Intel vs. AMD: Die Karten sind neu gemischt!
Jeder große Konzern braucht seine Konkurrenten, oder wenigstens den einen Erzfeind, damit aus einem Produkt eine erzählenswerte Geschichte wird. Intel ist seit vielen Jahren Primus bei den Chip-Entwicklern, zum ersten Mal seit 2006 droht der Halbleiter-Spezialist nun jedoch gegen die AMD-Konkurrenz ins Hintertreffen zu geraten! Und wo Verbraucher vorher zähneknirschend AMD kauften weil das Budget halt knapp war, ist der Herausforderer nun eine echte Alternative – wenn nicht sogar die bessere Wahl!
Dunkle Jahre für AMD
AMD hatte schwere Zeiten. Einige Zeit versuchte man, eher schlappe Rechenkerne damit zu kompensieren, dass man einfach mehr davon verbaute – mit traurigen Resultaten. Ich erinnere mich daran, als ein finanziell etwas klammer Freund vor Jahren einen Computer erstand, der nicht nur vergleichsweise langsam war, sondern (völlig korrekt montiert) eine wirklich enorme Abwärme entwickelte. Als er etwas gefrustet den Prozessor auch noch übertaktete, lief der mächtige Lüfter nunmehr in einem Dauerhoch und raubte meinem Freund den letzten Nerv. Schnell war die Kiste danach immer noch nicht, dafür ertönte nun der Sound eines startenden Modellflugzeugs. Er schwor damals hoch und heilig, nie wieder einen AMD-Prozessor kaufen. Heute hat er doch wieder einen, und das aus freien Stücken!
Die Auferstehung
Denn langsam scheint sich das Blatt zu wenden. Erstmals seit 2006, als AMD mit dem Athlon 64 X2 mächtig auftrumpfte, kommt man von der Auswechselbank wieder ins große Spiel zurück.
Die kurze Vorgeschichte: AMD übernahm im Oktober 2006 den Grafikkarten- und Chip-Hersteller ATI, und schien vor großen Zeiten zu stehen – rutschte dann aber doch wieder unter 20 Prozent Marktanteil. Intel spielte nicht fair, setzte große Computerketten mit sog. „Exklusiv-Deals“ unter Druck, und kegelte AMD damit aus den Regalen. Wer Intel-Prozessoren wollte, sollte bitteschön nur, oder wenigstens vorwiegend, Intel-Hardware verkaufen. Für diese Praxis wurde Intel 2014 zu 1 Milliarde Dollar Strafe verurteilt, doch der Schaden für AMD war enorm. Anno 2017 nahte dann die Wende. Während AMD lange die reine Budget-Lösung war weil ein Intel zu große Löcher ins Portemonnaie riss, kam AMD mit den Ryzen-Prozessoren Intel gefährlich nah. Man warb zudem Spezialisten von Intel an und rüstete auch bei der Fertigung technisch massiv auf. Das klare Ziel: Mehr Power für AMD!
Der Marktführer ist unter Druck
Das Problem mit der Leistung
Doch was heißt eigentlich Leistung? Natürlich kann man die Anzahl der Kerne nicht einfach mit der Taktrate in Gigahertz multiplizieren, um eine „Gesamtleistung“ zu errechnen, auch wenn PC-Verkäufer das gerne machen. Ich bevorzuge diesen Vergleich: Man denke sich ein Auto mit zwei Sitzen, das 200 km/h fährt, und ein Auto mit fünf Sitzen, das 180 km/h Spitze fährt. Auto Nummer 1 fährt nicht 400 km/h, sondern befördert 2 Personen mit 200 Sachen, das andere Auto halt 5 Personen mit 180. In diesem Beispiel ist Intel das schnellere Auto, AMD der solide Fünfsitzer. Ebenso verhält es sich mit den Kernen: Noch hat Intel die etwas schnelleren Kerne, AMD liefert dafür mehr davon je Prozessor. Aber selbst hier holt AMD auf. Zudem ist „mehr Gigahertz“ nicht mehr der Leistungsindikator wie früher. Durch eine smartere Prozessor-Architektur, eine gesteigerte Leistungsfähigkeit der Ausführungseinheit oder eine Erweiterung der Befehlssätze kann die Leistung steigen, ohne dass die Taktung angehoben wird. Deshalb sind Benchmarks, in denen die Rechenleistung bestimmt wird, oftmals aussagekräftiger.
