Geständnisse an der Wursttheke sind ja eher ungewöhnlich, aber kürzlich hörte ich eines. Eine Dame flüsterte (verblüffend laut) ihrer Freundin zu, dass sie genau noch eine Telefonnummer aus dem Kopf kenne. Den Rest kenne nur ihr Handy, einzig die eigene Nummer sei immer parat. Während ich langsam in der Schlange vorrückte, dachte ich nach und kam auf sieben Nummern, immerhin. Und mein Langzeitgedächtnis funktionierte, Schillers Glocke konnte ich noch, das beruhigte mich. Eine Frage aber blieb: Was wüsste ich wirklich ohne digitale Hilfsmittel?
Über manche Dinge spricht man nicht. Sich selbst googlen, eitle Selfies machen, Fastfood in sich hineinstopfen oder auf der Straße wegschauen, um nicht mit bestimmten Menschen sprechen zu müssen – das behält man lieber für sich. Wo man einfach immer lügt: beim Abhaken von AGB. Bei unzähligen Installationen, Käufen und Updates scrollt man mit Lichtgeschwindigkeit durch ellenlange Texte, um endlich die erlösende Zustimmung geben zu können, es soll ja weitergehen! Was man dabei nicht überlegt: Man geht damit einen Vertrag ein, ungelesen.
Stöbert man durch die Weiten des Internets, bringt einen Vieles zum Staunen, aber nur Weniges zum Nachdenken. Erwachsene, die sich Fellkostümen verlustieren, bizarre Schönheitsoperationen, der letzte Ernährungs-Hype oder selbsternannte Heilige, die das baldige Armageddon verkünden – kennt man schon alles. Wenn aber Menschen schreiben, sie würden nun keine Nachrichten mehr schauen, weil sie es schlicht nicht mehr ertragen können, macht mich das nachdenklich. Denn eines ist klar: Mit dem Internet hat sich die Nachrichten-Landschaft verändert und wir müssen lernen, damit umzugehen.
Man könnte ja den Eindruck gewinnen, dass alles immer digitaler konsumiert wird, auch die Musik. Schallplatten gehörten zu den ersten Opfern neuer Technik, zwischen 1988 und 1995 wurden die meisten Presswerke in Rente geschickt, das Personal verstreute sich in alle Himmelsrichtungen. Auf Flohmärkten wurden ganze Sammlungen zu Schleuderpreisen angeboten, als handele es sich Relikte einer primitiven, leicht peinlichen Zeit. Doch zum Erstaunen aller ist die Schallplatte nicht tot – und die Musikindustrie steht vor einer Frage:Wie ging das nochmal mit dem Vinyl?
Man soll sich ja auch mit Menschen unterhalten, die gänzlich unterschiedliche Meinungen haben, nur so wird man schlauer. Daher fand ich es doppelt interessant, einem Menschen zu begegnen, dem Tracking, ausgefeilte Kundenprofile und Co nicht nur egal sind, er sieht sie als gewinnbringend für sich an. Er empfindet es als Geben und Nehmen und fühlt sich denkbar wohl dabei. Willkommen in der Welt von Thomas*, Mittvierziger und Beamter, der alles ganz entspannt sieht. Eine klare Meinung hat er dennoch.