„Alles super! Absolute Kaufempfehlung!“ – Oder auch nicht.
Sie kennen das: Man sucht im Internet ein Produkt und die Kundenbewertungen sind berauschend. „Wunderbares Gerät, funktioniert reibungslos, dazu richtig robust – habe ich gleich nochmal für meine Kinder gekauft! Und die sind ebenfalls begeistert!“ Und die Kindeskinder wahrscheinlich auch, tippe ich mal. Durch solche und ähnliche Jubel-Arien kommt das Produkt auf 4,8 von 5 Punkten und gleich zuckt unser Finger in Richtung Einkauf. Denn was wir lesen, sind ja die Meinungen echter Kunden, Menschen wie wir selbst. Leider stimmt das nicht (immer) so ganz.
Denn die Werbe-Industrie hat früher als jedes Forschungs-Team erkannt – wir vertrauen Kundenempfehlungen mehr als jedem Werbespruch. Es muss frustrierend für die hochbezahlten Macher von Werbung sein: Sie erschaffen mit viel Hirnschmalz, tollen Bildern und großem Aufwand Träume, Wünsche und Visionen, auch wenn auch nur simpler WC-Reiniger beworben wird. Glaubwürdiger finden wir aber Freunde, Verwandte oder auch einen komplett unbekannten Kunden, der das Produkt schon hat. Was liegt den Firmen da näher, als eigene Rezensionen zu verfassen und die möglichst prominent zu platzieren?
Glaubt man den großen Händlern, wird gegen solche Praktiken alles getan. Hürden bei der Registrierung (eine einfache E-Mail-Adresse reicht nicht), redaktionelle Überprüfung, Bewertung der Rezensionen durch die Kunden selbst – das klingt sicher, oder? Dennoch gehen Kenner der Szene davon aus, dass mindestens 30% der Bewertungen gefälscht sind. Wie kann auch eine Redaktion täglich Hunderttausende von Bewertungen intensiv prüfen? Nur die offensichtlichsten, stümperhaften Fakes dürften hier auffallen. Denn nur selten sind dabei die Fälschungen so klar ersichtlich wie beim Ehemann einer Autorin, der das Buch seiner Angebeteten unter immer unterschiedlichen Namen und mit den doch immer gleichen Rechtschreibfehlern abfeierte. Das machen die Firmen auch nicht selbst, dafür gibt es Fachpersonal.
Für diesen Zweck gibt es spezielle Social Media Agenturen. Um es klar zu sagen: Die allermeisten Social Media-Agenturen leisten völlig seriöse Arbeit im Bereich Marketing, es sind nur einzelne, die sich nicht darauf beschränken. Schwarze Schafe der Werbe-Industrie, die sich übrigens auch schon (komplett erfolglos) an Ashampoo gewandt haben. Gute Bewertungen auf Download-Portalen, in Shops oder unter redaktionellen Beiträgen – alles eine Kostensache. Sie beauftragen Studenten, Heimarbeiter oder andere Muttersprachler, die an ihren Rechnern sitzen, munter die Pseudonyme wechseln und Lobeshymen für ausgewählte Produkte schreiben. Gegen entsprechenden Aufpreis werden auch negative Kommentare im Auge behalten und mit Gegenrezensionen und abwertenden Kommentaren madig gemacht. Und diese Leute sind richtig gut! Oftmals fernab von Copy und Paste oder Textbausteinen werden kleine, privat klingende Storys geschrieben, häufig komplett unauffällig, allzu glühende Lobpreisungen oder sachliche Fehler sind eher selten.
Stabil, geringer Akku-Verbrauch - ein gutes Handy!
Was also tun, um solchen Täuschungen nicht auf den Leim zu gehen? Zuerst sortiere ich Portale aus, wo einfach alles gut bewertet wird. Lachen Sie nicht, sowas gibt es. Speziell im Bereich Elektronik. Dort könnte man auch einen Ziegelstein im Bereich Handys verkaufen, 9.3 Punkte von 10 wären ihm sicher. Dann fliegen Produkte heraus, wo viele positive Rezensionen sind, aber niemand auch nur einen Hauch von Praxistest äußert. Kauft man etwas, nimmt man es auch in die Hand, nutzt es, zieht es an oder schneidet eine Hecke damit – und dann beschriebt man es auch. Erst wenn sowas in Bewertungen auftaucht, bekommen sie besonderen Wert für mich. Zudem gibt es bei Portalen wie Amazon noch den Zusatz „verifizierter Kauf“. Rein theoretisch Iönnten Agenturen zwar kaufen, schreiben und zurücksenden, praktisch passiert das wohl selten. Also ein Pluspunkt für Glaubwürdigkeit. Fotos sind in der gleichen Kategorie, hier hatte jemand das Produkt in eigenen Händen.
Und damit kommt der für mich entscheidende Punkt: Gute, fundierte Negativ-Kritiken. Sie sind die Leuchttürme in der verkaufs-optimierten Landschaft. Oftmals mit einer gewissen Verwunderung über all die guten Kritiken garniert „Sagt mal, wie kann man diese totale Fehlkonstruktion positiv bewerten?“, gibt sie den unverfälschten Blick auf die oftmals eher triste Realität frei. Schlechte Firmware, billiges Design, unpraktische Details oder mangelhafte Verarbeitung – hier kommen sie endlich zur Sprache. Diese Menschen hätten eigentlich massig Rabatte, Prozente oder gutes Karma verdient! Sehe ich eine stichhaltige Negativ-Kritik, wird sie besonders beachtet und beeinflusst die Kaufentscheidung. Wobei auch hier ausgesiebt werden muss. „Paket kam 2 Tage zu spät!“, „der Briefträger roch wie ein Iltis“ oder „Enkel hat es fallen lassen, kann es leider nicht bewerten, 2 Punkte“, gehören nicht dazu. Aber selbst wenn man sich verkauft: Im allerschlimmsten Fall kann man es ja auch immer noch zurückschicken. Und dann schreibt man eine fundierte Negativ-Kritik - für etwas Realismus im wilden Kaufrausch.
Was mich interessieren würde: Trauen Sie noch den Kunden-Rezensionen? Oder vermuten Sie (wie ich) häufig schon versteckte Werbung dahinter?