Im indischen Bundesstaat Madhya Pradesh werden zwei Männer von einem Mob fast totgeprügelt, in Brasilien wird massiv Wahlwerbung mit frei erfundenen Nachrichten betrieben und deutsche Kinder leben in Angst vor einem Monster – alles ausgelöst durch Falschmeldungen über WhatsApp. Was sich wie ein schlechter SciFi-Roman liest, ist längst Realität. Über den beliebtesten Messenger werden mittlerweile nicht mehr nur private Nachrichten verschickt, WhatsApp ist ein Verteiler für Ängste, Vorurteile und Hetze für Millionen geworden. Und die Betreiber des Dienstes fragen sich, wie sie der Situation wieder Herr werden können, ohne die Privatsphäre zu verletzen.
Nachrichten, die wir von Freunden und Verwandten per Messenger bekommen, genießen erst mal einen Vertrauensvorschuss. Wir kennen diese Menschen und wenn sie etwas in Aufregung versetzt, lässt es uns nicht einfach kalt, anders als z.B. bei einem anonymen Beitrag irgendwo im Internet. Die ursprüngliche Quelle einer weitergeleiteten Nachricht kennen wir jedoch häufig nicht. Je nach Landstrich kann dies leider gefährlich werden. In jüngster Zeit geriet Indien die Schlagzeilen, wo besonders in ländlichen Bereichen Hysterie und Angst über WhatsApp verbreitet wurden. Als Bettler verkleidete Männer würden Menschen töten und deren Organe verkaufen, so war es zu lesen. Diese Nachricht verbreite sich wie ein Lauffeuer. Schnell wurden zwei Verdächtige gefunden und beinahe von einem fünfhundertköpfigen Mob gelyncht. Ein paar Wochen vorher starb ein Mann, der als vermeintlicher Kindesentführer totgeschlagen wurde. Dutzende Personen wurden 2018 bereits bei ähnlichen Vorfällen verletzt, niemand davon war eines Verbrechens schuldig.
In Deutschland schafft es hingegen ein gruseliger Kettenbrief in die Schlagzeilen und verstört hunderttausende Kinder. Mit dem gruseligen Bild eines japanischen Geistes versehen, behauptet der Ersteller „Momo“, vor drei Jahren bei einem Autounfall verstorben zu sein und den Leser um Mitternacht heimzusuchen oder gar zu töten – wenn man die Nachricht nicht an 15 Kontakte weiterschicke. Was für uns lächerlich klingen mag, wirkt auf Kinder höchst verstörend. Verschickt werden diese bedrohlichen Kettenbriefe zunächst von einigen japanischen, mexikanischen und kolumbianischen WhatsApp-Accounts, bevor sie von verängstigten Kindern massenhaft weitergeleitet werden. Eine weitere Variante stellt den Kindern Aufgaben, die sie vollbringen müssen, damit „Momo“ nicht zu Besuch kommt. Eine dieser Aufgaben kostet den erst 14-Jährigen Kendal Gattino das Leben, er erhängte sich mit seinem Taekwondo-Gürtel. Die Polizei, Behörden, Eltern- und Lehrerverbände bemühen sich gerade händeringend um Aufklärung, es wird jedoch erfahrungsgemäß noch dauern, bis „Momo“ endlich wieder vergessen wird.
