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Weshalb ich gleich mal das Handy abschalte

Irgendwo auf dem platten Land schaute ich auf mein Handy und war - ich mag es kaum schreiben - offline. Keine dienstliche Mail konnte mich erreichen, was meine Freunde auf Whatsapp plauderten, blieb mir verborgen und auch der Blog war weit weg. Mit zuerst gemischten Gefühlen ließ ich den Blick schweifen, sah Kühe, Windräder, den grauen Horizont und sonst keine Menschenseele. Keine Vibration würde eine neue Nachricht ankündigen, kein feines Ping wichtige Nachrichten aus der Firma. Allein, offline, nur der Wind im Gesicht und ein unerwarteter Frieden.

Zu viele Informationen für nur einen Kopf

Was für einige von Ihnen Normalität sein dürfte, ist heute im Berufs- und Privatleben vieler Menschen eine seltene Ausnahme. Ob man sich mit Freunden spontan treffen möchte, beruflich schnell reagieren muss oder die Familie kurz noch die Fotos vom letzten Geburtstag teilen möchte, das Handy meldet sich konstant. Reagiert man nicht, erntet man Unverständnis. Aus dem typisch mütterlichen Du rufst ja nie an, ist ein anklagendes Ich habe dich mehrfach vergeblich auf dem Handy angerufen. Lebst Du noch? geworden. Als sei man mit einer Nabelschnur damit verbunden. In den Firmen hat sich auch Grundlegendes geändert. Während man früher die Tür hinter sich schloss und Feierabend hatte, bringen ständiger Zugriff auf Mails und Systeme nun neue Verpflichtungen mit sich. Hat der Interessent aus Taiwan geschrieben? Das sind dann die Momente, wo die Globalisierung dem Berufstätigen in den Hintern beißt. Solche Gedanken verleiten, noch kurz vor dem Schlafengehen in die Mails zu schauen und vielleicht doch noch zu antworten.

Auch in der Freizeit wird straff durch genervt. Egal, ob der Wecker summt, um an etwas zu erinnern, vielleicht Medikamente anstehen oder jemand Geburtstag hat, es ist niemals wirklich Ruhe. Ein besonders irres Phänomen sind neuerdings Apps, die dem Nutzer eigentlich gut tun sollen. Quasi eine Wellness-Beraterin als kleines Programm. Die melden sich dann alle paar Minuten bis Stunden, um dem Nutzer trink Wasser oder schaue auf etwas Schönes und freue Dich darüber zu empfehlen. Mich würde das deutlich weniger entspannen, muss ich zugeben. Hat man dann noch die News, Fußballergebnisse oder Wetterwarnungen aktiv, kann man sich über ein lustiges Dauerfeuer von Signalen erfreuen. Ein Kollege, der sich anscheinend sämtliche Wintersportergebnisse der Welt schicken lässt, läuft praktisch vibrierend durchs Leben. Es scheint keine reine Frage des Alters zu sein, auch in Ehren ergraute Zeitgenossen frönen der Sucht.

Nur noch kurz in die Mails schauen

Dabei müssen nicht Langeweile oder der Drang, besonders zeitgemäß zu wirken, die Gründe sein. Mancher schaut aus professionellem Pflichtbewusstsein, um mit Freunden und Familie Kontakt zu halten oder damit er in einer komplizierten Welt gut informiert ist. Zuerst sehen das alle gerne, wenn man schnell ein "Wunderschön!" auf das Kinderbild der Nichte antwortet, noch fix die Frage eines Kollegen klärt und für die Wochenend-Planung schon alle Termine parat hat. IT-Größen wie Apple, Google und Microsoft geben uns Assistenten an die Hand, die uns an alles erinnern, durch den Verkehr leiten und uns die günstigste Tankstelle zeigen. Wenn man dann abends im Bett liegt, alles erledigt und nichts vergessen hat, ist doch alles gut, oder?

