Freud, Leid und Systemvoraussetzungen – das neue Windows 11
Lange schwor Microsoft Stein und Bein, nach Windows 10 werde nichts mehr kommen, Windows 11 galt eher als Insiderwitz unter Nerds. Im Herbst 2020 erschien für viele überraschend Microsoft Windows 10X auf der Bildfläche, eine reduzierte Version für Laptops und Tablets – um dann doch nie offiziell zu erscheinen. Man vermutete dann Richtung Herbst / Winter 2021 ein großes Design-Update für Windows 10, um die etwas in die Jahre gekommen Optik auf den neusten Stand zu bringen. Es kam jedoch Windows 11! Man kann deshalb davon ausgehen, dass Windows 11 sowohl vom Design-Update, wie auch von Windows 10X eine Menge vererbt bekommen hat. Also schlich ich mich in unsere Testabteilung, schnappte mir unauffällig einen Windows 11 Rechner und schaute mir alles mal an.
Wichtig: Natürlich kann sich noch etwas bis zum Erscheinen im 4. Quartal 2021 ändern, eine Beta ist nie in Stein gemeißelt.
Ein erster Test
Schon mit dem neuen Startmenü bricht man mit einer uralten Entscheidung – es ist standardmäßig in der Mitte! Wer traditionell links unten sucht, schaut vergeblich, denn Microsoft will Windows 11 für alle Geräte fit machen, auch für riesige (Touch)-Bildschirme. Ebenso ändert sich der Aufbau des Menüs, die umstrittenen Live-Kacheln fliegen raus, alles scheint reduzierter und fokussierter. Ganz oben im Startmenü ist ein Suchschlitz, darunter angepinnte Anwendungen, ganz unten die zuletzt genutzten Dokumente. Das mag manchen an Apples macOS erinnern, es wirkt jedoch (besonders im Dark Mode) mit den abgerundeten Ecken und Milchglas-Effekten einfach chic! Zudem läuft das System für den frühen Stand extrem stabil und ohne spürbare Verzögerungen. Windows merkt sich nun bei mehreren Monitoren, was wo angeordnet war, für Gewohnheitstiere wie mich sehr angenehm. Geschmackssache sind sicher die von Windows 7 bekannten Widgets, hier kann man sich jede Menge kleiner Anzeigen für alle möglichen Inhalte (Wetter, News, Börse, etc.) anordnen. Mich überfordert sowas eher, dennoch dürften die Widgets wieder ihre Fangemeinde finden.
Mehr Fenster, mehr Android und der schwarze Tod
Sehr ansprechend sind die neuen Anordnungsmöglichkeiten der Fenster, Snap Layouts genannt. Per Knopfdruck verschiebt man Fenster in die Ecken des Desktops, kann unterschiedliche Größen und Platzierungen vorgeben und bekommt so das Gefühl einer klaren Ordnung auf dem Bildschirm. Das klingt eher dröge, ist aber in der Praxis extrem nützlich bis befriedigend! Der bislang eher maue Windows Store bekommt ein neues Gesicht und bietet nun auch nativ unter Windows laufende Android Apps an. Die Welten von Handy und PC verschmelzen so weiter, durchaus spannend! Sowieso scheint man stark an den Verbindungsmöglichkeiten zwischen PC und Handy gearbeitet zu haben, die Zeiten von mühsam übertragenen Daten sollte damit vorbei sein. Wer mit Win 11 spielt, kann sehr ansehnlich überrascht werden, wenn dessen Auto HDR einsetzt. Alles sieht etwas hübscher aus, Nutzer der Xbox-App werden das schon kennen. Und wer bislang Angst vor dem Bluescreen bei schweren Fehlern hatte, kann aufatmen – er ist nun schwarz! Microsoft beweist hier ungeahnten Humor.
Kaum Eingewöhnungszeit nötig
Auch die für Windows typischen, zahlreichen Einstellungsmöglichkeiten wirken netter umgesetzt, irgendwo zwischen Windows 10, macOS und Android 11 angesiedelt. Man muss sich nicht groß umgewöhnen, aber manches liegt halt an anderem Platz oder sieht anders aus. Der Schritt zum Vorgänger ist da, wird aber niemanden in echte Nöte bringen. Einzig die neuen Symbole, wie sie z.B. im Datei-Explorer zu finden sind, musste ich erst mal deuten lernen. Man möchte alles barrierefreier machen (was ehrenwert ist), aber eine kleine Lernkurve ist hier schon vonnöten. Windows Updates sollen mit Win 11 kleiner und schneller werden und transparenter verlaufen. Ob das alles wirklich funktionieren wird, werden wir (wie so vieles) erst in der Zukunft erfahren. Wir haben nur eine Beta vor uns, wenn auch eine wirklich gute, da könnte sich so noch einiges tun.
Bezugsmöglichkeiten und Preise
Das neue Betriebssystem ist bislang (natürlich) nur in einer Beta erhältlich und wird von Microsoft über sein Windows Insider-Programm vertrieben. Windows 11 soll vorrangig wie Windows 10 verteilt werden, also per Upgrade. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger, der den Nutzern förmlich aufgezwungen wurde, soll Win 11 als manuelles Upgrade ausgeliefert werden. Dies heißt, dass Windows Update das neue Betriebssystem anzeigt, sobald es erschienen ist, aber ohne Ihre aktive Zustimmung passiert nichts. Geplant sind wohl ganze 7 unterschiedliche Versionen, für Heimnutzer bleibt es bei Home und Pro, alles wie gewohnt. Als Upgrade einer aktivierten Windows 10-Lizenz wird Windows 11 kostenlos sein, Preise für Lizenzen sind noch nicht bekannt. Man munkelt aber von dem Windows 10 Preisniveau oder darunter, schließlich wünscht man sich ja eine massive Verbreitung weltweit.
