BUSINESS

Was sind eigentlich Kryptowährungen?

Sven Krumrey

Man kann ihnen nicht entkommen. Ob in den Nachrichten, Unterhaltungsmedien oder in zahlreichen Internetwerbungen, Kryptowährungen sind überall präsent. Doch was sind Kryptowährungen eigentlich und wie funktionieren sie? Wie kann ein Mann, von dem man nicht mal weiß, ob er wirklich existiert, eine Währung und deren technischen Grundlagen erfinden? Obwohl es inzwischen Tausende dieser Währungen gibt, halte ich mich exemplarisch an die bekannteste, Bitcoin.

Wertanlage oder nur der letzte, sinnlose Hype?

Die Idee dazu hatte Satoshi Nakamoto, offensichtlich nur das Pseudonym eines Menschen, der unbekannt bleiben will. 2008 erschien eine Abhandlung vom ihm (ihr?) über den Sinn einer solchen Währung auf einer Mailingliste über Kryptografie. Auch die ersten Software-Grundlagen des Bitcoin-Netzwerks wurden unter diesem Namen veröffentlicht, dann verliert sich die Spur des mysteriösen Denkers. Ob es überhaupt eine Person war oder eine ganze Gruppe, man weiß es nicht. Ähnlich nebulös waren die Anfänge der Kryptowährungen, Bitcoins hatten kaum Wert und wurden vorwiegend dort zur Bezahlung genutzt, wo man gerne anonym bleiben wollte, so z.B. bei Geschäften im Dark Net.

Die Konzeption dahinter ist durchaus interessant. Man versucht hier eine Währung zu etablieren, die in der Grundidee frei vom Einfluss der Banken und Staaten ist. Hier soll keine Zentralbank den Wert manipulieren, keine leichtfertigen Spekulanten das Geld in Blasen oder fragwürdigen Projekten anlegen. Die Währung ist an keine Nation gebunden und Gebühren können durch den dezentralen Aufbau (jeder kann seine eigene Bank sein und aktiv am System mitarbeiten) niedrig gehalten werden - oder gleich ganz entfallen. Die Sicherheit wird durch ständige Überprüfung, Verschlüsselung (daher der Name Kryptowährung) und Anonymität gewährleistet. Der Gedanke der maximalen Sicherheit basiert auf der Grundsubstanz jeder Währung: Wie sehr vertrauen die Nutzer dem Geld und wie schätzen sie seinen Wert ein? So ungewöhnlich es scheint, einfach eine Währung entwickeln, alles liegt an der Akzeptanz.

Man unterscheidet ja allgemein zwischen Warengeld und Fiatgeld. Das Warengeld hat seinen Wert in sich, es ist z.B. eine Münze aus Gold, eine Kuh oder Zigaretten. Man hat etwas in der Hand, kann es nutzen, essen oder – im letzten Fall - rauchen. Fiatgeld wie unsere staatlichen Währungen hingegen funktionieren nur, weil es einen gesellschaftlichen Konsens gibt, dass sie etwas wert sind. Zwar sollen dabei immer staatliche Vermögenswerte als Gegenwert bestehen, doch zahlreiche Inflationen der Geschichte zeigen uns, dass wirkliche Sicherheit bzw. absolute Stabilität nicht existieren. Ein paar falsche Entscheidungen von Regierungen oder Banken, schwindendes Vertrauen in die Währung (national, wie international) und der Wert verflüchtigt sich. Eine neue Währung zu entwickeln, ist daher nicht so bizarr, wie es sich zuerst vielleicht anhört. Wieso sollten nur Staaten und deren Organe dazu berechtigt sein? In dem Moment, wo viele Menschen eine Währung akzeptieren und nutzen - existiert sie.

Kompliziert, aber sinnvoll: Die Blockchain

Hinter der besonders sicheren Umsetzung der Kryptowährung steht die sog. Blockchain (Kette von Blöcken), ohne sie gäbe es weder das Vertrauen, noch einen sauber organisierten Ablauf. Was technisch hoch kompliziert ist, lässt sich gut mit einer Metapher veranschaulichen. Stellen Sie sich vor, sie würden m it einem großen Personenkreis Handel betreiben. Unzählige der Händler haben ein Kassenbuch, in das sie sämtliche Geldbewegungen (nicht nur die eigenen!) schreiben und auch nachrechnen, ob die Transaktion korrekt ist. Nur wenn die Bücher übereinstimmen, und noch mal sauber durchgerechnet wurde, wird ein Kapitel mit lauter Transaktionen abgeschlossen und ein neues beginnt. Damit die Kapitel nicht durcheinanderkommen, wird aus dem letzten Kapitel eine Zahl errechnet (z.B. die Summe der Transaktionen) und auf die erste Seite des neuen Kapitels geschrieben. So bleiben die Kapitel in einer logischen Reihenfolge und bilden eine Kette.

