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Das knallhart kalkulierte Versagen

Sven Krumrey

Eines Tages streikte mein Drucker. Mit einem Puls von grob 150 schaute ich bei Google vorbei und fand schnell heraus, dass die Fehlermeldung im Netz als „Klassiker“ galt und recht zuverlässig nach zwei Jahren auftrat.Ich rief daraufhin bei der Hotline an und nach 30 Minuten „Ihr Anruf ist uns wichtig“-Sprüchen und sphärischer Musik hatte ich tatsächlich eine hörbar müde Mitarbeiterin dran. In solchen Momenten denke ich immer daran, meine Wut nicht an den armen, schlecht bezahlten Leutchen auszulassen und schilderte daher betont sachlich mein Problem. Vielleicht lag es an ihrer Müdigkeit, jedenfalls war die Dame verblüffend ehrlich. „Der Fehler trat in der Garantie-Zeit auf? Das sollte so aber nicht sein!“

Kurz danach dämmerte Ihr wohl, dass die Reaktion vielsagend war und sie erklärte mir professionell den weiteren Ablauf. Ich müsse nur das Gerät auf meine Kosten verpacken, ein mehrseitiges, umständliches Formular ausfüllen und schon könnte nach ca. 4 Wochen der Drucker wieder bei mir sein.

Ungefähr so schaute ich damals. Vielleicht nicht ganz so niedlich. Ungefähr so schaute ich damals. Vielleicht nicht ganz so niedlich.

Die große Verschwörung?

Danach wusste ich schlicht nicht, worüber ich mehr aufregen sollte. Zuerst schaute ich fassungslos auf das Formular (ein PDF zum Ausdrucken, sehr witzig), das vom Umfang her einer Steuerklärung nebst Einbürgerungsantrag für den Vatikan entsprach. Man rechnete wohl damit, dass ich genervt aufgebe, statt die Garantie in Anspruch zu nehmen. Nicht mit mir, sowas motiviert mich zusätzlich! Dennoch - mir ging Ihr Spruch nicht aus dem Kopf. Es war nicht so vorgesehen, dass der Fehler in der Garantie-Zeit auftreten würde, kam er also ein halbes Jahr zu früh? Ich bin kein Fan von Verschwörungs-Theorien, glaube nicht an den Tod von Paul McCartney 1966 oder an Außerirdische in der Regierung und trage keinen Alu-Hut. Dennoch kam es mir komisch vor und ich begann zu recherchieren.

Zahnbürsten in Agonie

Wenn man sich überlegt, wie man Umsätze mit Geräten aller Art steigern kann, so gibt es nicht unendlich viele Möglichkeiten. Innovationen sind selten und oftmals teuer, nicht jedes Produkt ist über Lifestyle verkäuflich und irgendwann hat auch jeder im Schwellenland einen Fernseher. Was würde also näher liegen, als Produkte bewusst so zu gestalten, dass sie in einem vorher geplanten Zeitraum kaputt gehen? Bei manchen Produkten ist dies offensichtlich. Viele elektrische Zahnbürsten haben Akkus, die man nicht austauschen kann, ohne rohe Gewalt anzuwenden und so das Gerät zu zerstören. Bedenkt man dann noch, dass die Akkus eine klar begrenzte Laufzeit haben, sinkt die Stimmung beim Einkauf merklich. Das könnte ich noch zähneknirschend akzeptieren, wenn es sich um Billig-Geräte handeln würde. Leider sind viele Marken-Geräte nicht anders konstruiert und man bezahlt viel Geld für ein Produkt mit nahendem Haltbarkeits-Datum.

Die Zeit läuft ab Die Zeit läuft ab....

Der Panzer in der Waschküche

Bei anderen technischen Geräten wird es komplizierter, da geht es um Bauteile, Software und Konstruktion. Ein Ingenieur erläuterte mir mal die Zusammenhänge an einem Beispiel. „Wenn man ein Gerät baut, so kann man darauf achten, dass bestimmte Kondensatoren keine Hitze abkriegen. Man kann sie aber auch so platzieren, dass die Lebensdauer dadurch entscheidend verkürzt wird. Wie gut sind die Kugellager der Lüfter, die man verbaut? Nimmt man die Widerstände für 2 Cent oder die bewährten für 10? Der Unterschied zwischen schlechter Qualität und geplanter Obsoleszenz ist da fließend.“ Geplante Obsoleszenz, das Kind hatte einen Namen, so hässlich wie das Phänomen selbst. Fast zärtlich dachte ich an die Waschmaschine meiner Oma, die 30 Jahre brav ihren Dienst verrichtete, wenn auch mit der Lautstärke eines Leopard 2 Panzers.

Unsitten seit 1920

Immer wieder haben Verbraucherschützer und Politiker versucht, dem Treiben Einhalt zu gebieten oder es überhaupt nachzuweisen. Das ist schwierig, denn ob die Firmen aus Versehen / Kostendruck schlechte Qualität produzieren oder methodisch vorgehen kann man kaum unterscheiden. Beides wäre kein Ruhmesblatt für die betreffenden Firmen. Dabei ist die Idee nicht neu, schon 1920 dachte der General Motors-Chef, es sei eine gute Idee, wenn die Kunden alle drei Jahre ein neues Auto kaufen müssten. Aus dessen Sicht wäre mein tapferer Wecker, der seit 1991 unermüdlich seinen Dienst verrichtet, eine Fehlkonstruktion.

Das war mal ein Prozessor, der zu heiß wurde

Wenn es kein anderer macht - machen Sie es selbst!

Doch wir müssen da nicht untätig zuschauen. Immer häufiger gibt es Organisationen, die das Phänomen kritisch erforschen und entsprechende Produkte öffentlich machen. Seiten wie https://www.ifixit.com geben Ratschläge zur Reparatur diverser Geräte, immer mehr Do-It-Yourself-Seiten ähnlicher Art befinden sich im Aufbau. Zuletzt entwickelten sich auch in vielen Städten Nachbarschafts-Hilfen, wo versierte Menschen die Fehler finden und für kleines Geld reparieren. Man sollte Google konsultieren, bevor man ein Gerät kauft. Bestimmte Marken (z.B. bei Druckern, Handys und sogar Autos) sind bekannt dafür, dass deren Geräte mit nahezu traumwandlerischer Sicherheit das Ende der Garantielaufzeit erraten und danach nicht mehr funktionieren.

Ramschprodukt mit großem Namen

Viele Firmen, die lange Jahre ihren Ruf als „Marke“ aufgebaut haben, stehen am Scheideweg. Wieso sollte man weiterhin ihre Produkte kaufen, wenn sie ebenso schnell kaputt gehen, wie all die namenlosen Billig-Artikel? Schießt sich hier die Industrie selbst in den Fuß und wundert sich dann, dass es weh tut? Für uns als Kunden heißt es: Schlau sein, uns informieren und nicht gleich alles wegschmeißen, was seinen Dienst nicht mehr tut. Vielleicht sind wir nur ein 25-Cent-Teil von der erfolgreichen Reparatur entfernt.

Was mich interessieren würde: Welche Geräte gaben bei Ihnen allzu schnell den Geist auf?

Anmerkung des Autors Ifixit gibt es natürlich auch auf Deutsch, der Link wurde entsprechend angepasst, ein Sprachauswahl ist ganz unten auf der Seite. Bei kaputten Handys lohnt sich ein Blick auf Idoc. Für Autos gibt es meines Wissens kein zentrales Portal, für einzelne Marken gibt es aber diverse Anleitungen im Internet verstreut. Hier dürfte sich intensives Googlen lohnen.

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