Gerüchte verbreiten sich in Windeseile
Brasilien hatte kürzlich nicht nur eine Wahl, sondern auch ein Welle an Falschmeldungen über WhatsApp zu verkraften. Mithilfe von über 100.000 WhatsApp-Konten, die z.T. durch Agenturen zentral koordiniert wurden, verbreitete man Propaganda der übleren Sorte, um Mitbewerber zu diffamieren. Die Wahlbehörde in Brasilien sah sich schließlich gezwungen, eine Vielzahl der identifizierten Meinungsmacher stillzulegen, zu eindeutig wurden die Wähler in Richtung des späteren Siegers Bolsonaro getrieben. Da WhatsApp für viele Brasilianer die wichtigste Informationsquelle darstellt, gehen Beobachter von massiver Wahlbeeinflussung aus. Dazu passt auch eine Studie vom Massachusetts Institute of Technology, welches die Verbreitung von Falschinformationen untersuchte. Jene sind bewusst emotional geschrieben und oftmals schlicht aufregender als normale Nachrichten. Zudem werden weitverbreitete Vorurteile an konkreten Beispielen belegt. Daher liegt die Wahrscheinlichkeit um 70% höher, von Nutzern weiterverbreitet zu werden. Oder wie es ein frustrierter Freund (Admin einer großen Facebook-Gruppe) formulierte: „Ein schlecht ausgedachter Kinderfänger verbreitet sich hundertfach schneller als ein echter Hilferuf.“
WhatsApp weiß von den fatalen Auswirkungen und steht doch ziemlich machtlos da. Da die Nachrichten verschlüsselt sind, können Inhaltsfilter nicht eingesetzt werden, die mögliche Falschmeldungen identifizieren könnten. Was geschrieben, weitergeleitet und kommentiert wird, weiß das Unternehmen schlicht nicht. Daher will WhatsApp nun mehr aufklären, Mitglieder sollen Falschnachrichten melden können, weitergeleitete Nachrichten sollen optisch kenntlich gemacht werden. Weitere Möglichkeiten wären, die Weiterleitung von Nachrichten stark einzuschränken, Sammelnachrichten (wo man z.B. eine Nachricht an alle Kontakte schreibt) zu verhindern oder die Größe von Chatgruppen zu reglementieren. Wie der Mutterkonzern Facebook, dem vorgeworfen wird, einem Völkermord in Myanmar tatenlos zugesehen zu haben (der über das Portal aufgepeitscht und gelenkt wurde), kann auch WhatsApp nicht alle Verantwortung abstreiten.
Nur die Ruhe bewahren: Längst nicht jede Nachricht entspricht der Wahrheit
Ob das ausreicht, wenn wieder Panik um sich greift, ist abzuwarten. Den indischen Behörden geht das z.B. nicht weit genug, sie wollen Unternehmen wie Facebook dazu zwingen, Informationen von indischen Nutzern zu speichern, Datenschützer befürchten schon eine Abschaffung der Verschlüsselung und Einschränkung der Meinungsfreiheit. Sicher, jede Überwachung kann missbraucht werden – freie Verbreitung von Inhalten jedoch auch - ein Dilemma! Progressivere Köpfe verlangen schon lange das Thema Medienkompetenz im Schulunterricht. Man müsse schon kleinen Kindern beibringen, dass z.B. Nachrichten über WhatsApp oftmals nicht der Wahrheit entsprechen, selbst wenn sie von Freunden kämen. Bevor sie selbst eine Nachricht weiterleiten, solle nachgeforscht werden, ob es sich um eine Falschmeldung handele. Wie ich finde, ein schlauer Ansatz, mit Technik allein wird man das Problem nicht lösen können. Hier helfen nur Bildung und gesunder Menschenverstand.
Was mich interessieren würde: Vertrauen Sie weitergeleiteten Nachrichten von Freunden und Bekannten besonders? Oder hinterfragen Sie ganz objektiv, was Ihnen gerade gesendet wurde?
Das Schlimme ist, dass viele gerne weiterleiten. Manchmal noch nicht mal gelesen und je mehr diese Dinge mit "unglaublich" betitelt sind oder so aussehen, als wenn es jemandem hilft, wenn man es weiterleitet, dann wird auf's Knöpfchen gedrückt.