Welchen Prozessor brauchen Sie?
Je nachdem, was man mit einem Rechner anstellen möchte, ist auch die optimale Hardware-Auswahl unterschiedlich. Nur ein Beispiel: Wer Rechenleistung für Spiele braucht, sollte auf die Power der einzelnen Kerne schauen, da in diesem Bereich die Lastverteilung auf mehrere Kerne meist noch nicht sonderlich gut funktioniert. Hier liegt Intel vorne, obwohl AMD bereits deutlich aufgeholt hat. Ist man hingegen vorwiegend im Multimedia-Bereich unterwegs, bearbeitet z.B. Videos, erstellt Animationen oder konvertiert in andere Formate, bieten die Ryzen-Prozessoren massig Leistung zu besseren Preisen. Die AMD-Prozessoren haben im Vergleich mehr Kerne und können so mehr Leistung bringen, wo Aufgaben auf viele Kerne verteilt werden. Und um es klar zu sagen: Um zu surfen, Office zu nutzen und zu streamen, braucht man keinen besonders potenten Prozessor, ob von AMD oder Intel. Da lohnt es sich eher, etwas Geld für eine SSD-Festplatte oder Arbeitsspeicher zu investieren.
Mit ihm kam die Wende: Ein Ryzen von 2017
Aktuelle Empfehlungen
Der Prozessor-Markt ist mehr als unübersichtlich. Noch heute sind in vielen Fertig-PCs Intel-CPUs verbaut, selbst wenn diese nicht immer das beste Preis-Leistungsverhältnis bieten. Viele Seiten die Massen an Benchmarks (Leistungstests) anbieten, verwirren mit mächtigen, aber nur bedingt aussagekräftigen, Tabellen. Welchen Prozessor sollte man also mit welchem Budget und für welchen Verwendungszweck kaufen? Die Kollegen von Techbook erstellten dafür diese schlaue Liste, der ich mich nur anschließen möchte:
Beste Hochleistungs-CPU: AMD Ryzen Threadripper 3960X
Beste All-Round-CPU: AMD Ryzen 9 3900X
Beste Gaming-CPU: Intel Core i7-9700K
CPU mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis: AMD Ryzen 5 3600X
Beste Einsteiger-CPU mit Grafik: AMD Ryzen 3 3200G
Beste Einsteiger-CPU ohne Grafik: Intel Core i3-9100F
Beste Budget-CPU: AMD Ryzen 3 1200
Ein Ausblick
In Sachen Fertigungstechnik (kleiner ist hier besser) hat AMD bereits 7nm-Fertigung am Start. 5nm sind greifbar, während Intel immer noch mit 10nm arbeitet und vor 2021 wohl auch nicht umstellen wird. Von dieser filigraneren Bauweise erwartet man sich mehr Performance bei sinkendem Stromverbrauch. Der Marktführer technisch im Hintertreffen? Früher undenkbar! Dazu ist der besagte Stromverbrauch, früher ein Problem bei AMD, inzwischen zu einer Stärke geworden. Vergleichbare Intel-Prozessoren verbrauchen heutzutage meistens mehr! AMDs Marktanteil steigt sowohl im Privatbereich, wie auch bei Servern, wo man mit dem AMD Threadripper 3990X mit satten 64 Kernen regelmäßig Rekorde unter den Workstation-Prozessoren bricht. Es lohnt sich also, beim Kauf genauer hinzuschauen. Wo man früher nur schaute, welchen Intel-Prozessor man sich gönnt, kann AMD schon jetzt die bessere Wahl sein! Es bleibt zu hoffen, dass die noch immer verbreiteten „Exklusiv-Deals“ mit Anbietern von Fertig-PCs den Markt nicht lähmen, sondern die Kunden einfach das Beste für ihr Geld bekommen!
Was mich interessieren würde: Käme ein AMD-Prozessor für Sie in Betracht? Oder nutzen Sie gar schon einen?