Für 80 € bekommt man doch kein vernünftiges Handy! Wirklich nicht?
Mit dem Artikel über das XIAOMI RedMi Note 2 war mein Ehrgeiz geweckt. Ein Oberklasse-Handy für 150 € war ja nett, aber geht das nicht noch billiger? Wer braucht wirklich die volle Leistungsfähigkeit eines solchen Handys? Also machte ich mich für Sie auf die Suche und wühlte mich ein letztes Mal durch Berge von Tests in den Untiefen der Billig-Handys. Mein Suchprofil war: scharfes Display mit 5 Zoll Minimum, recht aktuelles Betriebssystem (ab Android 5.1), gute Performance, nicht mit Werbesoftware vollgestopft und natürlich ohne Vertrag. LTE und Full HD Display habe ich mal außer Acht gelassen, denn das schien mir für einen Preis deutlich unter 100 € (meine letzte Vorgabe!) nicht wirklich realistisch.
Die erste Erkenntnis: Die etablierten Marken kann man für ein solches Mini-Budget ziemlich vergessen, also geht der Blick wieder Richtung Asien, wie schon beim letzten Test. Nach langem Für und Wider zuckte mein Bestellfinger beim Cubot Note S für ganze 75 €. Hier schien mir das Gesamtpaket zu passen, die Tests waren recht erfolgversprechend, also wartete ich eine Woche gespannt auf meine Lieferung.
Beim Öffnen des Pakets fällt mir etwas Überraschendes auf – nichts! Ich hatte mit üblen Plastikdämpfen, herumfliegenden Kleinteilen oder sonstigen Anzeichen des Extrem-Billig-Bereichs gerechnet, aber hier ich finde ein durchschnittlich aussehendes 5,5 Zoll Handy vor, 9 mm dick und mit ca. 190 g vielleicht etwas schwerer als gewünscht, aber kein Wackerstein in der Tasche. Wer sich fragt, ob es groß ist – 5,5 Zoll sind nah am Tablet. Das simple Design wird kaum im Louvre landen, aber rechnet damit jemand in diesem Preis-Segment? Ansonsten ist alles sauber verarbeitet, nichts wackelt oder knirscht, das Ladekabel und ein englisches Handbuch sind auch dabei. Nun gut, also erstmal die potthässliche Schutzhülle entfernt und die erste Überraschung: Hier kann man den Akku tauschen! Nette Sache und bei weit teureren Handys leider allzu häufig nicht möglich. Im Inneren finden zwei Sim-Karten plus eine SD-Speicherkarte ihren Platz, sehr gut.
Nach dem Start mit passendem Cubot-Logo erwartet mich ein Android 5.1. ohne auffallende Änderungen durch den Hersteller. Also kein Schnickschnack, sondern ein solides System, bei dem man nur etwas an den Icons gedreht hat – in China will wohl jeder Hersteller irgendwie Apple sein. Was auffällt: Das Display ist ziemlich gut, vor allem für den Preis. Mit 1280 × 720 Pixeln erreicht man immerhin die Auflösung von einfachem HD, es leuchtet satt und klar. Im Gegensatz zu vielen günstigen Mitbewerbern bietet man einen Touchscreen, der 5 Punkte gleichzeitig erfasst (und das recht schnell und genau), nicht zwei. Ganz logisch sieht es nicht so prächtig aus wie z.B. auf einem aktuellen iPhone, aber das kostet ja bekanntermaßen auch ein Vielfaches.
Nachdem ich schnell ins WLAN gelange, wartet gleich ein umfangreiches Update auf mich. Das heißt Warten – aber es lohnt sich. Nachdem einige Nutzer vorher Probleme mit ihren Telefon-Anbietern hatten, legte Cubot schnell nach, regelmäßige Updates scheinen im Service mit enthalten zu sein. Das kenne ich von einigen großen Handy-Firmen, die sich selbst bei großem Ärger über Monate kaum rühren, ganz anders. Beim ersten Ausprobieren reift die Erkenntnis, dass vier Kerne (ein MT6580-Quadcore mit je 1,3 GHz) als Prozessor eigentlich auch locker ausreichen, wenn 2 GB Arbeitsspeicher zur Verfügung stehen. Wer die neuesten 3D-Spiele zocken will, wird hier sicher nicht glücklich, aber Surfen, Filme in HD schauen, Whatsapp und Co laufen ohne nervige Wartezeiten oder Ruckeln. Also kein Rausch der Geschwindigkeit, aber durchaus angenehm.
Bei der Kamera bemerkt man - dann doch - den Preis. Mein erstes Selfie war reif fürs Gruselkabinett, kurzer Check im Spiegel – Glück gehabt, es liegt an der Front-Kamera. Bei der Kamera an der Rückseite erlebt man solides Handwerk. 5 Megapixel mit Samsung-Technik und ein Blitz lassen bei guten Lichtverhältnissen vernünftige Bilder zu, als Ersatz für den Fotoapparat im Urlaub kann ich es nicht empfehlen. Wie bei fast allen Handys: Wird es dunkel oder herrscht Kunstlicht, ist es vorbei mit der Kunst, es wird verrauscht und künstlich. Wer bei Cubot auf die Idee kam, als Standard-Einstellung 9 MB (interpoliert, also künstlich hochgerechnet) zu nehmen und sie auch in der Werbung zu nennen, er möge sich schämen. Also gleich auf 5 MP umschalten, dann geht auch mit den Fotos. Etwas ärgerlich: Der Autofocus ist manchmal unschön langsam.
Im Alltag zeigen sich Freud und (weitgehend erträgliches) Leid. Der Akku, häufig Achillesferse günstiger Handys, ist nach ein paar Ladevorgängen richtig gut! 4150 mAh sind vom Hersteller angegeben und halten bei normaler Nutzung durchaus 2 bis 3 Tage, beeindruckend für diese Preisklasse. Telefonieren und mobiles Netz sind völlig in Ordnung, Abbrüche oder gar Abstürze habe ich nicht. LTE ist allerdings nicht möglich, leidenschaftliche Highspeed-Surfer sollten also Abstand halten. Mit 16 GB Speicher ist das Handy recht gut ausgestattet, wer mehr braucht, erweitert mit einer SD-Karte, meine 32 GB wurden anstandslos geschluckt. Bluetooth stellt kein Problem dar, WLAN-Abbrüche hatte ich auch nicht, schmerzlich fehlt mir nur eine Benachrichtigungs-LED, die man sich leider gespart hat.
Bei einem Fazit muss man natürlich den Preis im Hinterkopf haben, denn hier werden keine Geschwindigkeitsrekorde gebrochen, es gibt keine preisverdächtige Kamera und auch kein LTE. Dieses Handy ist ganz sicher kein Statussymbol zum Herumzeigen und so aufregend wie ein Sonntagnachmittag auf dem Sofa. Was man aber bekommt, ist ein verdammt günstiges Handy, das voll alltagstauglich ist und einen grundsoliden Eindruck macht. Wer an sein Handy keine hohen Ansprüche an die beschriebenen Kritik-Punkte stellt, ein Zweithandy braucht, Anfänger oder Wenig-Nutzer ist, hier kann man einige Euro sparen.
<strong>Anmerkung des Autors</strong>
Ich bekomme keinerlei Prozente, Gratisprodukte, Rückenmassagen oder unmoralische Angebote von den Firmen, die ich hier erwähne. Schade eigentlich!
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