten sparen. Das Fraunhofer-Institut, federführend bei der Entwicklung des Formats, ging einen ungewöhnlichen Weg – es eroberte direkt den Kunden und baute so Druck auf die Industrie auf. Mit Software für den Endverbraucher etablierte sich MP3, bis die Hersteller akzeptierten und die ersten MP3-Geräte, meistens tragbare Player, in Umlauf brachten. Autoradios, Smartphone und viele mehr folgten.
In meiner Vorstellung dauerte es genau 0,1 Sekunden nach dem Erscheinen von MP3, bis der erste Audio-Enthusiast empört aufschrie. Denn wo etwas beschnitten wird, müsse doch der Musik-Genuss leiden, Künstler würden ihres vollen Ausdrucks beraubt, so klagten die Hi-Fi-Fans. Und in der Tat, besonders bei niedrigen Bitraten (z.B. 64 kbps) hört man es sofort, komplexe Musik wie Klassik ist auch bei 128 kbps kein wirklicher Genuss, mancher Popsong klingt hingegen schon recht passabel. Der Kritikpunkt ist häufig eher generell: Selbst wenn eigentlich unhörbare Töne ausgelassen werden, wirkt die Musik anders und ist entsprechend unvollständig. Der Mensch höre nicht nur Musik, er fühle sie auch. Und in der Tat ändert sich nicht nur das Hören, sondern auch die Musik. Besonders im Pop-Bereich geben manche Macher offen zu, Musik auch so reduziert zu produzieren, dass sie sich auch komprimiert gut anhört. Also eine Art Rationalisierung der Kunst, na prima.
Kann es wirklich sein, dass sich die Musik Dateiformaten anpasst? Dabei ist MP3, so sind sich Experten einig, heute zwar sehr weit verbreitet, aber nicht mehr die beste Alternative. Verlustfreie Formate wie FLAC oder das Apple-Format ALAC ermöglichen eine ordentliche Komprimierung bei verlustfreien Sounds, AAC und OGG bieten im Vergleich Größe / Qualität bessere Ergebnisse. Dennoch gehört MP3 nicht zwangsweise zum alten Eisen, denn es wird weiter entwickelt, an den Algorithmen gebastelt und Standards wie Dolby 5.1 eingebaut. Vielleicht gehen mit weiterer Forschung die Musik und das Dateiformat MP3 doch noch eine harmonische Ehe ein – auch für meinen Freund Frank. Auch wenn er das nie zugeben würde.
Anmerkung des Autors Die Redaktion macht eine kurze Pause und ist zum nächsten Montag wieder im Büro. Bitte sehen Sie es uns nach, wenn die Kommentare nicht gleich freigeschaltet werden.
Danke für die Darstellung !
MP3 is NOTHING.
It's only for somewhone how can only excapt noise, not really music.
Am Ende schreibt der Autor "..es wird weiter entwickelt, an den Logarithmen gebastelt..". Wenn er nicht weißt, das es "Algorithmen" heißen soll, hat er sich sowieso disqualifiziert. Diese hifi Diskussionen sind oft übertrieben, die Leute hören die Technik, und nicht die Musik
Ist korrigiert, war ja sogar ein Anagramm. Und ja, ich mache auch mal Fehler. :)
@Sven Krumrey
Musik-Gourmet, ja das konnte man damals sagen, hat mich auch eine Stange Geld gekostet. Habe noch viele Platten von Klassik bis Modern. Der Clou aber war, Quadrophonie, also 4 Kanal, Platten, Abtastsystem, entsprechenden Verstärker usw. usw. Hat sich aber leider nicht durchgesetzt. Heute, bin 74 Jahre, hatte ich vor 3 Jahren Pech, Sylvester, Balkon, Rakete, Bumm vor meinem Kopf und die Ohren fast taub. Inzwischen höre ich wieder recht gut, nur bestimmte Töne klingen blechernd. Also Musik-Gourmet, nichts ist mehr.
Mit freundlichen Grüßen, bis zum nächsten Mal wieder ...
Es gibt heute noch einige Bands, die live mit Quadrophonie arbeiten (wie z.B. die Niederländer Kong) und auch quadrophonisch verteilt auftreten. Ein höchst faszinierendes Erlebnis.
Sehr geehrter Herr Krumrey,
ihr Freund Frank spricht mir aus der Seele, es geht nichts über Vynil, in den Varianten , die dann aus der technischen Ausstattung wachsen und auch verändern (Plattenspieler,
Tonabnehmer, Verstärker und Lautsprecher.)
