Starkoch wider Willen
Ich werde selten zum Chef gerufen, das meiste läuft bei uns über E-Mail oder Telefon, doch an jenem Tag lief ich die Stufen hinunter in sein Büro. Ich wusste nur, dass es um den Blog gehen würde und war gespannt. Der Empfang war herzlich und ich ahnte, er wollte etwas von mir. „Schreibe bitte mal etwas über Kochboxen, wir haben einen lieben Freund der Firma, der eine Seite zu dem Thema hat.“ Damit hatte ich nun nicht gerechnet. „Der Blog ist werbefrei, ich habe keine Ahnung, was Kochboxen sind, das hat keinen Technikbezug und überhaupt…“ Ich gestikulierte hilflos. Leider war meine Strategie improvisiert und mein Chef schlau. Er lächelte generös, als habe er ein Angebot für mich, dass ich nicht ablehnen könne. „Niemand verlangt, dass Du etwas im Text behandelst, was Du nicht kennst. Bestelle doch einfach Kochboxen bei ein paar Anbietern, koche die Gerichte und schreibe darüber. Alles auf Firmenkosten. Es ist eine Dienstleistung aus dem Internet, Amazon versendet jetzt auch Essen, das passt doch.“ Ich wusste, ich hatte verloren. Ich würde kochen und sah ein gewichtiges Problem voraus – ich kann nicht kochen!
Und ich wusste, ich würde diesen Umstand nicht auf die Schnelle ändern können. Ich war auf dem Stand, Dinge in eine Pfanne zu werfen und dann das Beste zu hoffen, Paul Bocuse hätte mich enterbt. Deshalb dachte ich daran, den kochenden Part an meine (in dem Bereich versiertere) Freundin zu delegieren und eher als Chronist aufzutreten. Der Vorschlag erntete nur leicht hochgezogene Augenbrauen. „Das wäre aber nicht ehrlich gegenüber Deinen Lesern!“ Verdammt, es war ausweglos. Schicksalsergeben machte ich mich schlau über Kochboxen und was man dort bekommt.
Das Prinzip ist ganz einfach: Es gibt Anbieter im Internet, die für jede Woche diverse Rezepte anbieten – und auch die passenden Zutaten dafür. Man sucht sich also seine Mahlzeiten aus, bestellt sie für die nächste Woche und bekommt dann ein großes Paket geliefert. Darin befinden sich die Rezepte in gedruckter Form und alle Zutaten (Verderbliches wie Fisch und Fleisch sorgsam gekühlt). Nur Grundzutaten wie Salz, Öl und Co. muss man selbst haben. Ein komischer Anblick, wenn z.B. 6 Kartoffeln, 5 Datteln, ein Stück Fleisch, eine Paprika und diverse Tütchen mit Kräutern auf den Küchentisch kullern, aber gefehlt hat nie etwas.
Bewaffnet mit den Zutaten, dem Rezept des Tages und einem vermeintlich scharfen Keramikmesser machte ich mich ans Werk. Kurz danach wusste ich gleich zwei Dinge mehr: das Messer war definitiv scharf und die Pflaster sind im Flurschrank. 60 Minuten und eine Putenpiccata mit Pappardelle, Parmesan mit cremigem Zitronenlauch später war ich müde – und happy. Die Küche sah aus wie Magdeburg nach dem Dreißigjährigen Krieg, ich hatte länger als angegeben gebraucht, aber das Essen war fertig. Es war nicht ganz einfach gewesen, denn manche Beschreibung, was in welcher Form gewaschen, geschnitten und zubereitet werden sollte, war nicht eindeutig für mich als Kochanfänger. Zudem musste ich in den Tiefen der Küchenschränke nach Geräten suchen, die ich nur alle Jubeljahre nutze. Könner kriegen es bestimmt schneller und mit weniger Kollateralschäden hin. Egal, das Ergebnis zählte und das schmeckte! Stolz wie ein Höhlenmensch mit der Jagdbeute servierte ich.