Die Hardwarevoraussetzungen
Nun wird es spannend, kontrovers – und etwas kompliziert. Denn Windows 11 wird weitaus anspruchsvoller sein als sein Vorgänger! Während Bastler Win 11 schon auf älteren Geräten und sogar Smartphones zum Laufen gebracht haben, will Microsoft zum Release eine harte Linie fahren. Wer hier mit einem älteren Rechner an den Start gehen will, wird das Nachsehen haben. MS fordert u.a. aktuelle Prozessoren, 64 GB Festplattenspeicher, UEFI (enthält alle wichtigen Treiber, welche Windows für den Systemstart benötigt, quasi der Nachfolger von BIOS) und aktiviertes Secure Boot (Teil von UEFI, soll die Sicherheit des Bootvorgangs erhöhen). Doch das ist noch nicht alles! Zudem muss der Rechner über einen speziellen Sicherheits-Chip namens TPM 2 (Trusted Platform Module 2.0), DirectX 12 und eine HD Bildschirmauflösung als Minimum verfügen. Uff! Wie ein kleiner Gang durch die hiesigen Büros beweist, fallen schon hier viele, viele Rechner raus. Selbst mein eigenes Arbeits-Notebook, 3 Jahre alt und eigentlich ein ziemliches Biest, scheitert bereits an der Prozessoren-Hürde. Dessen Intel i-7700-CPU, erst vor 4 Jahren erschienen und eigentlich potent genug für alle Fälle, reicht hier nicht aus!
Warum so unbescheiden, Microsoft?
Natürlich stießen diese krassen Systemvoraussetzungen bei den Kunden auf blankes Unverständnis. Die Gründe sollen lt. Microsoft in „besserer Sicherheit und größerer Produktivität“ liegen, wie Microsoft in einem offiziellen Video angab. Man argumentiert hier auch mit speziellen Sicherheits-Features, über die nur aktuelle Prozessoren verfügen würden. Selbst der beliebte Ryzen 7 1700X und die Intel-Prozessoren der 7. Generation fallen so durchs Raster. Inzwischen deaktivierte man unter dem Video sämtliche Kommentare, so bescheiden kamen diese Ausführungen beim Publikum an. Sofort wurden Spekulationen laut, Microsoft wolle damit den Verkauf vieler neuer Rechner beschleunigen und damit Intel massiv pushen. Nachvollziehbar, denn ein Großteil der PCs dieser Welt wäre aktuell nicht Windows 11 kompatibel. Besonders Linux-Fans merkten süffisant an, es läge wohl eher an der Soft- als an der Hardware, wenn ein Betriebssystem nicht sicher sei. Es bleibt spannend, ob MS bei dieser riskanten Strategie bleiben wird. Aktuell kann man noch die frühen Versionen von Windows 11 auf fast jedem Rechner installieren, zum Erscheinen der finalen Version soll dies lt. Microsoft nicht mehr möglich sein. Wer wissen möchte, ob der eigene PC Windows 11 kompatibel ist – wir haben da etwas Kleines gebastelt. Der Windows 11 Compatibility Check vergleicht die Win 11 Anforderungen mit ihrem System und schaut, ob es laufen würde.
Neue Rechner für anspruchsvolle Systemvoraussetzungen
(Vorläufiges) Fazit
Für einen passionierten Windows-Nutzer wie mich ist das alles spannend, macht auch bei längerer Nutzung Spaß, ich könnte mich locker daran gewöhnen! Ob sich für jeden das Upgrade von Windows 10 auf 11 lohnt, ist jedoch eine höchst subjektive Entscheidung. Dafür, dass die Performance jetzt schon so flüssig ist und selbst unsere akribischen Tester keine akuten Kinderkrankheiten gefunden haben, bekommt man sogar meinen vollen Respekt! Alles sieht nett aus, fühlt sich gut an, ist fein umgesetzt – das Killer-Feature, das praktisch zum Umstieg zwingt, fehlt m.E. jedoch. Ganz sicher würde ich mir dafür aber keinen neuen Rechner kaufen. Meine privaten Rechner haben z.B. schon alle ein paar Jahre auf dem Buckel, sind garantiert nicht Windows 11 kompatibel, verrichten aber brav ihren Dienst und werden dies auch in Zukunft tun dürfen. Wer schon länger dabei ist, kennt die großen Sprünge zu Windows 95, Windows 7 und so weiter. Einen solch gigantischen Schritt habe ich zwischen Windows 10 und 11 nicht gesehen, sondern „nur“ eine gute, logische Weiterentwicklung. Hätte ich heute die Wahl, mich bei einem neuen PC frei zu entscheiden, würde ich wohl zu Windows 11 tendieren.
Was mich interessieren würde: Werden Sie auf Windows 11 wechseln, falls dies möglich ist? Oder gar einen neuen Rechner kaufen?
Windows 11 Compatibility Check Download
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