Das Ganze technisch erklärt: Die Blockchain ist eine große Datenbank, die alle Transaktionen penibel und fälschungssicher dokumentiert. Dabei liegt diese Datenbank nicht auf irgendeinem Server, sondern verteilt auf den Computern vieler Nutzer und wird ständig aktualisiert – ein kollektives Buchführungssystem. Dabei bleibt anonym, welches Geld zu wem übertragen wird, es sehen nur alle, welche Summen fließen. Jeder Nutzer verfügt dabei ebenfalls über eine virtuelle Brieftasche (Wallet) und private Schlüssel (Signaturen), die den einzelnen Guthaben zugewiesen sind. Diese Schlüssel berechtigen den Nutzer dazu, die jeweiligen Bitcoins auszugeben und dürfen daher niemals an Fremde weitergegeben werden. Mit ihrer Hilfe muss für jede Transaktion ein mathematischer Beweis erbracht werden, dass sie vom Eigentümer der betroffenen Wallet kommt (Signierung). Noch nicht abgeschlossene Transaktionen werden unter den Bitcoin-Nutzern verbreitet und anschließend durch das Netzwerk bestätigt. Dieser sehr rechenintensive Prozess wird Mining (Schürfen) genannt und erfolgt verteilt auf sämtlichen Rechnern im Bitcoin-Netzwerk.

Mehrere Transaktionen werden dabei zu Blöcken zusammengefasst und aus deren Daten errechnet ein Algorithmus eine Zahl, Hash genannt. Sie dient als Signatur und fließt in die Daten des jeweils nächsten Blocks ein. Alle Blocks ergeben zusammen eine Kette – eine Blockchain. Würde man versuchen, nachträglich eine vergangene Transaktion zu verändern, würde der daraus ursprünglich errechnete Hash nicht mehr passen. Er ist also wie ein Siegel, das garantiert, dass der betroffene Block intakt ist. Der ganze Vorgang erfordert aufwändige kryptographische Berechnungen und daher potente Hardware zumal es neben der Bestätigung auch noch ein mathematisches Rätsel zu lösen gilt. Als Belohnung erhalten die Bitcoin-Miner Transaktionsgebühren für die von ihnen bestätigten Transaktionen und die dabei neu erschaffenen Bitcoin.

Für ein Bitcoin sind viele Berechnungen nötig

Dabei handelt es sich allerdings um ein Wettrennen zwischen sämtlichen Teilnehmern weltweit, bei dem am Ende nur einer profitiert. Mining ist besonders in Asien ein lukrativer Wirtschaftszweig geworden und sorgt dafür, dass viele Grafikkarten aktuell unverschämt teuer sind. Deren Grafikprozessoren eignen sich nämlich besonders gut für diese Berechnungen und sind daher heiß begehrt. Die Belohnung für jeden abgeschlossenen Block halbiert sich allerdings verfahrensbedingt alle 210000 Blocks, also ungefähr alle 4 Jahre. Dadurch ist die Anzahl verfügbarer Bitcoins langfristig auf 21 Millionen begrenzt. Dies beugt der Inflation vor und soll zusätzliches Vertrauen in die Stabilität generieren. Während manche Zentralbank bei Bedarf Noten druckt, müssen Bitcoins hart errechnet werden. Und das wird immer schwerer, denn die mathematischen Rätsel für die Miner werden stets anspruchsvoller.

Wer nicht selbst nach dem virtuellen Gold schürfen (minen) will, kann sich Bitcoins natürlich auch kaufen. Das Internet ist voll von Börsen. Dort meldet man sich an und ersteht Kryptowährungen wie bei anderen Shops auch, ganz normal mit Überweisung. Man verwaltet dort sein Konto ebenfalls mit einer Wallet, die mit einem öffentlichen und einem privaten Schlüssel gesichert ist. Nur wer über beide Schlüssel verfügt, kann eine Transaktion starten. Der öffentliche Schlüssel ist dabei eine Art Kontonummer (jeder kann sie einsehen), der private Schlüssel die PIN, die nur der Inhaber kennt. Ohne sie gibt es keine Transaktion. Informationen wie Kartennummern, Namen oder Adressen sind dabei nicht erforderlich, man bleibt anonym – was vielen Behörden weltweit ein Dorn im Auge ist. Im Gegensatz zu normalen Währungen werden Kryptowährungen (noch) eher selten als normales Zahlungsmittel anerkannt, sie sind aktuell eher Spekulationsobjekt. Wer sich ein Auto kaufen möchte, muss entsprechend seine virtuelle Währung gegen „normales Geld“ verkaufen und dann damit bezahlen. Das ändert sich aber aktuell schon bei Waren im Internet und mit zunehmender Akzeptanz ist das Bezahlen mit virtuellen Währungen, z.B. bei Amazon, nur eine Frage der Zeit.

Und während anfangs Kryptowährungen nur für Computer-Freaks, Fans eines freien Geldes und innovativen Spekulanten vorbehalten war, ist das Phänomen längst in der Masse angekommen. Unzählige Währungen entstehen neu, Kurse schießen hoch, um kurz danach in Sturzflug zu gehen und renommierte Finanzexperten prophezeien täglich das „Ende der Blase“ Kryptowährungen. Ob sie Recht behalten werden? Ich bin jedenfalls gespannt, wie es mit diesem komplexen Thema weitergeht und werde bestimmt in einem späteren Blog auf andere Aspekte eingehen.

Was mich interessieren würde: Haben Sie schon den Sprung in Kryptowährungen gewagt? Oder betrachten Sie den Boom eher kritisch?

Zurück zur Übersicht

Kommentar schreiben

Bitte melden Sie sich an, um zu kommentieren.