Wie Microsoft uns zur Nutzung von Edge zwingen will
Penetrant wie selten will Microsoft bei Windows 11 seinen Browser MS Edge durchsetzen. Wer Edge nicht als Standardbrowser nutzen will (was die klare Mehrheit sein dürfte), darf munter Häkchen setzen und Pop-Ups überwinden. Man will es bewusst umständlich machen, einen anderen Default-Browser zu nutzen. Kannte man schon von Windows 10 flehentliche Info-Einblendungen, Edge sei doch viel schneller und sicherer als Browser XY, zieht man dieses Mal die Daumenschrauben stärker an. In bestimmten Fällen kann man Edge nicht mal mehr umgehen. Selbstverständlich können Sie Browser installieren und nutzen, wie Sie es auch immer wünschen – als Standard für bestimmte Funktionen bleibt jedoch Edge!
Kommt Ihnen das alles bekannt vor?
25 Jahre hat Microsoft versucht, den Internet Explorer als Marktführer zu etablieren – mit höchst unterschiedlichem Erfolg. 1995 als Antwort auf Netscape Navigator gestartet, erfreute sich der Browser schnell wachsender Popularität. Schon damals war der Internet Explorer mit neuen Windows-Versionen oder nach schlichten Updates auf wundersame Weise wieder der Standard-Browser, auch gegen den erklärten Willen der Nutzer. Als Nebeneffekt startete der „Browserkrieg“ und damit eine lange Geschichte der Prozesse, Verurteilungen und außergerichtlichen Einigungen. Oftmals zahlte Microsoft erhebliche Summen, um sich "gütlich" zu einigen, so wanderten z.B. 750 Millionen US-Dollar an den damaligen Konkurrenten Netscape. 2010 wurde Microsoft von den europäischen Wettbewerbshütern sogar gezwungen, andere Browser bei der Windows-Installation aktiv anzubieten. Als man dies bei einem Windows 7 Service Pack (bestimmt aus Versehen) unterließ, waren weitere 561 Millionen Euro Strafe fällig. 2014 liefen diese Auflagen aus, doch die Gefahr weiterer Strafen besteht weiterhin. Konkurrenten und Kartellwächter sehen daher gleichermaßen besorgt auf Windows 11 und Microsofts Doppelrolle als Erschaffer von Windows und eines für sein Unternehmen strategisch wichtigen Browsers.
Der beste Browser, um andere Browser zu laden
Microsoft weiß allzu gut: Viele nutzten Internet Explorer oder Edge nur, um andere Browser herunterzuladen und dann zu installieren. Danach war Schluss für Microsoft, Browser-Daten zu sammeln, Werbung einzublenden oder Bing als Suchmaschine zu pushen. Die Rechtfertigung der neuen Strategie durch MS ist so fadenscheinig wie vorhersehbar. Man erklärt bestimmte Bereiche einfach zu „Betriebssystemfunktionen“, in denen andere Browser als Edge „unzulässige Umleitungen“ wären. Man wolle „bestimmte Ende-zu-Ende-Erfahrungen bieten“, so ein Microsoft-Sprecher. Und indem man ganz normale Funktionen zu „Betriebssystemfunktionen" macht, entzieht man sie damit der Kontrolle des Nutzers. Das alles geschieht natürlich aus Sicherheitsgründen und damit niemand damit Dummheiten machen kann. Für den Nutzer heißt dies schlicht, dass z.B. die Suche über die Taskleiste nur noch über Edge erfolgen kann, alles andere wäre aus Microsofts Sicht eine solche unzulässige Umleitung. Die mit Windows 11 wieder aufgetauchten Widgets zeigen Ihnen natürlich auch nicht nur Informationen an, sondern bieten per Klick weitere Details und Optionen. Was sich dabei öffnet, erraten Sie bestimmt selbst: MS Edge!
Kartellwächter und Konkurrenz sind bereits in Lauerstellung
Standard- und Systembrowser?
Worin der fürchterliche Nachteil liegen könne, hier Chrome, Opera oder Firefox zu nutzen, mag man uns nicht sagen. Tools wie EdgeDeflector haben dies bislang umgangen, damit konnte man einfach und umfassend den Standardbrowser ändern. Doch genau dies will Microsoft zukünftig blockieren! Auch die Möglichkeit, mit einem Klick Firefox als Standard-Browser zu definieren, soll dann nicht mehr gegeben möglich sein. Microsoft geht sogar noch einen Schritt weiter! Was Sie als Nutzer nutzen, können Sie ja ruhig bestimmen, das System hat jedoch eine eigene Browser-Wahl und die fällt natürlich auf Edge! So sollen interne Suchen, Aufrufe aus Widgets oder MS-Apps über Edge erfolgen, die Verlinkungen wurden sogar entsprechend adressiert: microsoft-edge:// statt https://-Format! Somit sperrt man andere Browser aus und erschafft eine höchst seltsame Trennung zwischen Betriebssystem und Nutzer. Ist Windows denn nicht einzig und allein da, um dem Nutzer zu dienen und nach dessen Wünschen zu funktionieren? Braucht ein System zum Funktionieren einen ganz bestimmten eigenen Browser, auch wenn andere auf dem Rechner installiert sind?
Ist Edge denn zweite Wahl?
Um fair zu bleiben – Edge ist keinesfalls ein schlechter Browser! Das allerdings ist weniger Microsofts Verdienst, denn als Basis nutzt man Chromium, wie Chrome, Opera und viele andere auch. Was MS hingegen nicht hinbekommen hat, ist eine eigene Note, etwas Unverwechselbares, das die Menschen zum Wechseln animiert. Edge ist schnell (z.B. schneller als Firefox), ähnlich sicher wie Chrome und kann sogar dessen Erweiterungen nutzen. Man begeht also keinen Fehler, Edge zu nutzen, die User weltweit wollen es im Regelfall einfach nicht. So sind auch Chrome, Safari und Firefox in der Nutzer-Gunst enteilt, weniger als 7% weltweit nutzen Edge. Zieht man davon noch die ganzen Firmenrechner ab, auf denen etwas bequeme Administratoren Edge einfach als Standard-Browser übernehmen, sieht es noch etwas düsterer aus.
Ausblick
Microsoft befindet sich mit Edge gerade auf einem altbekannten und dennoch gefährlichen Weg. Windows 11 selbst ist bei den meisten recht gut angekommen, als Bösewichter sind eher andere IT-Giganten in den Medien, die Zahlen stimmen sowieso - da könnte man doch einfach gute Arbeit leisten! Aber nein, man versucht Edge wie sauer Bier an die Kunden zu verteilen - weshalb die chronisch gereizten Kartellwächter schon mit ihren Anwälten telefonieren dürften. Ganz nebenbei erklärt man ganz normale Funktionen zu „Betriebssystemfunktionen“ und hofft, dass der Kunde sich entsprechend eingeschüchtert fügen möge. „Ingeborg, was da alles passieren könnte, wenn Windows Chrome nutzen müsste! Vielleicht explodiert dann alles! Sei bloß vorsichtig!“
Natürlich ist der Nutzer nicht so dumm und unmündig, alles kritiklos zu übernehmen und fortan Edge zu nutzen. Kein Branchenkenner rechnet mit einer explosionsartigen Verbreitung von Edge, viele hingegen mit unnötig frustrierten Windows-Nutzern!
Was mich interessiert: Würden Sie Edge eine Chance geben?