Nein, jedenfalls nicht auf Dauer. In mancher Firma, wo ich gearbeitet habe, gaben sich die Kollegen mit Magengeschwüren, Tinnitus und Burnout-Syndrom die Klinke in die Hand. Andere hatten kaum Zeit für Hobbys oder kannten nicht die Stadt, in der sie lebten. Und das waren keine gehetzten Typen, die schnell Karriere machen wollten, sondern ganz normale, motivierte Zeitgenossen. In solchen Momenten wird man nachdenklich. Ich musste mir eingestehen, beim Duschen im Halbschlaf schon an Marketing-Texte zu denken oder samstags bis morgens um 2 Uhr Kommentare freigeschaltet zu haben. Nicht, weil ich es müsste (eher im Gegenteil, es wird gar nicht gerne gesehen), sondern weil es mich beschäftigt. Weil ich auf meinem Handy die dienstlichen Mails habe und weil ich interessiert daran bin, was Sie hier kommentieren. Aber ist das alles so richtig?

Die Weite, um den Kopf frei zu bekommen

Und so werde ich nun gleich mein Handy ausmachen. Ich werde abends keinen Kommentar freischalten (sehen Sie es mir nach!), sondern einfach so leben, wie es vielleicht meine Großeltern getan haben. Okay, mit weniger Rum im Tee als sie früher, sonst wird der Abend kompliziert. Vielleicht lese ich ein Buch oder fahre ans Meer, wo mir der Wind um die Nase weht und tanke Energie. Der Computer wird unbenutzt in der Ecke stehen, selbst die Nachrichten-Sendungen werde ich meiden, die Welt dreht sich morgen bestimmt immer noch. Den Versuch ist es wert.

Und nun meine Frage an Sie: Was bedeuten Handy, Computer und Co für Sie? Ist moderne Technik für Sie nützliches Werkzeug, ständiger Lebensbegleiter oder einfach nebensächlich?

Anmerkung des Autors Mein Chef hat mir nachts um 2 Uhr geschrieben, dass er den Text gut findet. Ich frage ihn mal, ob er ihn auch verstanden hat. :)

Landschafts-Bild von Sandra Roeken / SkeeterPhotoArt

33 Kommentare
Seite 2 von 2
  • r

    Ich verstehe das ganze Problem nicht.

    Mein Handy ist ein Notfall Handy, hat ca 40 Euro gekostet. Ich habe es nur in der Tasche wenn ich außer Haus bin für den Fall daß ich unterwegs - ich bin gehbehindert - ein Problem habe und Hilfe brauche. Sollte mich jemand anrufen oder eine SMS (ja, was anderes kann mein Handy nicht) höre ich es unterwegs ohnehin nicht da es in der Tasche ist. Außerdem habe ich keine Hand frei da ich an Krücken gehe.

    Es hat lediglich den Zweck für mich eine Sicherheit zu sein daß ich jederzeit Hilfe holen kann wenn nötig und nicht damit mich gelangweilte Mitmenschen jederzeit und überall erreichen können. Aber solche Menschen sind ohnehin nicht in meinem Freundeskreis.

    Mein erstes Handy bekam ich 1995. Jetzt habe ich das vierte. Und das auch nur weil irgendwann Ersatzakkus teurer sind als ein neues Handy. Es ist mir nicht nachvollziehbar warum alle paar Monate ein neues braucht. Es wird lediglich überflüssiger Sondermüll produziert. Bei mir werden Dinge dann ersetzt wenn sie nicht mehr funktionieren.

    Für Fotos habe ich eine Kamera. Für alles andere einen Computer. Wo ist der Sinn eines Tablets? Es kann nicht telefonieren und ein PC ist es auch nicht. Also ist es überflüssig wie Zahnweh.

    Wo ist der Sinn eines Smartphones? Was ist denn so smart daran? Daß sich jeder Nutzer verfolgbar macht, mit jedem Schritt Spuren hinterläßt und Dinge über ihn gespeichert werden über die er sich nicht mal im Klaren ist?