So oft stelle ich fest, dass meine Nachrichten gar nicht richtig gelesen werden, weil ich eine unpassende Antwort bekomme. Zu viel von allem. Nachdenken ist da sowieso Fehlanzeige. Da war doch auch das mit den Gutscheinen und schon hatte man einen Virus. Ich trau mich oft gar nicht ein Video anzuklicken. Ich finde, dass das Gro immer dümmer wird durch diesen ganzen Smartphone Hype. Früher hat man noch vor dem PC Platz genommen und in Ruhe auf Mails geantwortet. Wie kann man ordentlich Mitteilungen verdauen, wenn man unterwegs ist und tippselt und dabei den Laternenmast umrennt.
Alles ist überfüttert und ich gehe mit Michael konform.
Ich glaub gar nix mehr, was ich nicht gründlich recherchiere und selbst dann bekommt man nie die ganze Wahrheit heraus.
WhatsApp soll doch ab nächstem Jahr unverschlüsselt arbeiten? Damit man uns, nach Analyse unserer Nachrichten, zielgenau Werbung zustellen kann. Stimmt diese Meldung?
Wenn ja, dann ist meine Zeit bei WahtsApp zu Ende.
Davon habe ich noch nichts gehört und ich halte das für recht unwahrscheinlich. WhatsApp bekam massiven Druck von Nutzerseite, bevor sie die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung eingeführt haben, ein Rückschritt wäre kaum denkbar.
Und HIER, Herr Krumrey die Möglichkeit über mehrere Accounts einiges anstellen zu können....bin ich es nun, oder nicht ?
Spezialprogramme werden immer mächtiger, gerade wenn diese OHNE Anbindung an das Internet funktionieren ! Damit kann man unbeobachtet von überall ihnen alles "unterjubeln".....
hallo herr krumrey,
wenn ich einmal nachfragen darf : wo graben sie immer diese guten Storys aus ? mal ganz "unter uns"...früher habe ich auch alles geglaubt was im Internet steht. heute bin ich eher skeptisch, selbst die "good News" im tv glaube ich keinen Pfennig mehr. in den medien allgemein denke ich, wird zuviel gelogen, betrogen und beschi***** das sich die balken biegen. in diesem zusammenhang will ich gerne an den kabarettisten volker pispers verweisen der sagte : da stehen pickelige Jünglinge, und erzählen dem Volk davon das im "Aktienmarkt" noch phantasie steckt...und das es auf dem parkett einen "hexensabatt" gibt...wo Zertifikate verfallen...(originalzitat) : früher saß dieses Gesindel im zelt, und schaute in die Glaskugel....
ich gehörte am anfang auch zu den gläubigen die glaubten, Microsoft sei das herz der welt, und wolle dem Nutzer helfen....und Intel sei die macht der 386`er unerreichbar..lichtjahre weit weg...bis auch ich auf den boden der Tatsachen zurückgeholt wurde, und mir bewiesen wurde das MS-DOS ein zusammengeschustertes werk ist...und das Intel bei der fließkommeberechnung betrügt...und das nicht einmal zugab...seitdem glaube ich nur noch die hälfte von der hälfte von der hälfte...
in der heutigen zeit sollte man vorsichtig sein mit den Nachrichten die immer nur das gute erzählen...ich denke dazu : das ist der Rattenfänger von hameln....die welt ist (leider) nicht mehr "bunt" und "gut", sondern "böse" und nur noch mit dem ziel behaftet, die leute für dumm zu verkaufen, um denen das wenige - was diese noch haben - zu nehmen....neja, die großen machen es uns ja vor...was mich bei ihnen interessieren würde : wie halten sie es mit der Information das weltunternehmen in Deutschland keine steuern (Umsatz etc.) zahlen, aber sie Lohnsteuer und alles andere....glauben sie dieses, oder habe ich ihnen ein märchen erzählt ?
lg, michael
Ich komme auf die Artikel, indem ich einfach extrem viel lese. Und wenn ein Thema eine gewissen Nachhall in mir entwickelt und ich mehr darüber wissen will, fange ich halt an mit der Recherche. Ach ja, wer Pispers zitiert, weiß die Ashampoo-Redaktion geschlossen hinter sich. :)