Und so sieht eine Kochbox aus
Diese Anbieter verkaufen nicht nur Essen und Rezepte, sondern auch puren Lifestyle. Hier gibt es keine trockenen Rezepte wie von manchem hüftsteifen Fernsehkoch, es werden auch der Spaß am Kochen und ein gewisses Lebensgefühl vermittelt. Beispiel HelloFresh: Im fetten DIN A2-Format flattert mit dem Paket die Fresh Times-Postille ins Haus. Darin sieht man neben Rezepten und Warenkunde viele Bilder von Männern mit modischen Bärten, die über das Essen philosophieren. Irgendwo zwischen Gesundheitsbewusstsein und Genuss wird alles Essbare abgefeiert, auch Reis ist einen Artikel wert. Als Bild daneben: Ein paar Säcke Reis, neben denen Männer mit modischen Bärten sitzen. Beeindruckend. Doch ich will nicht ungerecht sein, sowohl Rezepte, als auch Zutaten waren einwandfrei. Obwohl ich kein Bio-Jünger bin - sie hatten mich bei den Champignons. Die wohl urtümlichsten Pilze, die ich je gesehen habe! Keine steril wirkenden, weißen Champignons aus dem Gewächshaus von Agrarindustriellen! Vor meinem geistigen Auge wurden sie von umgeschulten Trüffelschweinen sorgsam aus dem Bio-Acker geborgen und dann fröhlich grunzend beim Bauern abgeliefert.
Natürlich kann man sich selbst auch Rezepte zusammensuchen und dann zum Einkaufen gehen. Das wäre billiger, man hätte die absolut freie Rezeptauswahl, alles klar. Doch wäre ich so zu einem vietnamesischen Banh mi-Sandwich gekommen? Hätte ich im Supermarkt Zhug (auch S-chug genannt, eine jemenitische Gewürzmischung) gefunden? Wohl kaum, vortrefflich gemundet hat aber beides. Um den eigenen Gourmet-Horizont zu erweitern, sind Kochboxen also durchaus geeignet. Das scheint mir auch der Ansatz der Anbieter zu sein: etwas Besonderes zu bieten und neue Kochideen zu vermitteln. So köstlich Bratkartoffeln nach Omas Rezept auch sind, Backkartoffeln mit Feldsalat, Orangendressing und Cashewknusper waren eine feine Abwechslung. Weniger schön waren die ganzen Verpackungen. Gut, alles ist recyclebar, man legt allgemein Wert darauf, aber meine Papiermülltonne war voller als nach Weihnachten. Richtig klasse war hingegen, dass praktisch keine Nahrungsmittel überblieben, sonst definitiv ein Problem von mir. Auch die Motivation war größer, mich nach einem Achtstunden-Tag in die Küche zu stellen. Die durchgehend gut aufgemachten Rezepte, das Gefühl, in einer Schatzkiste zu wühlen (Whoa! Frischer Koriander!) und die Fülle der Zutaten zogen mich in ihren Bann.
Was als reiner Werbe-Auftrag begann und von mir leicht mürrisch aufgenommen wurde (Sorry, Chef!), wurde doch noch interessant bis spaßig. Ich werde hier garantiert keinen Koch-Blog starten (nächste Woche gibt es wieder Technik!), aber der kulinarische Schlenker war lehrreich. Weder ahnte ich, dass es diese Angebote überhaupt gibt, noch wusste ich von meinen Fähigkeiten, schmackhafte Gerichte zu produzieren. Alle Zutaten kamen frisch an (daran hatte ich gezweifelt), die Rezepte waren auch für einen erwiesenen Kochneuling und Grobmotoriker wie mich umsetzbar. Die Bestellvorgänge waren auch kein Problem, schwieriger als das Einkaufen bei Amazon wurde es nicht. Zwölf Abende habe ich gekocht, wir wurden immer satt und geschmeckt hat es auch. Einmal übertrieb ich es leicht mit der Schärfe, aber gemeinsames Weinen stärkt ja bekanntermaßen die Beziehung. Ob Kochboxen auch für Sie etwas sind? Entscheiden Sie selbst! Alle Preise, Anbietervergleiche und Informationen finden Sie hier: http://www.kochboxvergleich.com!
Bild 2: HelloFresh Bild 3: Kochzauber