    Was war die Zeit schön bevor es Handys gab. Man wurde in Geschäften, auf der Straße, im Zug nicht gezwungen die allerpersönlichsten Gespräche mit anhören zu müssen. Fußgänger haben noch geguckt wo sie hin liefen ohne andere umzurennen, Mütter haben sich noch mit ihren Kindern im Kinderwagen beschäftigt anstatt auf ihr Phone zu starren. Wir haben auch an der Tür des Freundes geklingelt wenn wir ihn/sie zum Spielen abgeholt haben. Heute steht man vor dem Haus und ruft an oder schickt eine Nachricht.

    Kinder sind früher auch nicht verloren gegangen, auch wenn man sie nicht ständig anrufen konnte bzw. mit Apps verfolgen konnte wo sie waren. Unsere Kinder haben noch draußen gespielt, sich schmutzig gemacht und aufgeschlagene Knie gehabt. Und sie konnten bei der Einschulung Stifte halten. Heute hat ca ein Drittel aller Schulanfänger motorische Probleme weil sie schon seit frühestem Alter irgendwo drauf rum wischen anstatt Bilder zu malen o.ä.

    Alles im Namen des Fortschrittes? Sicher brauchen wir Fortschritte sonst bleiben wir stehen. Aber ist es ein Fortschritt seine Mails im Supermarkt zu lesen oder während des Wartens an der Kasse andere über ihr Liebesleben informieren zu müssen?

    Ist es Fortschritt sich für so wichtig zu halten rund um die Uhr erreichbar zu sein? Für wen und wofür denn? Ich bin so wichtig daß ich es mir leisten kann mein Handy in der Tasche zu lassen und es nicht zu hören.

    Es gab Zeiten da hat man Freunde persönlich getroffen anstatt anstatt sich auf FB zu unterrichten daß man jetzt kochen geht, die Wäsche aufhängen oder ähnlich wichtige Dinge tut. Nein, ich habe kein FB Konto. Man war auch nicht so unhöflich im Restaurant oder bei Familenfeiern sich nur mit seinem Phone zu beschäftigen als mit den anderen Menschen am Tisch.

    Ok, ich gebe zu ohne PC geht es nicht. Es ist mein Tor zur Außenwelt und ich arbeite am PC. Skype ist hilfreich mit Freunden (echte Freunde, die man auch persönlich kennt) und Familie auf der ganzen Welt zu sprechen und sich sehen zu können. Emails schreiben wir uns kaum, wir reden miteinander. Aber bin ich dem PC hörig? Nein.

    Jeder fünfte 15jährige hat zumindest teilweise schlechte schulische Leistungen, insbesondere in Deutsch und Mathe. Ey Alter.. kommst du Bahnhof oder hast du Auto... Wundert das jemanden wirklich? Mich nicht. Welchem Kind wird heute noch vorgelesen? Wird heute in der Schule noch richtig gelesen, also laut vorgelesen? Bei uns war das noch so. Dafür haben Kinder ja keine Zeit, sie sind ja mit ihrem Handy beschäftigt. Wofür brauchen Kinder bitte Smartphones? Wofür brauchen sie überhaupt Handys?

    Leute, da draußen ist Leben, nehmt dran teil.

    Kinder, geht raus spielen, macht euch dreckig, lest Bücher.

  • B

    Den jetzten Absatz finde ich gut. Ich selbst habe kein Smartfon sondern nur ein Klapphandy zum telefonieren wenn ich in Not bin.

    Ich hätte noch eine Verbesserung für Alle die an telefonitis leiden.

    Nur ein Handy (ohne Internet) einstecken und diese Nummer nur

    der Ehefrau oder Mutter mitteilen mit der Auflage diese nicht weiter zugeben.

  • P

    Diesem Stress,ständig ans Handy gehen zu müsssen,setze ich mich nicht mehr aus.

    Ich gebrauche es auch nur dann,wenn es wichtig ist und kein Festnetz zu nutzen ist.Internet Facebook und Whatsapp,nutze ich weder am PC noch am Handy!

    Ich finde es auch nicht gut,wenn im Auto,oder auf dem Fahrrad telefoniert wird.Auch wenn jeder,sogar Kinder morgens schon nicht achtend auf den Verkehrt schon mit dem Handy in der Hand,blind dursch die Gegend läuft.