Sogar Tape ist nach meiner Auffassung deutlich besser als schlechte MP3 Qualität (Auch ein Compi mit externer Platte hängt an meiner Stereoanlage.) Aber erklären Sie das mal meinem 25 jährigem Sohn, der betont : "ich hör da keinen Unterschied und Muke übers Netz klingt mindestens genauso Gut wenn nicht Besser,weil da knackt und rauscht nix,"
Vieleicht kommt die Anforderung ans Hören darauf an, mit was man Hören lernt ?.
freundlich Grüße J.Pförtsch.
Ja mei, alles hat seine zwei Seiten. Wenn ich beim Autofahren Musik höre, dann gehts doch nur um angenehme Unterhaltung,
und bei dem schlimmen Rausch-/Nutzungssignalverhältnis tut's sogar noch die alte Kasette.
Will ich aber Musik genießen, schönen Klängen lauschen (wie z.B. immer Sonntag Vormittag im SWR4), dann bedarf es schon mehr Aufwand. Und das geht eben per Sender nur digital und neben DAB nur per Satellit. Was haben diese an kbps zu bieten?
MP3 mit hohen Bitraten, AAC, FLAC oder ... ??
Für einen wahren Klassik-Liebhaber gibt es nur EIN Format - und das heißt LIVE:
Der Klang eines guten Orchesters in einem Konzertsaal oder der von guten Sängern in einem Opernhaus ist durch keine Technik zu erreichen, geschweige denn zu toppen!
@heinz juergens, Vor- und Entverstärkerröhren wird es immer geben. denn kein Gitarrist wird auf seinen Röhrenverstärker verzichten.
Hallo!
Ohne wenn und aber, MP3 ist wirklich nur für kleine mobile Geräte, aber nichts für ein Stereoanlage.
Das Klangvolumen ist gedrückt und die Feinheiten, besonders bei Klassik, sind einfach nicht da, oder verzerrt.
Wenn ich ehrlich bin, bevorzuge ich sogar für die Hi-End-Verstärkung noch eine mit Röhren und 2X100 Watt und Trafo auf 4 Ohm Ausgang. Bald gibt es aber keine Röhren mehr und wenn mein kleiner Vorrat weg ist, nun ja ...
Benutze auch noch Plattenspieler mit einem Shure-System der damaligen Spitzenklasse.
Das ist halt Musik!
Das klingt nach einem Musik-Gourmet. :)
Gewiss klingt die CD seit jeher etwas kälter als Vinyl, aber die Vinyl-Enthusiasten scheinen die Nachteile von Vinyl zu vergessen, z.B. die Abnutzungsgeräusche gegen Ende der Platten schon nach mehrfachem Abspielen, und dass Vinyl allzu leicht versehentlich verkratzt wird.
MP3-Dateien höre ich nur nach eigener Umwandlung mit 320 Kilobits/s über die Stereoanlage und USB; der benötigte Speicherplatz ist vergleichsweise gering, und meinen Ohren fällt kein Unterschied zu WAV-Dateien auf. Die neuzeitliche Barbarei besteht m.E. eher im Streaming mit geringen Bitraten und in den ärmlichen Bluetooth-Übertragungen.
Herr Trepzik hatte das Knistern ja schon erwähnt. :) Es ist immer höchst subjektiv, wie man Musik genießt, man verzeiht ja in einer Liebe einiges. Ich höre auch keinen Unterschied zwischen 320 kbit und Original. Lustig wird es, wenn dann auch noch Menschen behaupten, sie könnten es sogar über 12,50 € PC-Lautsprecher ohne Probleme unterschieden.
MP3 hat seine Vor- und Nachteile. Der größte Vorteil ist die Komprimierung der Musikdatei, was für mich sehr gut ist, da wir oft mit dem Auto unterwegs sind, und Schallplatten schlecht abhörbar sind. Es soll zwar so etwas geben, das Nonplusultra ist es nun nicht gerade. Der negative Punkt für mich ist die schlechte Akustik bei geringer Bitrate.
Für mich sind Schallplatten der wahre Genuss. Es ist nicht nur der Klang der mir gefällt ,das Ganze Drumherum hat etwas Herrliches und wenn es nur die Bewegung der Nadel auf dem Plattenteller ist oder das leichte Knister.
Vinyl hat schon eine gewisse Magie, das stimmt. :) Allein die Größe des Covers, die A - und B-Seite, das Auflegen.... Das ist etwas anderes, als 14 GB Musik auf einen USB-Stick zu packen und dann 2 Wochen Musik durchlaufen zu lassen.