    Vllt.haben unsere Nachkommen,bei der Geburt schon einen Klettverschluss an der Wange,damit sie Ihr Handy nicht mehr festhalten müssen!!!

  • K

    Ich brauche ein Handy nur, wenn ich über das Festnetz nicht

    anrufen kann. Zu den anderen neumodischen Kram brauche ich

    kein Smartphon und ähnliches.

    In einigen Jahren werden die Menschen durch die entstehenden

    Strahlen und Eletrosmog die bösartigsten Krankheiten haben und evtl. daran sterben.

    Der Artikel von Sven Krumrey spricht mir voll und ganz aus dem Herzen.

    In mehreren Jahren werden die Menschen verblödet sein

  • C

    Es nervt schon genug, täglich an die 50 sinnlose emails zu erhalten. Bei whatsApp nimmt das ebenso zu. Ich nehme mir das Recht, nur aufs handy zu schauen, wann ICH will, und andere - auch die Firma - sollen das akzeptieren.

  • H

    Ich bin "gebürtiger" Techniker. Mensch ohne Technik ist evolutionsgeschichtlich nicht möglich. Ohne Faustkeil und Rauchzeichen würden wir noch auf Bäumen sitzen und uns von Blättern ernähren. Alles was danach kam und noch kommt ist reine Evolution - also auch unsere modernen Medien der Nachrichtentechnik. Maschinenstürmer gab es schon immer. Entscheident ist, wie sich das Individium Mensch dazu verhält. Und da hat jeder eine eigene Nase an die er sich fassen kann und sollte. Nicht sagen, die anderen haben schuld oder sind die Ursache. Für die 'Anderen' bin nämlich ich der 'Andere', also bezichtige ich mich schließlich selbst. Mein eigenes Verhalten entscheide letzten Endes ich. Auch bei sogenannten äußeren Zwängen, denen wir gewissermaßen alle unterliegen.

    In vielen Firmen wird auch massiv Druck ausgeübt (zum Glück nicht bei uns) und eine fortwährende Erreichbarkeit von den Mitarbeitern gefordert. Dort ist dann die individuelle Wahl letzen Endes, ob man den Job behalten möchte oder nicht. Aber besonders im Freizeitbereich haben sie absolut recht, hier sollte man überdenken, was man wie dosieren möchte. Danke übrigens für das schöne "Maschinenstürmer", ein sehr feines Wort. :)

  • G

    Mein Rat Herr Krumrey: Tun Sie genau das, was Sie im vorletzten Absatz beschrieben haben, auch wenn's manchmal schwerfällt. Seit ich (vor etwas mehr als einem Jahr) aus dem aktiven Berufsleben raus bin, vergehen morgens mindestens zwei Stunden, bevor ich meine Mails checke. Und an manchen Tagen tu ich dies überhaupt nicht. Das Handy wird nur benutzt, wenn es unumgänglich notwendig ist. Der Anrufbeantworter (Festnetz) ist abgeschaltet nach der Devise: Wer mir etwas Wichtiges zu sagen hat, ruft auch ein 2. oder 3. Mal an. Facebook & Co werden beharrlich ignoriert, dafür öfter persönliche Kontakte gepflegt.

    Seit ich dies konsequent tue, ist meine Lebensqualität um einiges höher. Fazit: Moderne Technik ist nützliches Werkzeug und dabei sollte es bleiben.

  • K

    Ich bin selbständiger Produktioner. Mein Handy liegt nachts im Garderobenschrank und tagsüber während Kundenterminen im Auto.

    Ich bestimme, wann ich rangehe. Nämlich beim Aldi an der Kasse und in Gesprächen nicht. Schließlich habe ich eine Mailbox.

    Mails bekomme ich nicht aufs Handy, sondern daheim aufs Tablet bei meiner Frau. Die gibt mir bei Wichtigem Bescheid.

    Übrigens steht für Notfälle meine private Nummer auf der Visitenkarte. Hat bisher noch nie jemand angerufen..

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